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Der Islamische Staat hat seine wichtigste Propaganda-Schlacht verloren

Ihr Rauswurf aus der Stadt Kobane könnte einen dramatischen Wendepunkt für die Miliz bedeuten.
Demonstrant bei einer Pro-Kobane-Demo in Berlin. Foto: Jermain Raffington

Die Meldung, dass die nordsyrische Stadt Kobane fast vollständig vom IS befreit wurde, kam heute nicht mehr wirklich überraschend. Die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) hatten die Stadt Mitte September angegriffen und mit einem zügigen Sieg gerechnet. In den letzten Wochen hatte sich die Belagerung aber zunehmend zu einem Massengrab für IS-Kämpfer entwickelt.

Dabei hatte es für die Verteidiger—hauptsächlich die sogenannten kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG)—anfangs überhaupt nicht gut ausgesehen: Der Sturmangriff des IS schloss die Stadt in wenigen Tagen auf drei Seiten ein. Auf der vierten Seite befindet sich fast direkt die türkische Grenze. In den ersten Tagen des Angriffs flohen Zehntausende Zivilisten in die Türkei, weil sie ethnische Säuberungen befürchteten, wie der IS sie im irakischen Sindschar durchführte, das einige Monate vorher erobert worden war.

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Ein paar PKK-Kämpfer schafften es noch, aus der Türkei in die belagerte Stadt einzusickern, dann riegelte das türkische Militär die Grenze ab und wartete auf das Ende. Der IS begann, die Stellungen der Verteidiger mit Mörsern, Raketen und zahlreichen im Irak eroberten Panzern zu beschießen. In wenigen Tagen drangen IS-Kämpfer tief in die Stadt ein. Der türkische Premierminister Erdoğan prophezeite das baldige Ende der Stadt, und nicht wenige Beobachter vermuteten, dass er es kaum erwarten konnte, dass die verhasste YPG in ihrem symbolträchtigen Stützpunkt aufgerieben wird.

Zu dem Zeitpunkt hatten aber bereits die Luftangriffe der US-geführten „Koalition" gegen den IS begonnen—ohne dass die Rettung Kobanes den Amerikanern damals besonders wichtig gewesen wäre. Als der IS allerdings anfing, in der ganzen Welt herumzuposaunen, dass man trotz der gerade begonnenen Luftangriffe demnächst eine ganze Stadt einnehmen würde, wurde es den Amerikanern allerdings doch zu bunt. Die anfänglich ziemlich ineffizienten Luftschläge wurden plötzlich sehr effizient und richten seit Mitte Oktober ein Blutbad unter den IS-Kämpfern an. Anfang Oktober wurden die Verluste des IS bereits auf 800 Mann geschätzt. Ende Oktober könnten es bereits 3.000 gewesen sein.

Damit hatte Kobansiche schnell zu einem fatalen Dilemma für den IS entwickelt: Auf der einen Seite stellte sich die Eroberung Kobanes als zunehmend schwierig heraus. Auf der anderen lebt der „Staat" von freiwilligen Rekruten—also jungen Männern auf der ganzen Welt, die an seine Unbesiegbarkeit glauben und sich auf den Weg machen, um sich dem Kampf anzuschließen. Die Führer des IS entschieden sich also, den Kampf um Kobane fortzusetzen. Ende Oktober verlegten sie einen ihrer berüchtigsten Kommandeure, Omar den „Tschetschenen", von Sindschar nach Kobane.

Dass sie den Kampf um Kobane jetzt doch verloren haben, bedeutet noch lange nicht das Ende des Islamischen Staats. Aber die sehr öffentliche Niederlage hat die Miliz ausgebremst und erniedrigt—und das kann sie sich auf Dauer nicht leisten, wenn sie weiter Kämpfer anziehen will.