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Film

Was wir von 'Pixels' über Videospiele gelernt haben

Die Frage, was Peter Dinklage dazu bewogen hat, bei diesem sexistischen Dreck mitzuwirken, bleibt allerdings offen.
Screenshot: YouTube

Adam Sandler hat in den vergangenen Jahren nicht gerade mit filmischen Meisterwerken geglänzt, macht ganz im Allgemeinen vor keinem billigen Witz halt und der wirklich einzige Grund, warum wir ihm hier auch nur minimalst viel Platz einräumen, ist, dass er sich mit seinem neuesten Machwerk Pixels an einer Sache bedient, die wir wirklich, wirklich lieben: Videospiele. In Pixels greifen Retro-Gaming-Figuren wie Pacman und Donkey Kong aus dem All den Planeten an und nur die besten Arcade-Gamer der Welt (Adam Sandler und seine Jugendfreunde) können die komplette Zerstörung der Menschheit abwenden. Klingt interessant? Nun, das könnte daran liegen, dass die Idee nicht von ihm selbst, sondern einem Indie-Filmer stammt, der das Ganze visuell überaus schön und liebevoll in einem Kurzfilm aufgearbeitet hat. Wir haben uns die Action-Sci-Fi-Bullshit-Komödie trotzdem angeguckt und dabei einige interessante Erkenntnisse gewonnen. Das hier ist die Gaming-Szene, wenn wir einer der unlustigsten Personen der Menschheitsgeschichte glauben schenken:

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Jeder, der Videospiele mag, ist ein potentieller Kandidat für 'Schwiegertochter gesucht'

Es gibt Klischees über Nerds, die scheinbar immer und immer wieder nahezu mantra-artig in dummen Komödien wiederholt werden müssen. Gamer sind sozial immer so ein bisschen unbedarft, sehen scheiße aus, stinken und haben absolut keinen Schlag bei den Ladys. Das mag in manchen Fällen stimmen, Ähnliches lässt sich aber wahrscheinlich auch über viele Leute sagen, die gerne lesen oder ein Faible für ziemlich beschissene Filme haben—und hier schließt sich dann auch wieder der Kreis zu Pixels.

Es gibt so viele Dinge, die in diesem Film nicht zusammenpassen, dass man wahrscheinlich eine Doktorarbeit darüber schreiben könnte (wobei mir keine chemische Substanz einfällt, deren Konsum eine derart intensive Auseinandersetzung mit Scheiße auch nur ansatzweise erträglich gestalten könnte). Eines der größten Probleme ist allerdings, dass Pixels so tut, als wäre er auf der Seite der Videospiele-Community, sich bezüglich ebenjener aber in exakt denselben Klischees suhlt wie jeder andere Film, unter dessen Charakteren sich ein Gamer befindet.

Das fängt damit an, dass Adam Sandlers Charakter scheinbar nicht einmal dazu in der Lage ist, die simpelsten Punkte der persönlichen Körperhygiene auszuführen (Zähneputzen)—ganz zum Amusement der weiblichen Hauptperson, frei nach dem Motto „Haha, Gamer. Ein Wunder, dass sie keine Windeln tragen müssen!" Und dann gibt es da natürlich noch die Figur des „Wunderkinds", den sozial isolierten Vorzeigenerd, der im Keller seiner Großmutter lebt, an jede existierende Verschwörungstheorie glaubt (fragt nicht) und noch nie in seinem Leben Sex hatte. Stattdessen flüchtet er sich in Fantasiewelten, in denen er mit seiner Lieblingsvideospieleheldin zusammen ist, zu der wir später auch noch kommen.

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Niemand nimmt die „Arcader" in diesem Film ernst, weil sie nicht nur zwischenmenschlich inkompetent, sondern auch absolut unerträgliche, unsympathische Arschlöcher sind. Die Art von Loser, dessen Kopf du auch als ausgewiesener Menschenfreund und Menschenrechtsaktivist ohne zu Zögern ins Schulklo stecken würdest. Mit wem soll man sich, insbesondere als Videospiele-Fan, in diesem Film identifizieren? Mit der trinkfesten Zicke? Dem motzigen Verteidigungsminister? Pacman?!

Wenn Kevin James als pummeliger Trottel die Person ist, die in seinem Leben am meisten auf die Reihe kriegt (er ist aus welchen Gründen auch immer Präsident der Vereinigten Staaten, als gäbe es an diesem Film nicht sowieso schon genug Punkte, die die Vermutung aufwerfen, dass es sich hierbei um eine sehr aufwendig produzierte Pilotfolge eines neuen Versteckte-Kamera-Formats handelt), ist spätestens dann der Punkt erreicht, an dem man sich fragen sollte, ob bei der Charakterentwicklung nicht irgendwas schiefgelaufen ist.

Zocken bereitet dich auf den Krieg vor

Seitdem es Videospiele gibt, in denen man nicht nur auf verpixelte Weltraummonster, sondern auch auf verpixelte Menschen schießen kann, gibt es die Frage nach dem Zusammenhang zwischen virtueller und realer Gewalt. Ist jeder, der in GTA Fußgänger überfährt oder in Call of Duty Headshots sammelt, ein Soziopath? Bereiten einen „Killerspiele" auf reale Kriegsszenarien vor und wecken im begeisterten Zocker den Wunsch, auch im echten Leben unliebsamer Gegner mit der Shotgun aus dem Weg zu räumen? Was wissenschaftlich bisher weder bewiesen ist, noch ergebnisoffen und vorurteilsfrei diskutiert wird, bekommt in Pixels einen überraschen eindeutigen Dreh:

Ego-Shooter machen uns nicht zu IS-Terroristen, liebe F.A.Z.

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Ja, wer in Videospielen triumphiert, eignet sich auch im echten Leben zum Kriegshelden—und mutiert bei einer Real-Life-Pacman-Partie ganz nebenbei auch noch zum ultimativen Stuntfahrer. Endlich gewinnen auch mal die Gamer, die sonst nie jemand ernst nimmt, sagt der Film. Die komplett abstruse Logik dahinter scheint zu sein, dass jeder, der Zeit damit verbringt, Polygone durch die Gegend zu schubsen, nichts anderes kann—und nur dann irgendeinen Daseinszweck erlangt, wenn ebenjene Gaming-Erfahrung gefragt ist.

Diese Forderung, dass genau diese Art von Hobby erst durch irgendeine Übertragung ins echte Leben gerechtfertigt werden muss, ist so abstrus, so komplett dumm und kurz gedacht, dass es mich wirklich sauer macht. Hätte ich ein Flüchtlingsheim bauen können, während ich die Mass Effect-Trilogie durchgesuchtet habe? Vielleicht. Muss sich jemand, der in seiner Freizeit gerne liest, seine Bauchmuskeln trainiert oder beschissene Komödien-Action-Missbildungen mit Adam Sandler guckt, demselben Vorwurf aussetzen? Nein. Ich muss nicht erst mit meinem Hobby die Welt retten, um mir sagen zu können, dass ich mit meiner Zeit anfangen kann, was ich möchte. Fick dich, Adam Sandler, der du aus rein wirtschaftlichen Gründen den Schluss zur Gaming-Community suchst. Du hast gar nichts verstanden. Apropos:

Screenshot: YouTube

Moderne Gamer verstehen Retro-Spiele nicht (und umgekehrt)

Wir leben in einer Zeit, in der nahezu jede Person, die sich wirklich für Videospiele interessiert, schon mal einen Emulator für irgendein Retro-Spiel heruntergeladen hat. JEDER weiß, wer Donkey Kong ist, und man kann sich Space Invaders in jedem zweiten hippen Lifestyle-Online-Portal als Wandtattoos besorgen. Ich meine, ernsthaft: Wir leben in einer Welt, in der Leute, die sich selbst beim Zocken filmen, Millionen verdienen. Wie verdammt noch mal kann es sein, dass uns Pixels allen Ernstes erzählen will, dass Gamer, nur weil sie aus verschiedenen Generationen stammen, keinerlei Verständnis für die jeweils nächste Spielegeneration haben?

Auch wenn es früher bedeutend aufwändiger war, eine Konsole in Gang zu kriegen (fährt der C64 gerade hoch oder klappt es wieder nicht? Wir erfahren es in wenigen Minuten—oder auch nicht. Fun!), die Spiele als solche waren vergleichsweise simpel. Das liegt zum einen daran, dass die technischen Möglichkeiten damals einfach noch nicht so ausgereizt waren, zum anderen daran, dass niemand, der in Spielhallen gegangen ist, um ein bisschen am Automaten zu daddeln, Zeit und Nerven dafür hatte, sich vorher stundenlang in irgendein Spiel hineinzufummeln. Wisst ihr, warum kein Schwein ein minutenlanges Tutorial für Super Mario Bros. braucht? Weil das Spiel selbsterklärend ist.

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Ich habe 24-Stunden am Stück ‚Bloodbourne' gespielt.

Genau das ist es aber, worauf der komplette Plot dieses Machwerks aufbaut: Es gibt nur vier Typen, die fucking Donkey Kong spielen können. Weil sie „die Muster" hinter den Automatenspielen durchblicken, die daraus bestehen, dass manchmal mehr Tonnen kommen, man der Monsterschlange in den Kopf schießen muss, weil sie sich sonst teilt, oder dass man als Geist langsamer ist als Pacman und deswegen versuchen muss, ihm den Weg abzuschneiden. No fucking Way! Wie soll diese Art von Spiel IRGENDJEMAND DA DRAUSSEN begreifen, der das Ganze nicht zum letzten Mal in seinen Teenagerjahren gespielt hat? Kein Wunder, dass speziell ausgebildete Elite-Soldaten es nicht auf die Reihe kriegen, ein explizit benanntes Ziel zu treffen. Nur Adam Sandler kann es!

Adam Sandler, der trotz seiner angeblich so unfassbar großen Liebe zu Videospielen irgendwann aufgehört hat, sich für Games zu interessieren. Wie sonst ist diese Szene zu erklären, in der er komplett konsterniert seinem Ziehsohn in Spe dabei zuguckt, wie der The Last of Us spielt? „Sie greifen ohne Muster an" und „Boah, voll viel Blut" (sinngemäß zitiert)—selbst meine Mutter wäre in der Lage, sich differenzierter zu einem Videospiel zu äußern.

Reale Videospiele-Charaktere sind nicht sexy genug

„Prinzessin Toadstool schön und gut, aber haben wir nicht auch noch irgendeine Alte mit mehr Titten?"—so oder so ähnlich muss eine der ganz großen Fragen in einem der Produktionsmeetings gelautet haben, anders lässt sich die Existenz von Lady Lisa nicht erklären. Weil es in den guten alten Retro-Zeiten aus grafischen (und womöglich auch problematischen Frauenbilds-)Gründen noch keine hypersexualisierten Gaming-Babes gab, musste extra für Pixels ein eigenes Spiel entwickelt werden, dessen Protagonistin eine halbnackte Kriegerprinzessin ist. Damit der spät pubertierende Kinobesucher auch was fürs Auge hat. Denn alle Gamer sind (wie im Film) männlich und interessieren sich ausschließlich für Sex, Ärsche und Brüste! Hähähä! (Adam-Sandler-Lache)

Weil sich Sex aber eben auch so richtig gut verkauft, gibt es DojoQuest auch in einer tatsächlich spielbaren Version, die man sich für iOs und Android aufs Telefon runterladen kann. Das ist aus Crossmarketing-Gründen wahnsinnig clever und eigentlich eine wirklich schöne Idee—hätte man sie mit irgendetwas gefüllt, das auch nur zu einem Prozent impliziert, dass es den Filmemachern darum geht, die Retro-Gaming-Helden unserer Kindheit liebevoll wieder ins Leben zu rufen. Wenn Spieleschmieden wie Konami, Atari und Nintendo schon in jeder zweiten Einstellung so großflächig im Bild sind, hätte man sich dann nicht mit deren Marketing-Abteilung zusammensetzen und irgendetwas WIRKLICH Detailverliebt-Retromäßiges zusammenbasteln können? Ihr wisst schon, irgendwas, das nicht diesen gruseligen „Wir brauchen noch irgendwas Sexistisches für die GamerGate-Leute"-Vibe hat?

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Frauen sind nichts anderes als Trophäen

Lady Lisa—und ich möchte klarstellen, dass das wirklich der Name des Charakters ist und ich nicht gerade nur besonders pompös von mir in der dritten Person spreche—ist es dann auch, die ganz am Schluss elementarer Bestandteil der wohl unverschämtesten Szene im gesamten Film ist.

Der Typ, der im Keller seiner Oma wohnt, knutscht während der finalen Schlacht mit seiner virtuellen Liebe rum, die aus irgendeinem Grund plötzlich auf der Seite der Menschheit ist und im Gegensatz zu allen anderen Retro-Figuren von einem echten Menschen gespielt wird. Nachdem der außerirdische Gaming-Feind geschlagen ist, verschwindet allerdings auch die sexy Kriegerprinzessin wieder—und der Nerd ist am Boden zerstört. Es dürfen nämlich nur die Videospielefiguren auf der Erde bleiben, die die Arcader zuvor bei einem der drei Spiele als Trophäe gewonnen haben.

Motherboard: Lang lebe das Pixel-Fernsehen: 35 Jahre Videotext und kein Ende in Sicht.

Dieser Fakt wird gerade von einem der siegreichen Helden laut ausformuliert, als sich ebenjene Trophäe (in diesem Fall Q*Bert, der sowieso schon ein bisschen aussieht wie ein fragwürdiges Sextoy) in Lady Lisa verwandelt—die jetzt für immer bei ihrem geliebten Nerd bleiben darf. Er hat sie quasi „gewonnen". Weil Frauen, insbesondere schöne Frauen, nichts mehr sind als ein Pokal, der dem siegreichen Mann am Schluss überreicht wird. Ich habe im Vorfeld wirklich mit einigem gerechnet, aber nicht damit, dass ich in einer unterirdischen Videospielkomödie mit einer der sexistischen Szenen, die ich seit Langem gesehen habe, konfrontiert werde. Bravo, Pixels. Ganz toll.

Immerhin wurde auf eine Sexszene mit dem anderen, wirklich furchtbaren Paar des Films verzichtet, Adam Sandler und seinem Love-Interest, der zickigen Militär-Angestellten, deren Kind natürlich auch noch irgendwann vor Donkey Kong gerettet werden muss. Ein 1UP-Erektionswitz wäre uns dabei nämlich aller Voraussicht nach nicht erspart geblieben.

Gibt es noch irgendwas zu sagen? Nein. Außer vielleicht, dass es unter keinen Umständen auch nur im Ansatz zu erklären ist, dass Peter motherfucking Dinklage bei dieser Frechheit von Film mitgespielt hat. Deswegen schließe ich jetzt mit den Worten des YouTubers MovieBob, der übrigens eine wunderschöne Review zu Pixels hochgeladen hat: „I hate this movie so much, I'm no longer rooting for Tyrion to make it out of Season 6 alive." Cersei hätte diese Scheiße nicht mitgemacht.

Lisa liebt Videospiele wirklich. Folgt ihr bei Twitter.