FYI.

This story is over 5 years old.

Wirre Welt

Wie sich Veganer von rechts instrumentalisieren lassen

Das vegane Straßenfest in Berlin hat ein Montagsdemo- und Klimawandel-Problem.

Vor ein paar Tagen machte ein Video die Runde durch deutsche Nachrichtensendungen und Reportageformate. Zu sehen waren zwei Typen, die unter Sturmmasken vegan kochen. Fast nur anhand von Accessoires und kurzen Bemerkungen ist zu erkennen, dass die beiden Neo-Nazis sind. Und wieder war die Welt um einen Beweis für die Existenz des ominösen „Nipsters“ reicher.  Wenn man sich die Videos (es gibt mehrere) tatsächlich anschaut, bleibt irgendwie unklar, ob das ganze tatsächlich echte Neo-Nazi-Propaganda ist, oder eher ein (verdammt) schlechter Scherz. So dermaßen dämlich werden angebliche „Hipster“-Accessoires wie Club Mate und eine neonfarbene Sonnenbrille (2006 hat angerufen, es will New Rave zurück) ins Bild gebracht, dass man fast meinen könnte, es handele sich um eine vegane Folge von Sendung mit der Maus für Nazis.

Anzeige

Es ist natürlich klar, dass diese Videos nichts mit den meisten Veganern zu tun haben und ihr einziger Sinn ist, auf platte und dumpfe Art, neue Gesinnungsgenossen zu rekrutieren, weil man eben weiß, dass Veganer politisch interessiert und (scheinbar) irgendwie cool sind. Das wäre etwas anders, würde man diesen beiden Schwachmaten eine eigene Kochshow geben, sagen wir mal auf dem Vegan Vegetarischen Straßenfest in Berlin, dieses Wochenende. Soweit ist es Gott sei Dank noch nicht gekommen, aber leider kommen einem trotzdem einige Zweifel, wenn man sich das Line-up der Veranstaltungen, die dieses Wochenende stattfinden, mal genauer anschaut.

Da gibt es Vorträge und Kochshows mit Marsili Cronberg, einem veganen Autor, der eng mit der „neuen Friedensbewegung“, die auch auch in Wien auf den Montagsdemos regelmäßig ihr Unwesen treibt, verbunden ist, einen Auftritt von Morgaine aus der gleichen Ecke (und furchtbare, wirkliche furchtbare Musik). Und dann in Ermangelung eines anderen Wortes, der Headliner Kilez More. Dieser Typ darf sogar zweimal auf die Bühne. Hier nur ein Beispiel aus seinem Oeuvre, bei dem es ansonsten auch um 9/11, die Neue Weltordnung, „Zwangsimpfungen“, Fluorid und alles mögliche Andere geht.

Das Straßenfest wird von drei Verbänden veranstaltet. Der Albert Schweitzer Stiftung, Berlin Vegan und dem Vegetarierbund Deutschland. Die Organisation der Veranstaltung und vor allem der Redebeiträge und Musiker liegt allerdings in der Hand eines separaten Orga-Teams, dessen Mitglieder nicht unbedingt mit den Veranstaltern assoziiert sind. Interessant daran ist, dass Cronberg Teil dieses Teams und verantwortlich für die Organisation der Redner ist.

Anzeige

Auch wenn die Nazis das zu denken scheinen, so ist Veganismus noch lange nicht im Mainstream angekommen und deswegen ist es auch vollkommen nachvollziehbar, wenn man sich Hilfe holt, wo man sie kriegen kann. Aber muss man sich wirklich Verschwörungstheoretiker auf die Bühne stellen? Darüber habe ich mit Mahi Klosterhafen gesprochen, dem geschäftsführenden Vorstand der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“, der dann doch etwas überrascht war und sich wahrscheinlich beim nächsten Mal genauer überlegt, wie er das Straßenfest organisiert.

VICE: Herr Klosterhafen, wie ist denn Ihre Meinung zum Klimawandel?
Mahi Klosterhafen: Wir halten den Klimawandel für eines der größten Umweltprobleme und weisen auch regelmäßig daraufhin, dass der Konsum von Tierprodukten ein wesentlicher Faktor ist. Da gibt es zum Beispiel die FAO, die Welternährungsorganisation, die sagt, dass die Tierproduktion 14% aller Treibhausgasemissionen ausmacht, was genau so viel ist wie der weltweite Verkehrssektor, also inklusive Flugzeugen, Autos, Schiffen, usw.

Die Albert Schweitzer Stiftung ist also vermutlich nicht so begeistert von Leuten, die diesen durch Menschen verursachten Klimawandel verneinen?
Genau.

Sind Sie mit den Leuten vertraut, die auf Ihrem Fest auftreten werden?
Ich kenne sie nicht alle persönlich. Wir haben vor Kurzem Kritik gehört, was rechte Positionen angeht, die da vertreten sein werden. Wir werden alle Eingeladenen bitten, sich da auch nochmal zu positionieren, weil wir keine Nazis haben möchten. Mit dem Thema Truther und ob da jemand den Klimawandel verneint, haben wir uns noch nicht so auseinandergesetzt.

Anzeige

OK, Kilez More, der in einer Headliner-Position auftritt, hat einen Song namens „Klimalüge“. Da würde ich Ihnen gerne mal ein paar Zeilen vorlesen. Die Hook ist „Der Klimawandel wurde nicht von Menschen gemacht, damit halten sie nur die Welt in Schach. Alle, die es propagieren, werden Experten genannt, und jeder, der ihnen widerspricht, wird abgestempelt als krank. Klimawandel ist normal, gabs schon, gibt’s nochmal.“ Ist ziemlich eindeutig, oder?
Ja … Da distanzieren wir uns von, und ich werde mit dem Orga-Team nochmal darüber sprechen. Also wir waren nicht bei der Auswahl der Singgäste involviert. Und wir haben generell die Policy, dass wir mit Rechten nicht kooperieren und Rechte nicht zu Festen einladen.

Hat jetzt nicht so funktioniert.
Sie meinen, wir haben Rechte beim Sommerfest?

Ja.
Und die Truther sind die Rechten?

Natürlich sind das keine Neo-Nazis, aber tendenzielle eher Leute, die ein angespanntes Verhältnis zu der Demokratie haben, in der wir leben. Und dann haben Sie Marsili Cronberg, den ich auf keinen Fall als rechts einordnen würde, der aber trotzdem stark bei den Montagsdemos involviert ist. Das ist ja auch irgendwie problematisch. Für Sie.
Würden Sie dann sagen, dass alle, die zur Montagsdemo gehen, generell problematisch sind? Also muss man jeden, der zur Montagsdemo geht, in die Ecke Neue Rechte stellen?

Nein, auf keinen Fall, aber es geht hier auch nicht um Personen, die mal zur Montagsdemo gehen, sondern um die, die stark eingebunden sind in die Strukturen. Das ist ein Unterschied.
Ja.

Ist halt die Frage, ob man da nicht sehr vorsichtig sein muss, mit wem man sich assoziiert.
Ja, das muss man.