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Stellungnahme: Ein Bekenntnis zu den Basler Studentenverbindungen

Studentenverbindungen sind der clowneske Arm des Basler Bürgertums. Sie gehören zur Stadt. Wenn sie aber in der Öffentlichkeit wirken, müssen sie die Öffentlichkeit auch ertragen.
Titelbild von Norbert Aepli

Basel ist berühmt für seinen „Daig" und das weltweit höchste Stiftungsaufkommen pro Kopf. Mit einer Innenstadt, die an ein frühneuzeitliches Reenactment-Märchen erinnert, passt auch das Stadtbild zu diesem Reichtum. Dementsprechend passen Studentenverbindungen nach Basel, jedenfalls zu einem elitär-verknorzten Basel, das sich in meiner Mental-Map auf Grossbasel beschränkt.

Und auch das zeigt sich im Stadtbild, denn die ganzjährige Kleisterwerbung für das „Zofingerconzärtli—Sponsoring: UBS" der Zofingia Basel ist in der Grossbasler Altstadt überall. Ob das legal ist oder einfach toleriert wird, ist mir egal, denn eigentlich fände ich es schön, wenn die ganze Stadt verkleistert und versprayt wäre (auch wenn es schön wäre, wenn es auch Kleisterplakate gäbe, auf denen nicht die UBS als Sponsor aufgeführt wird).

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Foto von Samuel Ammann

Die Studentenverbindungen gehören also zu Basel, so wie der Wagenplatz oder die Friends-Bar zu Basel gehört. Sie gehören nicht zu „meinem" Basel, was mich Anfang Jahr im Nachtzug dazu veranlasst hat, besoffen besoffene Verbindungsleute zu fragen, ob es sich eigentlich lohne, so peinliche Hüte zu tragen, damit man irgendwann eine gute Stelle im Kader einer Krankenversicherung bekommt.

Das war damals nicht böse gemeint. Und auch mein Artikel über die Rolle der Verbindungen beim Austritt der SKUBA (Studentische Körperschaft der Uni Basel) aus dem schweizweiten Studierendendachverband VSS war nicht böse gemeint. Ein Polit-Umschwung von veganen Möchtegern-Unternehmer_innen zu Verbindungsmännern ist einfach ein relevantes Thema und da die AKV Rauracia sich auf Facebook zur „orchestrierten Meisterleistung" und der Unterstützung von den anderen Verbindungen geäussert hat, ist es auch nicht böswillig, Studentenverbindungen als politische Interessengruppen zu begreifen.

Screenshot von Facebook

Zwei Tage nach der Veröffentlichung erreichte mich eine lange Mail von Zofingia-Präsident Benjamin Sommerhalder, der sich ungerecht behandelt fühlte. Dem Zofingia-Präsidenten gefiel es unter anderem nicht, dass ich die Zofingia in der ursprünglichen Version meines Artikels als „liberal" bezeichnet hatte. Ich hab das Adjektiv dann rausgenommen, obwohl sonst immer alle, inklusive der Ecopop, liberal sein wollen. Dass sich dann aber ausgerechnet Michael Hug, Zofingia-Mitglied und Präsident der Jungliberalen, in einem langen Facebook-Post öffentlich zum Thema geäussert hat und nicht der Zofingia-Präsident, ist bloss eine Pointe am Rand.

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Als ich vor einer Woche für kurze Zeit die VICE Alps-Doku über Burschenschafter mit dem Kommentar „Bei uns sind die viel braver" geteilt hatte, schrieb mir der Zofingia-Präsident am nächsten Tag eine zweite lange Mail, in der er ausführte, wie traurig ihn mein Facebook-Post gemacht hat und dass er sich sehr klar von deutschnationalen Burschenschaften, wie es sie in Österreich oder Deutschland gibt, distanziert: Alle Religionen, politischen Überzeugungen und Hintergründe seien in der Zofingia willkommen. Auf diese Nachricht hin habe ich das Video wieder von meiner Facebook-Wall gelöscht, denn ich wollte mit dem Link ja niemanden ernsthaft beleidigen und wer mir wegen fünf Wörtern auf Facebook vier Absätze schreibt, ist ernsthaft beleidigt.

Vorgestern war der Kuschelkurs im Sinn von „Wir haben uns alle gern und sind jetzt sogar Duzis." vorbei. Die christliche AKV Rauracia, die mit den neun Sitzen im Studierendenrat, griff mich auf ihrem Blog an:

Screenshot vom Blog der AKV Rauracia

„Bemerkenswert ist u. a. auch, dass sich mit Benjamin von Wyl der Autor eines ebenfalls einseitig-unkritischen Beitrags auf Vice voller Vorurteile in die Diskussion miteingebracht hat. Die vorgebliche journalistische Unabhängigkeit ist nur Fassade: von Wyl ist in der Juso Aargau u. a. als Parteisekretär aktiv und war SP-Nationalratskandidat 2011. Partei- und Freundschaftsjournalismus scheint hier der Objektivität nur gar schnell zu weichen."

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So formuliert bedeutet der letzte Satz, dass ich statt Partei- und Freundschaftsjournalismus Objektivität verfolge. Er bedeutet, dass ich objektiv bin. Aber ich denke, dass es sich da um ein Versehen handelt, darum: Ich gebe keine journalistische Unabhängigkeit vor. Das war noch nie der Fall—dass ich in der Juso Mitglied bin, kann man in diesem Artikel schon eine Weile nachlesen. Die Behauptung, dass ich in der Juso aktiv bin, ist mit Verweis auf eine 5 Jahre alte (hach, wie die Zeit vergeht!) 1.-Mai-Rede doch eher aus der Luft gegriffen. Obwohl ich keinen Anspruch auf Objektivität habe und haben will, fand ich meinen Artikel über den VSS-Austritt mehr als fair.

Was ich hingegen gar nicht abstreite: Das Schlafzimmer von Juso Basel-Präsident Beda Baumgartner ist Luftlinie maximal zehn Meter von meinem eigenen entfernt. Wenn wir über Politik sprechen, gebe ich aber den frustrierten Zyniker. Als frustrierter Zyniker möchte ich der AKV Rauracia—eigentlich auch der Zofingia Basel, der schlagenden Verbindung Alemannia und allen anderen—sagen:

Es ist mir egal, was ihr tut. Es ist mir egal, dass es einen Bundesgerichtsentscheid gibt, der euch weiter dazu berechtigt, keine Frauen beitreten zu lassen. Es ist mir egal, ob ihr parteipolitisch neutral seid und es ist mir auch egal, ob ihr euch gegenseitig Praktika zuschiebt. Es ist mir sogar egal, dass ihr eure Freundinnen „Besen" nennt!

Screen aus dem Programm der Zofingia Basel, man beachte: „Besen fegen den Breo"

Ihr passt nach Basel. Ihr gehört zu dieser Stadt, ihr seid der clowneske Arm des hiesigen Bürgertums. Ihr könnt in euren Verbindungskellern machen, was ihr wollt. Wenn ihr euch Schmisse zufügt, ist das auch OK. Ich mag clowneske Dinge und halte euch für romantische Männerbünde, die einfach zur Basler Altstadt gehören. Auch die Zofingerconzärtli-Plakate. Aber was ihr verstehen müsst:

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Wenn ihr an die Öffentlichkeit tretet, ob (uni-)politisch oder irgendwie sonst, dann seid ihr an der Öffentlichkeit und eben nicht mehr im Verbindungskeller. Dann müsst ihr diese Öffentlichkeit ertragen. Das ist halt so.

In freudiger Erwartung weiterer langer Mails,
Euer Benj (wir sind ja—teilweise—Duzis)

Oder schreibt ihm auf Twitter: @biofrontsau

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild von Norbert Aepli; Wikimedia Commons; CC BY 2.5