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Wie rechts ist der österreichische Staat?

Ziemlich, wie uns jeden Tag aufs Neue deutlich gemacht wird.

Gottfried Küssel beim Walter Nowotny Gedenken 2008. Foto von Flickr | InSight Blog | CC BY 2.0

Nach jahrelanger Regierungsbeteiligung der FPÖ, die in neuesten Umfragen bei 28 Prozent liegt, und dem unlängst bekannt gewordenen Fall des Identitären-affinen Polizeigewerkschafters, dürfte die Frage um die politische Orientierung in Sachen Exekutive und Legislative zu einem Teil beantwortet sein.

Im Alpenland gibt es nicht einmal mehr einen Grund, aus der eigenen Gesinnung ein Geheimnis zu machen, weil man eh mit breiter Unterstützung rechnen kann. Auch der Umgang mit den Identitären bei ihrer Demonstration am 17. Mai hat gezeigt, auf welcher Seite einige Polizisten stehen und bei der Besetzung der Pizzeria Anarchia hat uns der Staat noch einmal mit der Nase direkt in eine übervolle Klo-Schüssel getunkt, die schmutziger als alles wirkte, was die Punks aus dem dritten Stock werfen konnten. Zuletzt gab es beim Prozess gegen Josef S. weit über die Grenzen Österreichs hinaus Zweifel an der Objektivität unserer Justiz.

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Jetzt gibt es einen weiteren Fall, der den Eindruck vermittelt, dass die Republik insgesamt vielleicht weiter rechts vom mehrheitsgesellschaftlichen Zentrum steht, als uns lieb ist.

Die Einstellung der Betreiber von Alpen-Donau.info ist allgemein bekannt. Sowohl die des Initiators der Seite Gottfried Küssel—der sich selbst als Nationalsozialist bezeichnet und deswegen derzeit im Gefängnis sitzt—, als auch die des derzeitigen Betreibers der Seite vestecken ihre Überzeugungen nicht. Auf der neuen Seite wird das Urteil gegen Küssel wegen NS-Wiederbetätigung von ihm als „Schandurteil“ bezeichnet. Derzeit ist der Ton auf Alpen-Donau.info noch harmloser, als der auf der alten Seite, die 2011 offline genommen wurde. Doch der Hintergund und die Aussagen des Betreibers sind eindeutig.

Der ehemalige Burschenschaftler und bis 2009 RFJ-Mitglied, Richard Pfingstl, vertritt mit seinem Namen und Ruf die Inhalte dieser Seite. Auch er wurde wegen Wiederbetätigung verurteilt. Nun wurden auf der Seite Namen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern von zwei Männern veröffentlicht (von einem sogar die Adresse), die die Alpen-Donau.info bei der Stelle für NS-Wiederbetätigung des Innenministeriums gemeldet hatten. Einer der Genannten (und nein, wir werden hier nicht seine persönlichen Daten veröffentlichen) erzählte mir, dass er eine rechtsextreme Seite zwar wieder melden würde—gerade jetzt—, aber wahrscheinlich nach diesem Vorfall nur anonym. Sein Vertrauen in den Rechtsstaat sei jedenfalls beschädigt.

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Auf der Seite der Meldestelle steht, dass Daten „auf Wunsch“ vertraulich behandelt würden. Ansonsten offenbar nicht. Das war vielen bisher nicht bewusst—und sollte es auch nicht sein müssen. Gerade in einer Angelegenheit wie dieser, in der es per Definition um fragwürdige bis gefährliche Ideologien geht und Menschen, die sich für die Verbreitung dieser Weltanschauungen trotz allem aktiv einsetzen, müssen persönliche Daten geheim bleiben, um die Zivilcourage und das Demokratieverständnis der Bevölkerung nicht dauerhaft zu beschädigen. Pfingstl hatte 2010 mit sieben anderen in einem Grazer Lokal die Einrichtung zertrümmert und Gäste schwer verletzt.

Durch Versäumnisse wie dieses schrecken Politik und Justiz ausschließlich Menschen davon ab, NS-Wiederbetätigung zu melden. Vom Innenministerium gehen Kopien von Akten an die Staatsanwaltschaft, von wo aus sie an die Betreiber einer Seite mit rechtsextremem Hintergund gelangen. In einem gesunden, funktionierenden Rechtsstaat sollte das zwar unvorstellbar sein, aber in den letzten Wochen scheint genau das immer häufiger fraglich.

„Nach einem kurzen Hin und her war man bereit uns die anderen Melder vorzulegen. Auf Anfrage bekommt ihr die Daten der Meldungsleger“, steht auf Alpen-Donau.info. Die beiden, die die Seite gemeldet hätten, würden sich bestimmt über ,Fanpost' freuen, heißt es weiter.

Da ich wegen des Interviews schon Kontakt zu Richard Pfingstl hatte, dachte ich, nach den Quellen zu fragen, würde nicht schaden. Auf Anfragen von Journalisten reagiert er meist vorsichtig und ironisch, den Mailverkehr veröffentlicht er teilweise auf Alpen-Donau.info. Seine Antwort war folgende:

Doch auf den veröffentlichten Akten befindet sich der Stempel, der bestätigt, dass die Akten bei der Staatsanwaltschaft eingelangt sind. Diese Akten besitzt nur die Staatsanwaltschaft selbst. Im Telefonat wird von Seiten des Innenministeriums ausgeschlossen, dass von dort Informationen nach Außen gedrungen sein könnten. Die Staatsanwaltschaft hat sich noch nicht geäußert. Laut Meldestelle des Innenministeriums würden jedenfalls Konsequenzen gezogen, sollte sich herausstellen, dass die Daten von der Staatsanwaltschaft zu den Betreibern von Alpen-Donau.info gelangt sind. Gemeinsam müssten sich dann Innenministerium und Staatsanwaltschaft überlegen, wie das Vertrauen in die Meldestelle wieder aufgebaut werden könne.

Hanna auf Twitter: @hhumorlos.