Wir haben die schlechtesten Sexmagazine gelesen, damit ihr es nicht müsst

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Wir haben die schlechtesten Sexmagazine gelesen, damit ihr es nicht müsst

"Sexy Miezen" und "echte Hausfrauen" wollen "sexeln". Ein Abschiedsgesang auf das sterbende Genre der Schmuddelhefte.

"Mein Hintern erwartet dich!", versichert die halbnackte blonde Frau mit den sehr roten Lippen, während sie sich über die Doppelseite räkelt. "Po-Sex ist einfach himmlisch!", legt Helen noch einmal nach. Aber sie muss sich auch anstrengen, denn die Konkurrenz ist hart. Gleich auf der nächsten Seite verkündet Clarissa, sie sei "die Schlampe, die Männer im Bett wollen". Und dahinter warten schon Maike, "die Göttin tabuloser Lust", und Andrea, die "beim Fellatio die Beste" ist. Wie soll man sich da entscheiden?

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Sexy Miezen heißt die Zeitschrift, in der man all diese Frauen bewundern kann, und das Heft ist nur einer von geschätzt 25 Titeln, die sich gut versteckt im obersten Fach des Zeitschriftenregals drängen. Dabei sehen alle ziemlich gleich aus: rotgelbe Titel, dünnes Papier und mindestens drei nackte Frauen auf der Titelseite. Am meisten Freude machen aber die Namen: Es gibt die Klassiker Praline oder Coupé aber auch Sex mal Sex, Neues aus der Sexwelt, Echte Hausfrauen, Normale Nachbarinnen und Das pfiff! Magazin.

Jeder kennt diese Magazine, aber kaum jemand hat sie je gelesen. Es grenzt an ein Wunder, dass es die Dinger überhaupt noch gibt. In einer Zeit, in der jeder auf seinem Telefon in Sekunden so ziemlich alles sehen kann, was weltweit an Porno-Videos produziert wird, wirken gedruckte Schundheftchen mit zensierten Geschlechtsteilen so zeitgemäß wie Minidiscs. Auf die Frage, ob die Hefte noch gekauft werden, grinst die Verkäuferin nur: "Die werden mehr geklaut als gekauft." Und was für Leute kaufen die? "Alle möglichen. Aber eher Ältere." Erotik-Magazine kaufen: eine Zeitreise in die Unterhosen der frühen 90er.

Am Ende haben es zehn Titel in die Auswahl geschafft. Bei näherer Lektüre zeigt sich, dass es durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Magazinen gibt: Titel wie Neues aus der Sexwelt, Sexy Miezen oder Praline sind eher auf im landläufigen Sinne "heiße" Frauen spezialisiert, obwohl auch die im Vergleich zu Playmates ungephotoshoppt daherkommen. Von der Bildbearbeitung haben die Macher entweder noch nie gehört, oder sie hatten keinen Bock, sich damit zu beschäftigen. Wer Sex mal Sex kauft, der kommt mit ein paar kleinen Falten zurecht.

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Noch authentischer geht es bei den Normalen Nachbarinnen und den Echten Hausfrauen zu. Die Frauen in diesen Magazinen sehen wirklich so aus, als sei der Fotograf einfach irgendwohin gefahren und hätte einmal die Frauen eines ganzes Dorfs nackt fotografiert—egal ob dick oder hager, rasiert oder unrasiert, jung oder alt. Und tatsächlich ist es offenbar genau so: In einem Porträt, das die Welt 2007 veröffentlicht hat, verrät der legendäre Chefredakteur der St. Pauli Nachrichten, Jürgen Klebe, wie die Fotos für all die Helens, Clarissas und Maikes entstehen.

Bis zu fünfzehnmal im Jahr fahre er nach Osteuropa, wo dann ein paar Dutzend Frauen darauf warten, sich in irgendeinem schäbigen Hotelzimmer für 250 Euro in Dessous zu zwängen und in die Kamera zu lächeln: "Die meisten von ihnen sind Arbeiterinnen aus den Fisch- und Brotfabriken." Wenn man ganz genau hinguckt, kann man unter dem Impressum von Dralle Dinger einen kleinen Disclaimer entdecken: "Abgebildete Personen sind nicht unbedingt identisch mit den im Text behandelten Personen." Soll heißen: Die Fotos werden nach Deutschland zurückgebracht, wo sich dann ein paar Redakteure am Fließband "individuelle Geschichten" zu den Brüsten ausdenken.

Wie kreativ jene Redakteure sein müssen, variiert je nach Magazin. In der Sex mal Sex zum Beispiel gibt es kaum längere Texte, die wichtigsten Infos werden in Steckbriefen abgehandelt. Bis auf die ein oder andere Fotostory halten das die meisten Zeitschriften so—mit einer bemerkenswerten Ausnahme.

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Neues aus der Sexwelt nimmt seinen Auftrag als Info-Blatt auf bizarre Art und Weise extrem ernst. Das ganze Heft ist mit Text geradezu vollgestopft, nach jeder doppelseitigen Fotostory kommen zwei Seiten "Aktuelle Sex-Meldungen". Da stehen natürlich keine echten Meldungen, sondern völlig wahllos aneinandergereihte Textschnipsel, die ziemlich skurrile Blüten treiben. Zum Beispiel: "Bei vielen Damen kommt es mindestens einmal täglich vor, dass sie in den Spiegel schauen." - "Knackig, gebräunt, prall. Diese Dame hat das Richtige getan, als sie sich unter das Solarium legte." - "Die Hälfte aller Frauen einer Umfrage gibt zu, einen weiten Bogen um Männer mit quietschenden Schuhen zu machen."

Jaja, die Frauen. Dass die in den Heftchen immer "scharf" und "willig" sind, überrascht nicht, da unterscheidet sich das Frauenbild nicht wirklich von jenem in modernen Pornos. Auffällig ist nur, wie viele der Szenarien auf ältere, verheiratete Männer zugeschnitten sind. Andrea (die Fellatio-Königin) zum Beispiel erzählt, wie sie einmal bei einem Abendessen unter den Tisch gekrochen sei, um einen armen Mann zu trösten, dessen Frau oben ständig "nörgelte". Und in vielen der Texte erwähnen die Mädchen, wie aufregend sie den Gedanken finden, einen verheirateten Mann zum Fremdgehen zu verführen—und dann nach ein paar "wilden Nächten" schnell für immer aus seinem Leben zu verschwinden. Die Welt, versprechen die Magazine, ist voll von solchen Mädchen, die alle nur deine "Lustrute" (ja, wirklich) wollen! Überhaupt, das Vokabular. Eigenartigerweise taucht nämlich das Wort "ficken" nie auf. Es wirkt, als wäre dieses Wort den Autoren viel zu direkt und "unerotisch". Stattdessen bedienen sie sich entweder einer Reihe von Synonymen (pimpern, poppen, bumsen, nageln, vögeln, knallen, stoßen, stopfen, beglücken, vernaschen, verwöhnen), oder sie nehmen "sexeln": ein Verb, das nur in diesen Magazinen existiert und das ungefähr die gleichen erotischen Gefühle auslöst wie die Wörter "Nacktmull" und "Zivilschutzkonzept". Andererseits: Was sollen sie auch schreiben? Über Sex zu schreiben, ohne in Plattitüden abzurutschen, fällt ja sogar echten Schriftstellern schwer. Ein englisches Literaturmagazin vergibt seit Jahren den "Bad Sex in Fiction Award" an besonders missglückte Roman-Passagen (2015 hat Morrissey gewonnen). Aber die Texte, die sich in deutschen Erotik-Magazinen um all die Ärsche und Brüste schmiegen wie zähflüssiger Sirup, sind von so ausgesuchter Scheußlichkeit, dass sie eigentlich ein eigenes Genre darstellen. Wo sonst kann man von "versauten Schäferstündchen" lesen, in denen "dunkelhaarige Schönheiten" natürlich "rasend vor Lust" ihre "Bettgefährten mit süßen Früchtchen locken"? Dass die Sprache so altbacken daherkommt, liegt natürlich daran, dass die Heftchen ihre beste Zeit schon lange hinter sich haben. Nach der Wende, als hunderttausende völlig porno-verhungerte Ostdeutsche die Kioske plünderten, erlebten die Magazine noch einmal fette Jahre. Im ersten Quartal 1991 verkaufte sich die Praline fast eine Million Mal, und auch den anderen Blättern ging es außerordentlich gut. Das ist vorbei. Die Coupé zum Beispiel, die noch um die Jahrtausendwende eine halbe Million Exemplare verkaufte, kam 2007 nur mehr auf knapp 200.000 Hefte, und die Auflagen fallen weiter. "Spätestens in zehn Jahren gibt es uns alle nicht mehr", prophezeite der St-Pauli Nachrichten-Chef Jürgen Klebe 2010 in der Süddeutschen Zeitung.

Trotzdem findet man aktuell immer noch an die 20 verschiedene Titel in Kiosken. Das kann aber auch daran liegen, dass einzelne Verlage immer gleich mehrere Hefte herausgeben. Der Verlag NewLevel Establishment, der dem "Erotikfachmann" (SZ) Robert Gabor gehört und in Liechtenstein seinen Sitz hat, kaufte 2006 vom Hamburger Heinrich Bauer Verlag die dahinsiechende Praline. Seitdem sind noch mehr dazugekommen: Von zehn wahllos am Kiosk gekauften Heften gehörten ganze sechs dem Liechtensteiner Verlag. Mit jemandem vom Verlag für diese Geschichte zu sprechen, war leider nicht möglich. Nach mehreren ergebnislosen Telefonaten durch ganz Deutschland riet mir eine freundliche Dame schließlich, meine Fragen doch per Brief nach Vaduz zu schicken und zu hoffen, dass da überhaupt jemand den Briefkasten leert.

Wenn Klebe Recht hat, dann bleiben dem deutschen Schundheft noch circa vier Jahre, bevor es endgültig eingestampft wird. Werden wir die Heftchen vermissen? Nicht wirklich. Und jedes Mal, wenn uns doch noch Nostalgie überfällt, können wir uns einfach "Aktuelle Sex-Meldungen" wie diese in Erinnerung rufen: "Sex im Freien ist auch so eine Sache! Einerseits fürchtet man sich davor, entdeckt zu werden, andererseits macht gerade das den Reiz und den Nervenkitzel aus! Manche Leute hoffen geradezu, erwischt zu werden, denn mit Zuschauern ist ihr Orgasmus noch intensiver!"

Macht einfach die Augen zu, Schundhefte. Es ist Zeit, die Lustruten zur Ruhe kommen zu lassen. Das letzte Schäferstündchen hat geschlagen.