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Eine Aromatherapeutin verrät, wie Düfte dich manipulieren können

Düfte lösen in jedem von uns Emotionen aus. Das Duft-Marketing macht sich das zunutze.

Foto von Pixabay | Public Domain

Die Nase ist einer deiner besten Freunde aber auch einer deiner grössten Feinde. Auf der einen Seite lässt sie deine Lieblingspizza erst zum Paradies werden. Auf der anderen Seite schickt sie dich angesichts menschlicher Ausdünstungen und Ausscheidungen schon mal auf eine Expedition in die wohl tiefsten Abgründe unserer Existenz. Doch egal ob Freund oder Feind, eines ist ganz klar: Unterschiedliche Düfte lösen unterschiedliche Emotionen in dir aus. Diesen Einfluss von Gerüchen haben auch findige Marketing-Leute für sich entdeckt.

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Dieser Bereich des Marketings nennt sich—etwas einfallslos—Duft-Marketing und ist allgegenwärtig. Teils unterschwellig, teils offensichtlich versprühen etwa Geschäfte bewusst ausgewählte Düfte und machen sich so deren Verbindung zu Gefühlen und Bedürfnissen zunutze. Bäckereien lassen den Duft aus der Backstube nach draussen strömen, um dir beim Vorbeigehen das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen—das ist kein Geheimnis mehr. In anderen Fällen merkst du aber nicht, wie die wahrgenommenen Düfte deine Nase und dadurch auch dein Gehirn beeinflussen.

Ich habe die diplomierte Aromatherapeutin Eveline Goff in ihrer Praxis in Koppingen im Kanton Bern besucht, um mehr über die Wirkung von Düften und Duft-Marketing zu erfahren. Sie erklärte mir, welchen Einfluss etwa der Geruch der Muttermilch auf die Wahrnehmung von Erwachsenen hat und wieso der eigene Grundduft für die richtige Partnerwahl so wichtig ist.

VICE: Mit was beschäftigst du dich als Aromatherapeutin?
Evelyne Goff: Bei der Aromatherapie werden 100 Prozent natürliche ätherische Öle kontrolliert zur Erhaltung aber auch zur Wiederherstellung von Gesundheit und Wohlbefinden auf körperlicher und seelischer Ebene eingesetzt, zum Beispiel in Form von Massagen, Wickeln, Inhalationen und Salben. Sie wirken auf körperlicher Ebene, jedoch zum Teil auch über den Geruchssinn.

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Kannst du mir sagen, wie Düfte auf unser Gehirn wirken?
Es ist so: Wenn wir den Duft einatmen, gelangt die Duftinformation in einen entwicklungsgeschichtlich sehr alten Teil unseres Gehirns—das limbische System. Da passiert dann ganz Vieles, was wir im ersten Moment nicht steuern können: Es kommen Emotionen und Gefühle gefolgt von Reaktionen zum Vorschein, noch bevor dieser Reiz in der Grosshirnrinde verarbeitet wird und wir bewusst reagieren können.

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Du setzt diese Wirkung zum Beispiel bei Massagen ein. Was passiert dabei?
Es kommt darauf an, was das Ziel der Massage ist. Nehmen wir das Beispiel muskuläre Verspannungen im Nackenbereich durch falsche Körperhaltung beim Arbeiten am Computer, wenn dazu im Büro viel zu tun und der Stresspegel dementsprechend hoch ist. Bei einer klassischen Nackenmassage entspannt sich die Muskulatur, mit geeigneten ätherischen Ölen kann diese entspannende Wirkung noch unterstützt werden. Durch das Einatmen der ätherischen Öle verändert sich auch der seelische Zustand—Körper und Seele kommen ins Gleichgewicht.

Muss man dabei immer einen bestimmten Duft nehmen oder funktioniert das individuell?
Zum Thema des Klienten wähle ich ein paar passende ätherische Öle aufgrund ihrer Wirkung aus. Anschliessend wählt der Klient die ätherischen Öle aus, welche ihm vom Duft her am besten gefallen. Mit diesen wird dann gearbeitet. Jeder Duft wirkt aber auf jeden Menschen anders. Ich finde zum Beispiel den Duft Ylang-Ylang sehr entspannend. Meinen Mann hingegen macht er unruhig.

Aber wieso empfinden wir einige Gerüche trotzdem als gut oder schlecht? Wie kommen wir zu dieser Bewertung?
Jeder Mensch entwickelt sein eigenes Geruchsgedächtnis. Die Emotionen dazu werden im Hippocampus, einem Teil des limbischen Systems gespeichert. Wird ein Duft wahrgenommen, werden die dazu gespeicherten Emotionen und körperlichen Reaktionen, ohne dass wir dies bewusst steuern können, ausgelöst.
Je nachdem mit welchen Erinnerungen ein Duft verknüpft wird, behalten wir ihn also als „gut" oder eben als „schlecht" in Erinnerung. Dieser Mechanismus passiert oftmals unbewusst. Deswegen können uns auch Düfte beeinflussen, an die wir uns gar nicht mehr erinnern können. Muttermilch enthält beispielsweise einen Hauch von einem vanilleähnlichen Stoff. Ich habe selten jemanden getroffen, der Vanillegeruch nicht mag.

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Wird auch in der Werbung mit Düften gearbeitet?
In der Werbung wird zum Teil mit Düften gearbeitet. Ein typisches Beispiel hierfür ist der „Neuwagenspray", welcher oft zur Aufwertung gebrauchter Autos verwendet wird. Aber auch bei Neuwagen kommt Duft-Marketing zum Einsatz: Bei teuren Autos wird gerne Leder- und Holzgeruch versprüht, um das Gefühl von Luxus zu vermitteln. Oder auch im Alltag werden in Einkaufszentren offene Bäckereien gebaut, um die Kunden mit frischem Brotduft zu locken.

Der Brotgeruch bringt mich gerade zu meiner nächsten Frage: Können bestimmte Gerüche bestimmte Gefühle auslösen?
Ja, das können sie. Zum Beispiel der bereits oben erwähnte vanilleähnliche Duft kann bei vielen das Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Der Duft von Mandarinen und Tannenzweigen kann uns an Weihnachten und die damit verbundenen Gefühle unserer Kindheit erinnern: Aufregung, Neugier, Vorfreude. Die ätherischen Öle von Orangen oder Petitgrain (Blätter des Bitterorangenbaumes) können das Gefühl von Freude auslösen, da wir sie oft mit Erinnerungen an Sonne und Ferien verbinden. Der Duft der Weisstanne kann ein befreiendes Gefühl vermitteln—wohl ausgelöst durch die Erinnerungen an Erkältungssalben und -bäder. Der Duft des ätherischen Öls Vetiver (tropisches Süssgras) hingegen kann sehr erdend und beruhigend wirken.

Könnte man mithilfe von bestimmten Düften einen Menschen dazu verleiten, bestimme Dinge zu kaufen? Zum Beispiel mit Vanillegeruch dazu animieren, Babysachen zu kaufen?
Duft-Marketing soll Kunden dazu verleiten, länger im Laden zu bleiben, sie sollen sich wohlfühlen und dadurch mehr kaufen. Es kann zu Spontankäufe verleiten – das limbische System findet - ja, das tut mir gut, das kaufen wir - und so kaufen wir, bevor wir uns bewusst für den Kauf entschieden haben.

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Dazu fällt mir ein Beispiel ein, wie ich selbst vor kurzem mehr über die Nase als über den Verstand eingekauft habe. Ich war im Februar in einem Laden und als ich so vor der Auslage mit Erdbeeren stand, duftete es wunderbar nach Erdbeeren. Und so kaufte ich, trotz winterlicher Temperaturen, Erdbeeren – ich dachte, Erdbeeren die so stark riechen, müssen ja gut schmecken. Leider haben die Erdbeeren beim Essen dann aber kein bisschen nach Erdbeeren geschmeckt.

Evelyne Goff beim Mischen eines Duft-Sprays

Gerüche spielen nicht nur im Marketing, sondern auch bei der Partnerwahl eine wichtige Rolle. Man sagt, dass ein Großteil der Paare nur zusammen ist, weil sie den Geruch des Anderen anziehend finden. Was halten Sie davon?
Ich denke, dass viele verschiedene Faktoren auf die Partnerwahl Einfluss haben, unter anderem auch der Geruch des Partners. Bei der Partnerwahl suchen wir unbewusst Menschen, welche von den Genen her geeignet sind, möglichst gesunde Nachkommen zu zeugen.
Informationen über unsere Gene spiegeln wir auch in unserem Körperduft wieder und können so vom potentiellen Partner wahrgenommen werden. Hingegen wenn wir einem Menschen mit einem Körperduft begegnen, den wir als unangenehm empfinden, werden wir uns kaum die Mühe machen diesen privat näher kennenzulernen.

Saschas Twitteraccount duftet auch ganz fabelhaft: @saschulius

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Titelbild: Micah Drushal | Flickr | CC BY 2.0