Sexarbeiterinnen erzählen uns, wie ihr idealer Arbeitsplatz aussieht
Collage: Sarah Schmitt | Fotos: imago

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Sexarbeiterinnen erzählen uns, wie ihr idealer Arbeitsplatz aussieht

"Ich kann diese ganze plüschige Standardpuffdeko einfach nicht mehr sehen."

Sexarbeit ist nicht gleich Sexarbeit. Es gibt sie in so vielen unterschiedlichen Modellen und Varianten, dass viele Menschen, die "im ältesten Gewerbe der Welt" arbeiten, häufig nur die Berufsbezeichnung gemeinsam haben. Vor allem das Internet hat die Art und Weise, wie Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen arbeiten, verändert. Wo vielen Menschen früher nur die Wahl blieb zwischen einem Bordell oder der Straße (und natürlich diesen schrecklichen Kontaktanzeigen in billigen Illustrierten), können sie ihre Kundschaft jetzt über Foren und Portale akquirieren, ihr eigenes Marketing machen und bestimmen, wie, wo und mit wem sie schlafen wollen.

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Trotzdem ist Sexarbeit—wenn sie nicht online passiert—immer noch ein körperliches Geschäft. Konkret: Wer Sex verkauft, braucht einen Arbeitsplatz. Das kann die eigene Wohnung, ein Auto, ein Hotel, ein Bordell, ein Studio oder eine sogenannte Modellwohnung sein. Jene, die nicht in den eigenen vier Wänden arbeiten wollen, können sich stunden-, tage- oder auch monatsweise eine Wohnung oder ein Zimmer von professionellen Anbietern mieten oder fest angestellt in einem Bordell oder Laufhaus arbeiten.

Aber wie sieht der perfekte Arbeitsplatz aus? Wir haben fünf Frauen aus Deutschland gefragt.

Lena, Berlin

Meinen idealen Arbeitsplatz muss ich mir gar nicht wünschen, ich habe ihn schon. Ich arbeite seit einem Jahr in einem SM-Studio in Berlin, in dem ich mich für die Zeit, in der ich die Räume brauche, einmieten kann. Da ich mein eigenes Marketing mache, habe ich großen Einfluss darauf, was für Kunden sich für meine Arbeit interessieren, dementsprechend kann ich mir sehr genau aussuchen, mit wem ich arbeite. Das ist toll. Das Studio lässt mir freie Hand bei meinen Angeboten, es gibt zum Beispiel keine festgeschriebene Liste an Dingen, die meine Kunden von mir bekommen können. Ich kann nach Lust und Laune mein Angebot variieren und immer wieder Neues ausprobieren. Dazu kommt, dass die Kolleginnen untereinander ein freundschaftliches Verhältnis pflegen. Ich kann meine Sachen auch mal offen liegen lassen und muss mir keine Sorgen machen, dass etwas wegkommt. Wenn mal eine von uns Rat oder Hilfe braucht, findet sich eine andere, die Bescheid weiß oder mit anpackt. Und die Betreiberinnen haben ein offenes Ohr für Wünsche, zum Beispiel für neue Anschaffungen. Besser kann man es doch gar nicht treffen.

Eva, Köln

Meine Kunden können mich über eine Seite im Internet finden und ansprechen. Wenn wir uns sympathisch sind, treffen wir uns auf einen Kaffee und dann sehen wir weiter. Ich arbeite zu Hause, also in meiner eigenen Wohnung, in dem Bett, in dem ich auch schlafe, mit meiner Katze chille oder mit Freunden Serien gucke. Das macht die Stimmung zwischen mir und meinen Dates sehr intim. Ab und zu würde ich mir wünschen, dass ich ein extra Arbeitszimmer in der Wohnung hätte, mit einem separaten Bett, das nur für die Arbeit da ist. Auf der anderen Seite würde das genau die Stimmung ruinieren, die meine Kunden an den Dates mit mir so schätzen und mit der ich mich auch so wohl fühle.

Claire, Berlin

Ich arbeite freiberuflich in einem kleinen Bordell in Berlin. Wir haben unterschiedlich ausgestattete Zimmer, Duschen, eine kleine Küche, theoretisch ist alles da, was wir zum Arbeiten brauchen. Allerdings ist die Atmosphäre im Haus manchmal etwas unpersönlich. Die Mädels kommen und gehen, einige sogar schon nach kurzer Zeit, da kommt es oft nicht dazu, festere Bindungen zueinander zu knüpfen. Natürlich ist es schön, so unabhängig zu arbeiten, allerdings würde ich mir wünschen, es gäbe mehr Gemeinschaft im Haus. Zum Beispiel eine gemeinsame Mittagspause oder eine Art Wohnzimmer, wo wir mal zusammen sitzen und reden können. So hat man oft nur Zeit für eine Zigarette zusammen und das war's dann. Das ist schade, im Büro kann man ja auch zusammen Kaffee trinken oder gemeinsam zu Mittag zu essen.

Collage: Sarah Schmitt | Fotos: imago, Pixabay, Pexels

Anette, Hamburg

Wenn ich ein Bordell genau so bauen könnte, wie ich es mir wünsche, wäre es auf jeden Fall nicht mitten in der Stadt, sondern vielleicht ein freistehendes Haus etwas außerhalb, damit die Männer, die bei uns vorbeikommen, nicht zufällig oder betrunken reinstolpern. Ich fände es schön, wenn wir dann einen Garten hätten, wo sich die Frauen ausruhen oder Yoga machen könnten, mir bleibt bei der Arbeit oft wenig Zeit für mich, deswegen wäre das ideal. Dazu noch eine Küche, in der wir kochen könnten, und einen gemütlichen Gemeinschaftsraum: perfekt!

Maja, München

Früher habe ich in einer Modellwohnung gearbeitet, wo die Kunden zwischen verschiedenen Frauen auswählen konnten und dann einen Termin vereinbart haben, doch das war nicht so mein Ding. Mittlerweile arbeite ich nur noch auf Termin in einer privaten Zwei-Zimmer-Wohnung, die ich dann für eine Woche miete und nutzen kann, so viel ich will. Und die gefällt mir richtig gut. Die Einrichtung ist orientalisch angehaucht. Wir haben einen Baldachin über dem Bett und viele kleine Lichter, die einen Sternenhimmel simulieren. Ich kann diese ganze plüschige Standardpuffdeko einfach nicht mehr sehen. In der Wohnung gibt es ein Arbeitszimmer und ein Wohn-/Schlafzimmer, in dem ich, wenn ich Zeit zwischen den Kunden habe, für meinen anderen Job am Computer arbeiten kann. Ich muss sagen, dass ich auch froh bin, in der Wohnung alleine zu sein. Ich fand es früher immer sehr anstrengend, stundenlang mit wildfremden Frauen zusammenzusitzen und mich unterhalten zu müssen. Was ich mir aber noch wünschen würde, wäre eine Kamera an der Tür, um mich etwas sicherer zu fühlen.