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Drogendealer lieben einfach das Nokia 8210

Wenn bei dir noch irgendwo ein altes Nokia 8210 rumliegt, dann nimm's zum nächsten Drogenkauf einfach mit. Denn am Ende winkt dafür ein Extra-Tütchen Gras.
Illustration eines Nokia 8210 und Marijuana
Illustration von Dan Evans.

Handys haben schon so einige Vorteile. Wie könnten nämlich deine Facebook-Freunde in Brasilien ansonsten in den Genuss von deinen neuesten Selfies kommen? Sie haben aber auch Nachteile. So trägst du durch sie ständig dein Büro mit dir herum, ruinierst angeregte Diskussionen, indem du die Antwort einfach googelst, und sendest rund um die Uhr deinen aktuellen GPS-Standort.

Gerade der letzte Punkt kann für all die gefährlich werden, die hauptberuflich krumme Dinger drehen—von denen natürlich kein anderer etwas mitkriegen soll. Also Leute wie Drogendealer und andere Kriminelle, die aufgrund ihrer Arbeit mit einer gesunden Portion Paranoia ausgestattet sein müssen, dass sie jemand auf Schritt und Tritt verfolgen könnte.

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Der Königsweg, dieses Problem aus der Welt zu schaffen, besteht darin, die Finger von schicken Android-Smartphones und iPhones zu lassen und stattdessen auf die Dienste von 90er-Handys zu vertrauen. Das Mobiltelefon erster Wahl scheint dabei—da waren sich alle meine Informanten einig—das Nokia 8210 zu sein.

Das Telefon im Taschenformat—seit 1999 auf dem Markt—kommt ohne Bluetooth-Funktion, Nahfeld-Technologie oder WLAN. Mit anderen Worten kann also niemand deine Bewegungen tracken. Dafür ist es mit Infrarot ausgestattet, das einen raschen Datentransfer ermöglicht, wenn du mal schnell das Handy wechseln musst. Außerdem ist seine Akkuleistung überragend, was sich anbietet, wenn du den ganzen Tag mit Kunden telefonieren musst.

Das Nokia-Handy wurde pünktlich zur feierlichen Kenzo-Jubiläumsshow—anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Modelabels—in Paris veröffentlicht. Es war das kleinste und leichteste Telefon, das Nokia bis dato auf den Markt gebracht hatte. Mit seinen 79 Gramm erfreut es sich auch unter Gefängnisinsassen großer Beliebtheit. Denn Besucher können es im Hintern versteckt in den Knast schmuggeln.

Ein Dealer aus dem Großraum Birmingham—der sich nur als „K2" vorgestellt hat—hat mir Folgendes verraten: „Ich habe mir drei Nokia 8210 gekauft, weil man mir gesagt hatte, dass man sich echt auf sie verlassen kann—im Gegensatz zu diesen iPhones und den anderen modernen Telefonen. Bei denen kann dir die Polizei nämlich nachweisen, dass du zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gewesen bist."

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„Die Polizei kann mithilfe von WLAN und Bluetooth auf Informationen auf deinem Telefon zugreifen. Außerdem können sie dich anscheinend bei aktuelleren Handys leichter abhören. Alle Dealer, die ich kenne, benutzen ältere Telefone. Und alle sind heiß auf das Nokia 8210, weil es so klein ist und einen super Akku hat. Außerdem war es das beste Handy seiner Zeit. Ich konnte es mir damals, als ich noch in Jamaika lebte, leider nicht leisten. Dafür habe ich jetzt vier Stück davon."

K2 weiter: „In jedem Fernsehfilm kannst du heute sehen, wie leicht die Polizei bei Telefonaten mithören kann. Dazu gibt's auch schon Apps, die jeden einzelnen Anruf von dir aufzeichnen. Meinem alten Nokia kann ich wenigstens noch vertrauen. Für meine Arbeit benutze ich übrigens mehr als nur ein Telefon. Ich habe eins für eingehende Anrufe und eins, um selber Anrufe zu tätigen. Sicherheitshalber tausche ich auch regelmäßig die SIM-Karten aus. Darum benutze ich auch unterschiedliche Handy-Cover, damit ich immer weiß, welches Handy ich gerade in der Hand halte."

Das Nokia 8210 in einer Werbung aus dem Jahr 1999.

Tony, ein 32-jähriger Drogenabhängiger, hat mir erzählt, dass das 8210 mittlerweile zu einem echt guten Tauschmittel geworden ist. „Als ich mir Drogen kaufen wollte, bin ich mit einem 8210 angekommen, weil mein Samsung kaputt gegangen war. Sofort wollten mir zwei Dealer das Handy abkaufen", so Tony. „Ich hab es dann an einen anderen Dealer für Crack vertickt."

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„Danach habe ich alle, die ich kenne, gefragt, ob sie noch irgendwo ein altes Nokia rumzuliegen haben. So habe ich vier weitere bekommen und habe die auch gegen Drogen eingetauscht. Mittlerweile suche ich regelmäßig in Se­cond­hand­läden oder auf eBay nach Nokia-8210-Modellen. Das sind schon echt tolle Handys—und Snake mag eh jeder. Dealer sind wie jeder andere auch: Sie wollen stets das Beste haben, auch wenn das ein uraltes Handy bedeutet."

Ein Handyshop-Besitzer aus Birmingham, der anonym bleiben wollte, hat mir das bestätigen können: „Wir hatten hier schon mehrere Kunden. die nach dem 8210 gefragt haben. Wenn wir eins reinkriegen, ist es innerhalb kürzester Zeit wieder verkauft. Ich weiß nicht, was sie damit vorhaben, ich frage aber auch nicht nach."

Merke also: Wenn bei dir noch irgendwo ein altes Nokia 8210 rumliegt, dann nimm's zum nächsten Drogenkauf einfach mit. Denn am Ende winkt dafür ein Extra-Tütchen Gras.


Illustration von Dan Evans.