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Sex

Ein Freistaat für Prostituierte

Die EVP arbeitet wie die feministischen Bewegungen daran, den Prostituierten das Leben schwer zu machen. Würden die Vorstellungen der Christlich-konservativen zum Gesetz, müssten die Prostituierten einen Freistaat gründen.

Foto: Reblogged von cinematic thoughts

Es dürfte klar sein, dass die Prostitution nicht verschwinden wird. Egal was der Staat tut. Sie ist länger da als unsere Zivilisation und auch innerhalb dieser legt sie mindestens eine 2000 Jahre-Präsenz hin.

Sie ist also älter als die Demokratie und auch älter als die Polizei. Es gibt wenige vermeintliche Laster, die sich so lange gehalten haben. Eines davon ist Alkohol. Würden wir Alkohol verbieten? Niemals, weil wir wissen, was dabei herauskommt: Massenblindheit durch Selbstgebrannten und Al Capone. Die EVP scheint ihren „Messwein" auch heute schon selbst zu brennen, denn die wahrscheinlichsten Auswirkungen ihres geplanten Vorstosses gegen den „Menschenhandel" liegen klar sichtbar auf der Hand und richten sich im Endeffekt gegen die Prostituierten. Also gegen genau die Menschen, die die EVP schützen zu wollen vorgibt. Im Rahmen von drei Aspekten wird das Prostitutionsverbot diskutiert, zu deren Abklärung die Regierung gerade beauftragt wurde: Es soll je nachdem verboten werden, Räumlichkeiten für die Prostitution zu vermieten und/oder die Prostitution an und für sich. Außerdem soll eventuell auch der Erwerb von sexuellen Dienstleistungen bestraft werden.

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Wer mal kurz über den Begriff „Strassen"-Strich nachdenkt, dürfte recht schnell schnallen, dass es nicht „Wohnungs"-strich heisst, weil die Prostituierten eben auf der Strasse stehen. Wer ihnen also verbietet, zur Ausübung ihres Geschäfts eine Wohnung zu mieten, der schickt sie logischerweise genau dorthin. Natürlich kann man sie auch von der Strasse vertreiben, indem man die Prostitution verbietet. Da aber die Prostitution nicht aufhören wird (das ist die einzige Prognose zu deren Untermauerung wir historische Fakten haben), wird sie von da an einfach im Geheimen stattfinden. Die Dirnen wären gezwungen, in fremden Wohnungen oder an dunklen, ungeschützten Orten ihre Dienstleistung zu verrichten. Die Freier als auch die Zuhälter könnten dann die Prostituierten erpressen, weil die Huren eben keinen Anspruch oder Zugang zu staatlichem Schutz hätten und ihr Aufenthalt als auch ihr Gewerbe illegal wären. Sie wären also vor dem Staat auf dauernder Flucht und der Willkür eines jeden ausgeliefert, der sich gerade danach fühlt, sie zu verpfeifen.

In der Richtung gibt es schon heute ein Problem. Da die Prostitution zwar erlaubt ist, aber immer noch als „sittenwidrig" gilt, werden Ansprüche, die beispielsweise einem Zuhälter gegenüber gestellt werden, vom Bundesgericht nicht verfolgt. Der Menschenhandel würde unter diesen Bedingungen mehr florieren, denn je und Zuhälter würden deutlich mehr verdienen. Zudem ist es ziemlich fragwürdig, wie denn dieses Verbot durchgesetzt werden soll, wenn selbst die Beamten der Sittenpolizei sich ab und an ein zu leisten scheinen.

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Was nicht ganz so abwegig klingt, ist die Idee, die Freier zu bestrafen. So wären die Prostituierten selbst wenigstens nicht mehr im Visier der Staatsmacht. Die Prostitution würde teurer werden, weil es aufwändiger wäre, die Kunden zu erreichen und zu bedienen. Wir stehen also wieder in den dunklen Gassen und den Wohnungen der Freier.

Teurer wird die Geschichte übrigens auch, um den Umsatzverlust des Zuhälters auszugleichen. Die Prostituierte würde nicht mehr verdienen, sondern tendenziell weniger. Hinzu kommt, dass in diesem Szenario die Sexarbeiterinnen kaum Kontakt zu den staatlichen Unterstützungsorganen haben dürften, denn kaum ein Freier möchte mit einer Prostituierten zu tun haben, die mit dem Staat zu tun hat. Der Menschenhandel würde von dieser Massnahme kaum negativ betroffen, da die rein marktwirtschaftlich logische Reaktion auf einen Umsatzverlust bei einer einzelnen Prostituierten die Anschaffung von mehr Prostituierten ist. Soviel Wirtschaftsverständnis trauen wir auch den Zürcher Zuhältern zu.

Es drängt sich mir also der Verdacht auf, dass es der EVP nicht wirklich darum geht, die Situation von Menschen zu verbessern, sondern lediglich darum, das Laster Prostitution auszumerzen oder wenigstens in einen blinden Fleck der Gesellschaft zu bugsieren.

Besonders auffallend ist, dass ausgerechnet die (Alice Schwarzer-)Feministinnen in dieser Geschichte mit den Christlich-konservativen am gleichen Strick ziehen, da ja genau die christliche-konservative Wertedominanz massgeblich dafür mitverantwortlich ist, dass es den Feminismus überhaupt braucht. Das letzte Mal, als sich eine ähnlich unheilige Allianz den Lastern der Schweizer annahm, waren es die Weinproduzenten, die sich mit dem Blauen Kreuz zusammenspannten. Danach hatten wir hundert Jahre lang ein Absinthverbot am Hals.

Da die Prostituierten also offenbar gar keine Freunde in der Politik mehr haben, bleibt ihnen eigentlich nur eines übrig: Sie sollten sich nach dem Vorbild von Frank Millers Oldtown, einen Teil der Stadt unter den Nagel reissen und mit Waffengewalt verteidigen. Keine Zuhälter, keine Parteipolitik, keine (korrupte) Polizei—keine Probleme.