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The Tp For Your Bunghole Issue

Musikreviews

Hier sind unsere Reviews zu allen wichtigen und beschissenen Neuerscheinungen des gesamten Monats.

CASS McCOMBS

ABWÄRTS

ONEOHTRIX POINT NEVER

YANN TIERSEN

Torchs einziger Longplayer, ursprünglich im Jahr 2000 erschienen und seit Ewigkeiten vergriffen, gehört vielleicht nicht zu den besten, aber zweifellos zu den wichtigsten Rap-Alben Deutschlands. Denn dieser Typ ist so eine Art Großonkel, Galionsfigur und Gründungsmythos der hiesigen HipHop-Kultur … aber das wusstest du bereits, oder? Falls nicht, kannst du das Album jetzt wieder im Laden kaufen und deinen Freunden anschließend mal durchsagen, dass es früher mal eine Welt jenseits von Kollegah und Hafti gab. Du Pfeife.

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AFRIKA SCHLAMPATA

KOOL SAVAS

Aura

Essah Entertainment

Wenn Weiterentwicklung bedeutet, „LMS“ ab sofort „Last Man Standing“ bedeuten zu lassen, nun doch nicht mehr vor peinlich berührender Nabelschaupoesie zurückzuschrecken, den wenigen verbliebenen Battletracks die Zähne auszuschlagen und auf einem kurzen Album gleich zwei Mal Xavier Naidoo Schleimspuren verlegen zu lassen, sehne ich mich ab sofort in eine Zeit zurück, in der man nur die Erde eine Kugel zu nennen hatte (die Urform des guten alten Mutter-Witzes), um sich seines Lebens nicht mehr sicher zu sein. Ein Buchstabe im Albumtitel ist überflüssig.

STEPHEN HAWKWIND

KINDERZIMMER PRODUCTIONS

Gegen den Strich

Trikont/Indigo

MED

Classic

Stones Throw

Als Rapper bei Stones Throw hat man bestimmt ein tolles Leben. Man hängt einfach im Büro rum und alle paar Jahre kommt Madlib vorbei und drückt dir ein paar Beats in die Hand, die sich auch als Instrumentals verkaufen würden. Du musst nicht mal besonders gut sein. Nimm einfach in der Mitte dieser psychedelischen Suppe Platz und lass es um dich herum blubbern. Niemand interessiert es, ob du Hammel oder Lamm bist, solange die Soße schmeckt.

MABEL SIZZURP

MAYER HAWTHORNE

How Do You Do

Universal

Aus Fahrstühlen, in Mango-Jäckchen mitgeführten iPods und Facebookfeeds von jung gebliebenen Sparkassenangestellten bald schon nicht mehr wegzudenkender Neo-Soul, dessen Weichbrotigkeit du in Erwartung fauler Milchfürze adäquat an einem mutigen Schluck irgendeiner Starbucks-Kreation zur Geltung bringen könntest. Wobei sich die mit diesen Songs in Gang gesetzte Reflexionsarbeit weniger mit den Soulsujets, als mit der Frage beschäftigen wird, was bei dieser Kombination jetzt eigentlich deine Blähungen ausgelöst hat.

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BOHNE, THUGS & HARMONY

Textor und Quasi Modo hatten in ihrer 13-jährigen Rapkarriere, eine Menge guter Ideen, aber dieses einmalige Reunion-Konzert mit dem Radiosymphonieorchester des ORF gehört nur bedingt dazu. Zweifellos handelt es sich um eine handwerklich ausgezeichnete Inszenierung. Die aber krankt daran, dass man permanent damit rechnet, dass gleich Smudo oder Xavier Naidoo auf die Bühne gebeten werden oder sonst eine Katastrophe eintritt, die uns vor Augen führt, wieso es mit dem Bildungsbürger-HipHop der 1990er zu Ende gehen musste: Weil Rap ungefähr so gut ins Opernhaus passt wie Varg Vikernes als Surprise-Act auf eine Tupperware-Party.

HUSTLE AUDIO

Während andere House-Produzenten ihre Ware wahlweise zusammen schrauben, kloppen oder schustern, ist bei Till von Sein immer schon eher stricken angesagt. Seine Tracks kommen in einer wärmenden Flauschigkeit daher, die jeden Kaschmir-Schal zum löchrigen Putzlappen herunter scheuert. Gleichzeitig atmet sein Oeuvre eine Lässigkeit aus, die man wohl eher in der Ahnenreihe von Miles Davis‘ Birth of the Cool vermutet hätte. Ein Wechselbad der Gefühle, das die House-Agenda auf diesem Album von Ambient über Acid bis zu Soul diversifiziert. Was unter der Dusche gut für den Kreislauf ist, spart hier sogar noch Betriebskosten.

PETER ZWEGAT

MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER

Die Elite der Nächstenliebe

Audioakt/RTD/

Finetunes

Die Vorzeigeband der „irgendwas mit Medien“-Generation tritt ab. Die Begründung dafür liefern sie freundlicherweise gleich mit, in Form eines weiteren Krawallrave-Slogan-Feuerwerks, das inzwischen wohl selbst hartgesottene Werbepraktikanten nicht mehr so recht hören wollen. Dafür zeigen MT Rückgrat und machen der Sache jetzt ein Ende, statt noch eine Dekade als Bierzeltheadliner auf Dorffesten den Spendenhut rumgehen zu lassen. Hoffen wir, dass die zahlreichen Nachahmer, die sie hervorgebracht haben, sich auch in dieser Hinsicht ihre Helden zum Vorbild nehmen und wir in 20 Jahren keine Möbelhauseröffnungen mit den Audiolith-Allstars erleben müssen.

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MEIN FREUND DER BAUM IST TOT

OLIVER HUNTEMANN

Paranoia

Ideal Audio

In der Ankündigung dieses Albums werden vor allem dessen „zukunftweisende Syntharrangements“ herausgestellt. Zugegeben, es ist kaum zu überhören, dass Huntemann mehr als sonst auf seinen Keyboards herumklimpert. Davon abgesehen ist aber auch Paranoia eine waschechte Trademark-Peitsche geworden. Wenn Huntemann drauf steht, dann sind eben immer noch Magengruben-umgrabende Subbässe, Schneidezahn-ausschlagende Kickdrums und Unterbau-zentrierte, Schweißporen öffnende Groovegewalt drin. Wie sagt man so schön: If it’s not broke, don’t fix it. Huntemann bleibt unverwüstlich.

GUSTAV GOLEM

ONEOHTRIX POINT NEVER

Replica

Software/Mexican Summer

XAVER VON TREYER

The Torino Scale

Supersoul

Recordings/Kompakt

Albumtitel mit Bildungsauftrag sind grundsätzlich zu befürworten. So kannst du deiner Freundin das nächste Mal, wenn du ihr den neuen heißen Scheiß zeigen willst, gleich noch ganz beiläufig erklären, dass die Torino-Skala vorhersagt, welchen Schaden auf die Erde prallende Asteroiden anrichten können. Wenn sie drauf steht, hast du gewonnen. Wenn nicht, bleibt dir immer noch Xaver von Treyer, der hier eine Platte vorlegt, die man auch getrost alleine goutieren kann.

THE HAWK

ACTIVE CHILD

You Are All I See

Vagrant

Das Debüt des ehemaligen Chorsängers Pati Grossi klingt klaustrophobisch, selbstverliebt und abstoßend. Ein wenig so, als ob man mit Jimmy Sommerville, einem „Now That’s What I Call Chillwave“-Sampler und den Tagebüchern von Richey Edwards in einem U-Boot eingesperrt ist. Ehrlich gesagt, war ich kurz davor, mir mit einem Hammer den Schädel aufzuknacken, um diese Musik in einer Art medizinischem Eingriff wieder aus meinem Gehirn zu entfernen. In seltenen Momenten entfaltet der wie von einem schizophrenen Papagei interpretierte Zeitlupen-R&B einen ganz eigenen, verstörenden Disco-Charme. Wenn er dann aber schnell in hohle, James-Blake-artige Augenwischerei abdriftet, solltest du dich schleunigst nach einer Methode umsehen, dir selbst das Genick zu brechen.

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KELVIN MACKCRACKERS

BURAKA SOM SISTEMA

Komba

Enchufada/Rough Trade

Komba ist der Titel eines angolanischen Begräbnisrituals, bei dem sich nach sieben Tagen alle Hinterbliebenen zusammenfinden, um im Namen des Verstorbenen ordentlich zu saufen, zu singen und zu tanzen. Komba-Partys gelten als heimliche Highlights der Festkultur in Angola und es ist schon ein wenig tragisch, dass man nie in den Genuss kommt, seine eigene Feier zu erleben. Aber wie man hier hören kann, erfreut sich der tribalhafte Kudora-Clubsound, den Buraka Som Sistema im Kielwasser von M.I.A und Konsorten in hiesige Lande geschleppt haben, ohnehin bester Gesundheit. Folglich gibt es—das wäre die andere Seite der Medaille—hier eigentlich gar nix zu feiern. Verwirrend.

NATE FISHER

Die Projektnamen, unter denen Daniel Lopatin Musik veröffentlicht, folgen ja kaum der jeweiligen Produktionsmethode. Sie folgen eher der Wahl des Quellmaterials, das er solange zerhackt, durch die Sequencer loopt und mit EQ-Massagen verformt, bis es seine Soundsignatur annimmt. Im vorliegenden Fall waren das die Tonspuren amerikanischer Fernsehwerbung. Wir haben es also mit so einer Art neoliberalen Field Recordings zu tun. Im Ergebnis gibt Lopatin oft erst dann Ruhe, wenn sich die für ihn typische Erkenntnistiefe einstellt. Auf der anderen Seite enthält

Replica

auch einige der nervtötendsten Momente seiner bisherigen Diskografie. Aber das liegt wohl in der Natur der Sache.

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MR. PROPER

VOID

Sessions 1981–83

Dischord

Vielleicht fragst du dich auch manchmal, wo eigentlich diese sogenannten lost tapes irgendwelcher aufgelöster, ermordeter, drogentoter oder pensionierter Künstler/Bands auftauchen. Also das Zeug, das pünktlich zum Weihnachtsgeschäft als Bonusmaterial an Releases getackert wird, die du ohnehin schon seit Jahren im Schrank stehen hast. Natürlich war das Material überhaupt nicht lost, sondern wird von einer perfide vorgehenden Industrie planmäßig und tröpfchenweise in das Sammlerherz injiziert. Anders dürfte es sich im Fall von Void verhalten. Hier kam wahrscheinlich wirklich jemand nach 30 Jahren zum ersten Mal auf die Idee, das Dischord-Archiv zu entstauben und stolperte dann irgendwann auf ein unveröffentlichtes Bootleg der ersten und bereits von Wahnsinn gesäumten Void-Aufnahmesessions. Das Ganze wird dir nun spektakulär remastered, mit allerlei wesentlichem Bonusmaterial ergänzt von den letzten Industrieverweigerern nachgeliefert. Ein wichtiges Stück HardcorePunk-Geschichte, das in seiner ergänzenden Funktion unverzichtbar ist, aber auch den Erstkontakt mit einer unübertroffenen Band ermöglicht.

MARLES CHANSON

JACUZZI BOYS

Glazin

Hardly Art

Mal wieder ein irreführender Bandname. Was klingt wie die Beach Boys nach bestandenem Bescheidenheits-Seminar, ist in Wahrheit ein Trio mit dem unfehlbaren Talent, jeden ihrer Song wie einen ausgeschlagenen Goldzahn aus dem Ozean der LoFi-Grütze heraus scheinen zu lassen. Sie hätten tatsächlich jedes Recht zur Anmaßung. Sogar, wenn sie wie auf dem neuen Album den selig ruhenden T.Rex an den Hintern greifen, entfährt dem morschen Glam-Gerippe ein erstaunlich vitales Jauchzen.

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BENNI BADEMEISTER

ADOLAR

Zu den Takten des Programms

unterm durchschnitt/Broken Silence

In den letzten Monaten haben sich zahlreiche deutsche Rockbands am Seiltanz über der Schlucht aus gefühlsduseliger Peinlichkeit probiert. Meistens sind sie nach wenigen Schritten abgeschmiert. Wir hatten es uns derweil am Rande des Abgrunds gemütlich gemacht, ein paar Bier getrunken und Haltungsnoten verteilt. Und während wir da so saßen und kicherten, tippten uns plötzlich diese vier Sachsen auf die Schulter. Instinktiv fuhren wir sie an: „Warum seid ihr nicht auf dem verdammten Seil?“ Und sie erwiderten verdutzt: „Welches Seil? Wir sind mit Hubschrauber da.“ Das ist natürlich auch eine Möglichkeit.

HEINER SCHRÖBBELS

ABWÄRTS

Glazin

Hardly Art

LOU REED & METALLICA

Lulu

Universal

Es ging dieser Veröffentlichung ein nie da gewesener Shitstorm an allen möglichen Medienfronten voraus. Ich vermute also, du weißt bereits, dass dieses Album mit einem Namen, der Hochkultur verspricht, aber eben auch klingt wie kindliche Notdurft, zu den schrecklichsten akustischen Ereignissen zu zählen ist seit der Mutation Yoko Onos. Man könnte jetzt noch ein paar Witze über Geräuschfolter und Guantanamo und so weiter machen, aber ich nutze den Platz lieber, um darauf hinzuweisen, dass ich gestern „Drive“ gesehen habe. Ein wirklich stimmungsvoll inszenierter und gut komponierter Film. Übrigens auch mit einem hörenswerten Score. Dem genauen Gegenteil von dieser Platte hier, nur um es sicherheitshalber noch mal zu sagen.

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ANGELO BADEMANTEL

Sick Of It All waren schon immer die Arbeitstiere ihres Genres, die pflichtbewussten, drahtigen Proletarier am HardcorePunk-Fließband. Stets in eine blütenweiße Weste gewandet, immer ein mustergültiges Gewissen vertretend, seit 25 Jahren unermüdlich tourend, immerfort arschtretend. Bevor das hier anfängt, wie das Arbeitszeugnis des VEB NYHC zu klingen, kommen wir zum Fazit dieser Rezension: Andere Bands würfeln ihr schon angestaubtes Originalmaterial zu Best-Of-Alben zusammen, Sick Of It All spielen ihre ewigen Klassiker noch mal neu, noch mal schneller, noch mal härter, noch mal besser ein. Eat this, Klassenfeind!

ALTER WULBRICHT

RETOX

Ugly Animals

Ipecac

Splitterbombe aus Powerviolence-, Grind- und Thrashpunk-Versatzstücken, verleimt in einschlägiger Vergangenheit. Es ist mal wieder Justin Pearson (Swing Kids, The Locust, The Crimson Curse und so weiter), der zusammen mit Locust und anderen Leuten nicht nur der Blog-gefilterten Zeitgeistdekadenz, sondern gleich der ganzen abgrundtief verkommenen Welt den eigenen Hass vor die Füße kotzt. Das Ganze passiert jedoch nicht ohne gewisse Zugeständnisse. In der Zeit, in der andere ihr MacBook hochfahren, prügeln Retox ein ganzes Album ein. Das hier geht 13 Minuten und dürfte somit auch für das Publikum rezipierbar sein, dessen Aufmerksamkeitsspanne auf 160 Zeichen begrenzt ist.

OMG, TFA!

Für unsere jüngeren Leser mag es schwer vorstellbar sein, aber es gab mal eine Zeit, da war „Punk“ ein Grund dafür, dass Eltern sich Sorgen um ihre Kinder machten—nicht umgekehrt.

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DU HAST DIE HAARE SCHÖN

YANN TIERSEN

Skyline

Mute

Ich wette, Yann Tiersen hasst Amelie mittlerweile genauso sehr wie ich, aus dem einfachen Grund, dass alles, was er in seinem Leben noch produzieren wird, auf diese widerliche Mädchenschmonzette zurückgeführt werden wird. Auch ich kann dieser Assoziationsschleife nicht entkommen. Das tut mir fast ein bisschen leid für ihn, aber ich kann mich nicht um alle kümmern.

PARIS MERCURE

DARKNESS FALLS

Alive In Us

hfn Music / Fake Diamond Records

Was Bands aus Dänemark ja ganz gut hinbekommen in letzter Zeit, sind i-Tüpfelchen. Darkness Falls sind gewissermaßen das Vinylknistern zu Ennio Morricone, die Zola Jesus zu BOY, die Wärme zu The XX. Als würde man beim Hören von

Alive In Us

erst bemerken, was all den anderen noch für Kleinigkeiten gefehlt hatten. Am Ende ist‘s dann zwar auch nur Indiepop, aber verdammt guter, nämlich mit Melancholie und Charme und Seele und Poprelevanz. Geschlossen werden möchte diese Rezension nun mit einem sehr wörtlich gemeinten Befehl in Form einer Allerweltsfloskel: Man höre und staune!

JOSEPHINE BAKER

STILL CORNERS

Creatures of an Hour

Sub Pop

Gut, wenn du von feengleich angehauchten Song-Schwebeteilchen einfach nicht genug bekommen kannst. Noch besser, wenn du diese Lieder durch subtile Score-Ergänzungen wie im Feuer knackendes Holz oder eine fremde in deinem Schritt herumwühlende Hand ergänzen kannst. Etwas witzlos (aber letztendlich auch kein Beinbruch), wenn du bereits ein Bat-For-Lashes-Album besitzt.

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ANGELO SCHALALAMENTI

CASS MCCOMBS

Humor Risk

Domino

Selbst wenn Cass McCombs sein wunderliches Textdickicht hier manchmal gar auf schwanzwedelnden Rockismen ausbreitet, gibt es immer noch kaum einen anderen Singer/Songwriter, der seine Brust so weit öffnet wie er. Und es gibt schon lange keinen anderen, der so viel exzellentes Material anhäuft, um in einem Jahr gleich zwei Alben damit zu bespielen. McCombs ist bei uns so lange auf den „Album des Monats“-Pokal abonniert, bis seinem Genius endlich öffentlich Rechnung getragen wird. Macht ihn zum Kultursenator, macht ihn zum Füsilierkommando der Philipp Poisels, Johannes Strates und James Blunts dieser Welt, macht doch was ihr wollt, aber hört endlich seine Platten.

NO RISK, NO FAN

WE WERE PROMISED JETPACKS

In The Pit Of The Stomach

Fat Cat/ Rough Trade

Das ist was für Leute, die für The Gaslight Anthem nicht genug Tattoos und für Bruce Springsteen nicht genug Arbeiterhemden im Schrank haben. Seitenscheitel-Indie, wie er seit 2004 geduldet wird, mit verhalltem Instrumentarium und leierndem Gesang, der zum Aderlass auffordert. Doch leider haben Interpol mit solch eindrucksvoller Selbstmitleidsmusik schon 2002 den Zenit überschritten.

DANIEL DÜSENTRIEB

DILLON

This Silence Kills

Bpitch

In manchen Momenten wäre es von Vorteil, in der Apotheke zum Unkostenpreis eine Extraportion Oxytocin erwerben zu können, einfach um sich ein bisschen mehr Mädchen-Sein und Sinn für Verspieltheit zuzuführen. Denn wenn man nicht von Natur aus auf Blümchentapete, exotische Teesorten und ausgelassenes Toben im Herbstlaub steht, wird man mit

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This Silence Kills

nicht viel anfangen können. Obwohl die Möglichkeit, es wenigstens versucht zu haben, jedem zustehen sollte.

DATT MOMAN

GEM CLUB

Breakers

Hardly Art

Es gibt gerade einige Leisetreter, die in die Kerbe seufzen, über die das Feuilleton schon solche Leute wie The xx oder James Blake für seine Klugscheißereien ins Visier nahm. Also die jungen Leute, die unter die Räder der Moderne kommen und sich selbst in Mollakkorde und akustische Auslassungen backlashen. Diese Sache. Auch der hier tätige Christopher Barnes und sein kleines Kollektiv inszenieren ihre Musik um die Stille herum und öffnen damit die Interpretationsräume mindestens doppelseitenweit. Wenn du dir hierbei aber, und das dürfte den Verfassern mehr als Recht sein, keine Gedanken über Entstehungskontexte und sozialpsychologische Wechselwirkungen machen möchtest, dann taugen diese Melancholien als kuschelige akustische Wolldecken für das kommende Winterelend.

JÖRG KACHELOFEN

BONNIE PRINCE BILLY

Wolfroy Goes to Town

Domino

Will Oldham veröffentlicht Alben wie andere Leute Facebook-Statusmeldungen. Darum ist es nicht erstaunlich, anlässlich Wolfroys Stadtbummel diesen neuen besinnlichen Zyklus vorgesetzt zu bekommen. Wir sind nur leidlich gespannt auf

Wolfroy Waiting at the Bus Station

und

Wolfroy Steps in Dogshit

. Gleichwohl fiel uns auf, dass die aufgerüsteten Lebkuchenregale in den Discountern dieses Landes eine Jahreszeit ankündigen, in der sicher auch ernsthaftigsten Folk-Gebäcken wie diesen hier ein reißender Absatz gewiss ist. Gutes Timing also, sonst nichts Neues.

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SANTA KLAUT’S

DIRTY PROJECTORS + BJÖRK

Mount Wittenberg Orca

Domino

Die Dirty Projectors haben Björk eingeladen, an einer Art Acapella-Operette für Kinder mitzuarbeiten. Vermutlich ahnte man, dass besagte Journalisten niemals eine Platte kritisieren würden, auf der der Name „Björk“ auftaucht. Stattdessen werden wir jetzt wieder verstärkt Sätze lesen, in denen die Wörter „Island“, „Geysir“ und „Elfe“ wahllos aneinandergereiht werden, statt darin die Belanglosigkeit dieses Machwerks zuzugeben oder es einfach zu ignorieren. Scheiße, jetzt haben wir sogar darüber berichtet.

FREE WILLY

ALVA NOTO

Univrs

Raster-Noton/Kompakt

Damals, als wir samstagnachts „Chillout Zone“ von MTV auf VHS-Tapes aufgenommen haben, mit Future Sound Of London und Autechre und Air Liquide und Orbital, und uns so vorkamen, als hätten wir da einen Piratensender entdeckt, der bewusstseinserweiternde und vermutlich von Aliens produzierte Musikclips bringt? In einer besseren Welt würden das die Kids heute mit Frickelkram von Raster Noton machen. Von jeglichem Verdacht des Organischen befreites Geplucker, abstrakt as fuck und großartig wie üblich. Romantik für Minusgrade.

UNI EMALS