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„Ich habe ihn nie betrunken erlebt“: Ein Interview mit Bukowskis Verleger

John Martin kannte Bukowski fast 30 Jahre lang.

Bukowski und seine Frau, Linda. Foto via Getty Images

Ganz egal, was du für eine Meinung über Bukowski hast—ob du denkst, dass er ein untalentierter, nihilistischer, notgeiler alter Sack war, der nur hinter Nutten und Alkohol her war, oder ob er die Stimme der Generation von Arbeitern nach dem Krieg war, die von den Fabriken die Schnauze voll hatten, oder auch eine Mischung aus beidem—die Tatsache, dass er eine feste Größe in Los Angeles’ Literaturgeschichte ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Als wir vor ein paar Jahren an einer Magazin-Ausgabe mit dem Namen The Showbiz Issue arbeiteten, entschied ich mich dafür, mich mit Bukowskis langjährigem Verleger, John Martin, in Verbindung zu setzen. Ich wollte versuchen, mir abseits der ganzen Legenden und Klischees ein Bild darüber zu machen, wie der „Hofdichter dunkler Gassen und übler Absteigen“ im Alltag wirklich war.

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Wenn es nur einen lebenden Menschen gibt, der den echten Charles Bukowski kannte, dann ist es Martin. Martin war für die meiste Zeit Bukowskis Verleger und ist der Grund dafür, dass du Buk überhaupt kennst und entweder liebst oder hasst. 1965 bot Martin Bukowski einen monatlichen Betrag bis an sein Lebensende von 100 Dollar an, damit er seinen Job bei der Post aufgibt und Vollzeitschriftsteller für Black Sparrow wird. Bukowski willigte ein und Martin hielt sein Wort, zahlte ihm später sogar bis zu 10.000 Dollar alle zwei Wochen. Er war Bukowskis Trauzeuge und stellte einen verlässlichen Grundpfeiler in dem ansonsten sehr instabilen Leben des Autors dar.

Am Ende schaffte es das Interview—obwohl ich Martin einige großartige Dinge entlocken konnte (wie das Zitat in der Überschrift dieses Artikels)—nicht in die Magazinausgabe und wurde aus diversen Gründen erst mal zurückgelegt. Wie dem auch sei, jetzt haben wir es wieder hervorgeholt.

John Martin. Foto via Kurt Rogers/San Francisco Chronicle/Polaris

VICE: War Bukowski der eigentliche Grund für dich, Black Sparrow ins Leben zu rufen?
John Martin: Ja, ich gründete Black Sparrow, um Charles Bukowskis Werke zu verlegen. Ich hatte seine Arbeiten in Underground-Magazinen gesehen und war einfach überzeugt—fast schon besessen davon—dass er der neue Walt Whitman werden würde. Seine Texte erschienen in diesen kleinen acht-, zehn, zwölfseitigen Groschenheftchen mit einer Auflage von 100 Stück, die von kleinen Verlagen aus dem ganzen Land veröffentlicht wurden, die gleichzeitig auch seine Fans waren—es waren keine Verlage im herkömmlichen Sinne. Sie versuchten erst gar nicht, seine Bücher in Umlauf zu bekommen oder irgendetwas in der Art.

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Am Anfang hatte ich noch einen anderen Job, bei dem ich von halb acht morgens bis fünf Uhr nachmittags arbeitete. Dann ging ich nach Hause und aß dort mit meiner Frau und meiner Tochter zu Abend, bevor ich dann um sieben Uhr in das Black-Sparrow-Büro ging, um dort noch mal bis zwölf oder ein Uhr in der Nacht zu arbeiten. So ging das einige Jahre. Um 1974 rum war Bukowski dann aber so groß geworden, dass ich es einfach nicht mehr alleine stemmen konnte, und so stellte ich einen Assistenten und einen Buchpacker ein.

Erzähl mir von deinem ursprünglichen Deal mit Bukowski. Ihr hattet euch darauf geeinigt, dass du ihm monatlich 100 Dollar zahlst, oder?
Das war ein großartiger Moment für mich und für Bukowski und, ich glaube auch, für die Welt der Literatur. Wir setzten uns mit einem kleinen Zettel zusammen. Ich hatte einen Stift in der Hand und er listete seine ganzen monatlichen Ausgaben auf—dabei muss man im Hinterkopf behalten, es war 1965 und seine Monatsmiete betrug 35 Dollar. Er musste 15 Dollar Alimente zahlen, 3 Dollar für Zigaretten, 10 Dollar für Alkohol und noch mal 15 für Essen. Und trotzdem, obwohl sich dieser Betrag geradezu kläglich anhört, konnte er sich damit selber ernähren und vernünftige Kleidung kaufen, ein sehr altes Auto fahren und in seinem teilweise bis komplett heruntergekommenen Appartement in East Hollywood leben. Mit 100 Dollar im Monat kam er durchaus über die Runden. Ich verdiente zu der Zeit nur 400 Dollar im Monat und gab damit 25 Prozent meiner Einkünfte an ihn ab. Sobald sein Karriere aber an Fahrt aufnahm, ging es uns beiden wesentlich besser.

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Ganz am Ende zahlte ich ihm Honorarvorschüsse, damit ich ihm nicht immer Unsummen von Geld schulden würde. Das sah dann so aus, dass ich ihm alle zwei Wochen 10.000 Dollar gab. Er hatte es also von 100 Dollar im Monat auf 10.000 Dollar alle 14 Tage gebracht und dann am Jahresende bekam er noch das, was ich ihm obendrein noch schuldig war. Das wirklich große Geld kam aber noch später, als wir anfingen, seine Bücher für Filme und solchen Kram zu verkaufen.

Wurden noch andere Romane neben Faktotum und Barfly zu Drehbüchern gemacht?
Ja, es wurden noch einige verkauft, aber nie verfilmt. Der Mann mit der Ledertasche wurde in den frühen 70ern an Taylor Hackford verkauft; Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend wurde ebenfalls verkauft … ich muss mal gerade überlegen … Faktotum wurde verkauft, Das Liebesleben der Hyäne wurde an Paul Verhoeven verkauft, und Barfly wurde natürlich auch verkauft.

Glaubst du, dass einige von denen in naher Zukunft gedreht werden?
Weißt du was? Das ist mir so was von egal. Ich wollte Bukowski unabhängig machen und er starb als Millionär. Er war mit seinem Geld sehr sparsam und alles andere als prahlerisch. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mit ihm losgezogen bin, um ein Auto, einen BMW, zu kaufen. Er betrat mit Flanellhose und Flanellshirt bekleidet und einem Stift in seiner Brusttasche—er hatte immer einen Stift in seine Brusttasche geklemmt—den Laden und streunte herum, bis er den Wagen gefunden hatte, den er haben wollte. Das komplette Verkaufspersonal würdigte ihn keines Blickes, bis dann endlich einer rüberkam und in dieser sarkastischen Art fragte: „Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?“ Er sagte nur: „Ja, ich möchte das Auto hier haben.“

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„Haben sie vor, in Raten zu zahlen oder einen Kredit aufzunehmen?“, fragte der Typ.

„Nein, ich gebe ihnen einen Scheck.“

Der Verkäufer fragte: „Jetzt?“ Und Bukowski sagte: „Ja.“ Der Typ war total entgeistert, aber wie aus dem Nichts wurde Kaffee gekocht, uns Plätzchen und Donots gereicht und die bequemen Sessel unter den Hintern geschoben. Er füllte den Papierkram aus, schrieb den Scheck, stieg in das neue Auto und fuhr los.

Großartige Geschichte. Gab es Zeiten, zu denen du Bedenken hattest, diesem Säufer ein Viertel deines Einkommens zu geben?
Nein, niemals. Ich glaubte so sehr an ihn, wie er auch an sich selber glaubte. Es war fast wie eine religiöse Konversion, bei der eine Person nicht mehr von etwas abzubringen ist. Du steigst dann auf den Rücken eines Esels und gehst auf einen Kreuzzug—ganz egal, was kommt. So fühlte ich mich dabei, Bukowski zu verlegen.

Wie fand Bukowski, dass seine Bücher zu Drehbüchern umgewandelt wurden? Er scheint eher gemischte Gefühle gegenüber Hollywood gehabt zu haben.
Na ja, er macht sich darüber in seinem Roman Hollywood lustig. Er ist aber gleichzeitig jemand, der, bevor er seinen Job bei der Post anfing, mehr als eine Nacht auf einer Parkbank verbracht hat. Er ist jemand, der als Patient ohne Krankenversicherung von einem der größten Krankenhäuser in Los Angeles abgewiesen wurde und beinahe verblutet wäre. Er ist jemand, der—wie du in Faktotum lesen kannst—in einer Fabrik für Hundekuchen gearbeitet hat. Er hatte einen Job, bei dem er nachts diese kleinen Plakate in den U-Bahnwagen aufhängte, diese kleinen Werbeplakate, die man in diese Schieber tut. Er arbeite in einem Rahmenladen und rahmte Bilder. Ich will damit sagen, dass es er wirklich einiges durchgemacht hat.

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Später dann, allein durch sein literarisches Schaffen, fing er an, interessante und berühmte Leute anzuziehen wie Elliott Gould, Bono … Sein größter Fan war Sean Penn—er liebte ihn wirklich. Sie waren sich so nahe, wie es zwei Männer nur sein können. Und das war seine Art von Beute, wenn du verstehst, was ich meine. Früher im Mittelalter plünderten sie die Städte und dafür gab es dann Beute—die ganzen Juwelen, die Kunstwerke und was weiß ich—das gehörte dann alles der eingefallenen Armee. Bukowski hatte sich diese Beute wirklich verdient. Dabei hat er jedoch nie auf andere herabgeblickt, aber ich erinnere mich noch daran, wie Bono dieses Konzert im Dodger Stadium in Los Angeles spielte und Bukowski und seine Frau als Gäste eingeladen hatte. Er startete die Show mit der Ansage, „Dieses Konzert ist für Charles Bukowski.“ Und die Menge jubelte! Sie wussten alle, wer er war.

Wie war das mit Elliot Gould?
Das ist eine weitere legendäre Bukowski-Story. Bukowski wurde krank, er hatte Fieber und Husten. Gould sagte ihm, „Du solltest, zu meinem Arzt gehen.“ Er nahm ihn rüber nach Beverly Hills und dieser sündhaft teure Beverly Hills-Spezialist sagte, „Sie sind einfach erschöpft. Nehmen sie ein paar Vitamine und ruhen sie sich für eine Weile aus.“ Das Fieber und der Husten blieben aber und so nahm Sean Penn ihn zu seinem Arzt, einem anderen teuren Spezialisten in Beverly Hills. Der Arzt untersuchte ihn und sagte, „Ich finde nichts. Sie sind einfach nur erschöpft. Arbeiten sie nicht mehr bis spät in die Nacht“, und solche Sachen halt. Eines Tages verletzte sich eine seiner Katzen—Bukowski war ein großer Katzenliebhaber—in einem Kampf. Bukowski nahm sie zu einem Tierarzt in der Nähe von seinem Haus in San Pedro, was eine raues Hafenviertel ist, und der Typ kümmerte sich um die Katze, verband sie und tat alles andere, was nötig war. Bukowski sagte daraufhin zu ihm, „Ich war schon bei diesen beiden Ärzten. Ich fühle mich furchtbar, ich habe diesen Husten, dieses Fieber …“ Der Typ schaute ihn sich kurz an und sagte dann, „Sie haben Tuberkulose.“ Diese beiden Beverly Hills-Ärzte hatten in ihrem Leben noch nie einen Fall von Tuberkulose gesehen! Es ist eine Arme-Leute-Krankheit. Diese Tierarzt aber—ohne überhaupt bei ihm Temperatur zu messen—schaute sich ihn kurz an, achtete auf seinen Husten und sagte einfach: „Na ja, sie haben Tuberkulose.“ Sean Penn brachte ihn also wieder zurück zu seinem Arzt, der sich jetzt ernsthaft gedemütigt fühlte, und Bukowski bekam eine Kur verschrieben. Innerhalb eines Jahres war er wieder gesund.

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Wie ist sein erster Roman, Der Mann mit der Ledertasche, entstanden?
Das ist eine gute Geschichte. Wir schlossen also im Dezember diesen Deal über die 100 Dollar im Monat ab—Anfang Dezember, wenn ich mich recht erinnere—und so gab er bei der Post bescheid, womit sein letzter Arbeitstag auf den 31. Dezember fiel. Zu mir sagte er daraufhin, „OK, ich werde dann bei dir am 2. Januar anfangen. Der 1. Januar ist ja Neujahr und den würde ich gerne als Feiertag nehmen.“ Wir fanden das beide total lustig. Drei oder vier Wochen vergingen, ich glaube, es war immer noch Januar oder allerspätestens die erste Woche im Februar, und er rief mich an—ach ja, ich hatte ihm zuvor noch gesagt, „Falls du jemals daran denken solltest, einen Roman zu schreiben: Die verkaufen sich wesentlich besser als Gedichte; es wäre sehr hilfreich, wenn du einen Roman schreiben könntest.“—er rief mich also Ende Januar oder Anfang Februar aus heiterem Himmel an und sagte, „Ich habe ihn. Komm vorbei und hol ihn dir ab.“ Ich fragte nur, „Wen?“, und er sagte, „Meinen Roman.“ Ich sagte, „Du hast seit dem letzten Mal, als wir uns gesehen haben, einen Roman geschrieben?“ Und er sagte, „Ja.“ Ich fragte ihn, wie das überhaupt möglich sei und er antwortete nur, „Angst kann viel bewirken.“ Und dieser Roman war Der Mann mit der Ledertasche.

Glaubst du, seine Arbeit hätte darunter gelitten, wenn du ihn früher getroffen und früher das Geld angeboten hättest? Er hätte dann diese furchtbaren Jobs nicht machen müssen und damit auch die ganzen Erfahrungen nicht gemacht.
Weißt du, alles, was wir erleben, macht uns zu dem, was wir sind, und er brauchte diese ganzen Erfahrungen in seiner Vergangenheit, um so erfolgreich zu werden, wie er dann war. Es ist wie bei Henry Miller und seiner Zeit in Paris. Hätte er die ganzen Sachen dort nicht erlebt, wie hätte er dann Wendekreis des Krebses schreiben können? Bukowski hatte immer wieder Phasen, in denen er komplett am Ende war. Nachdem er bei seinen Eltern ausgezogen war, war die einzig stabile Periode in seinem Leben die, während der paar Jahre, die er bei der Post arbeitete. Weil er täglich dort erscheinen musste, musste er nüchtern sein und er musste pünktlich sein. Gleichzeitig brannte in ihm das Verlangen, zu schreiben. Bedenke, dass er Ende der 40er aufgehört hatte zu schreiben und zehn Jahre lang nichts zu Papier brachte—diese zehn Jahre war er einfach nur ständig besoffen. In den späten 50ern hatte er dann diesen körperlichen Zusammenbruch, weswegen er im Krankenhaus landete, aus dem Rektum blutend. Er wäre deswegen fast gestorben.

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Warst du an der Produktion von Barfly beteiligt?
Nein. Alles, was ich gemacht habe, war, mir Sorgen zu machen.

Warum hast du dich gesorgt?
Weil, als er von diesen ganzen Leuten umgeben war … Hank fühlte sich unter Menschen nicht wohl, vor allem in Menschenmassen aber auch bei kleineren Zusammentreffen; er war ein richtiger Einzelgänger. Er wollte morgens aufstehen, kurz mit seiner Frau frühstücken, die Zeitung lesen, gegen Mittag das Haus verlassen, spazieren gehen, nachmittags gegen sechs Uhr wieder nach Hause kommen, gegen sieben Uhr zu Abend essen, um acht nach oben gehen und dann bis zwei Uhr morgens schreiben, und er wollte nicht, dass irgendetwas dieser Routine in die Quere kam. Und das war es, was er an sieben Tagen in der Woche machte. Natürlich haben wir es zwischendurch genossen, Zeit miteinander zu verbringen, und er traf sich auch gerne mit Sean Penn, aber ich wusste, dass ich ihm nicht jeden Tag behelligen sollte—er hätte das gehasst. Er wäre dabei allerdings immer höflich geblieben—er war der höflichste Mann, den ich jemals gekannt habe, und der ehrlichste Mann, den ich jemals gekannt habe. Er war so rücksichtsvoll und höflich und immer um dein Befinden und darum, dass es dir gut ging, bedacht, wenn du bei ihm warst.

Das scheint in seinem Werk jetzt nicht gerade durch.
[lacht] Nein, überhaupt nicht. Die Person, die er in der Öffentlichkeit abgab, ist komplett anders, als die, die er tatsächlich war.

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Inwiefern—von seiner Höflichkeit mal abgesehen?
Ich kannte ihn ungefähr 35 Jahre lang oder noch länger? Ich habe ihn nie betrunken erlebt—kein einziges Mal.

Wie bitte? Ernsthaft? Trank er regelmäßig, aber dafür wenig?
Nein, ich glaube, es war das Gegenteil. Er trank nicht sehr oft, aber wenn er trank, dann trank er viel. Ich meine, er trank schon täglich und gegen Ende war es vor allem guter Wein. Bedenke, dass er lebte, um zu schreiben, und wie viele andere Schriftsteller nippte er beim Schreiben—sagen wir, zwischen acht Uhr abends und zwei Uhr morgens—an etwas Wein. Es war quasi sein Schmiermittel.

Bukowski bei einer Vorführung von Barfly am 4. November 1987. Foto via WireImage

Er war also eher ein Gesellschaftstrinker? Er trank am Tag nur so viel, dass er sich etwas entspannen konnte?
Genau. Wenn es nicht gerade so war, wie während der Dreharbeiten von Barfly, wo er zu den Partys der Darsteller eingeladen wurde und einen kleinen Cameo-Auftritt in dem Film hatte und solche Sachen halt. Er griff dann einfach blind zur Flasche, weil er so ängstlich war. Er hatte wirklich Angst vor Menschen.

Nur, um Missverständnisse zu vermeiden: Du kanntest ihn 35 Jahre lang und hast ihn kein einziges Mal betrunken erlebt?
Naja, ich habe ihn 1965 kennengelernt und er starb 1994, also kannte ich ihn fast 30 Jahre—und ich habe ihn nie betrunken gesehen, kein einziges Mal.

Als er aber mit diesen Hollywoodmenschen abhing, da war er öfter betrunken.
Ja, aber da war ich nicht dabei. Ich lebte in Santa Barbra. Als er anfing, richtig berühmt zu werden—ich bin 1975 nach Santa Barbara gezogen und das war, als es so richtig losging—wusste ich, was passieren würde. Ich erinnere mich noch, als ich dieses eine Mal zu ihm fuhr, als er noch in dieser Müllhalde in East Hollywood lebte. Er hatte dieses kleine Appartement direkt an der Straße im Erdgeschoss mit einer kleinen Veranda. Auf dieser Terrasse stand diese Couch, eine wirklich versiffte alte Couch. Ich weigerte mich, darauf zu sitzen, weil sie so dreckig aussah. Jedenfalls fuhr ich rüber, um mich mit ihm zu treffen, und dort, auf dieser Couch, saßen diese beiden wunderschönen, kleinen, blonden Mädchen. Kleine, grazile, zerbrechliche Mädchen, verstehst du? Ich dachte mir nur, ‚Was zur Hölle machen die hier?’ Als ich mich also der Veranda näherte, sagte eine von ihnen, „Du bist nicht Bukowski.“, und ich sagte, „Nein, aber ich bin gekommen, um ihn in 15 Minuten hier zu treffen.“ Sie entgegnete daraufhin, „Oh, wir sind den weiten Weg aus Holland gekommen, um ihn zu treffen.“ Ich sagte dann, „Das ist aber nett. Er wird sich bestimmt freuen, euch kennenzulernen“, oder irgendwas Lahmes in der Art und fügte dann noch hinzu, „Das ist aber ein verdammt weiter Weg, nur um herzukommen und ihn zu treffen.“ Und sie antworteten, „Oh, wir wollen ihn ficken.“

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Hat er sie dann gevögelt, als er zurück kam?
Ah, das bezweifle ich. Das war zu der Zeit als er Das Liebesleben der Hyäne schrieb—oder kurz davor. Als er ankam—ich muss gerade mal überlegen—setzten wir uns alle zusammen hin und unterhielten uns für so 15 bis 20 Minuten und als sie merkten, dass ich nicht vorhatte, bald abzuhauen, sagten sie „Na ja, wir kommen später noch mal wieder“ und er erzählte mir, dass sie sich nie wieder haben blicken lassen. Ich weiß es also nicht wirklich. Viellicht sind sie doch noch zurückgekommen; er hätte es mir nicht gesagt.

War Das Liebesleben der Hyäne eine akkurate Darstellung der Art, wie er lebte?
Oh, ja. Er schrieb es in dem Zeitraum ‘75, ‘76, ’77 und ich veröffentlichte es dann 1978. Er schickte mir Kapitel für Kapitel das Manuskript, sobald er damit fertig war, und nach jedem Kapitel musste ich mich erst mal hinsetzten, mich etwas sammeln und hoffen, dass nicht alles davon der Wirklichkeit entsprach.

Hast du ihn gefragt, wie viel davon echt war?
Ich rief ihn nur ein paar Mal an und sagte so etwas wie, „Bist du OK? Benimmst du dich auch?“ Er war nämlich sehr auf gutes Benehmen bedacht, wenn ich in seiner Nähe war. Seien wir doch ehrlich: Ich war so etwas wie sein Ausstiegspunkt aus dem Leben, das er zuvor gelebt hatte. Ich habe da etwas, was ich sehr wertschätze und das gerahmt an meiner Wand hängt. Es ist ein weißes Blatt Papier auf das er oben mit der Schreibmaschine geschrieben hat:

„Dear Johnny,

You’re the best boss I ever had.“

Und darunter befindet sich eine Zeichnung von ihm und unterschrieben ist es mit ‚Henry Chinaski’.

Das ist großartig.
Und alle zwei Wochen bekam er von mir einen Gehaltsscheck. Ich repräsentierte für ihn Stabilität und harte Arbeit—weil er auch wusste, wie hart ich meinerseits arbeitete, und er wusste das wirklich zu schätzen. Es war also eine perfekte Beziehung. Wenn er mich anrief, sagte er mit seiner tiefen Stimme immer, „Mr. Rolls, hier ist Mr. Royce.“

War das, als das Geld anfing, reinzukommen?
Ja, ich neckte ihn immer, „Eines Tages wirst du dir deine Zigarren mit 50 Dollar-Scheinen anzünden.“ Er sagte dann darauf „Nur 50? Was ist mit 100ern?“ Und das von Jemandem, der, wenn er ein Cent Stück auf der Straße erblickte, anhielt, rüberging, es aufhob und sich in die Tasche steckte. Nicht, dass er geizig gewesen wäre, ganz im Gegenteil konnte er anderen Leuten gegenüber sehr spendabel sein, aber er war sparsam. Er wusste, was es heißt, nur 20 oder 30 Cent in der Tasche zu haben und hungrig zu sein.

Jonathan ist es egal, was du über Bukowski denkst. Folge ihm bei Twitter.