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"Das habe ich schon 1933 gehört" – Eine Holocaust-Überlebende warnt vor Rechtspopulisten

"Ich habe einen Bürgerkrieg als 7-jähriges Kind erlebt. Und den werde ich nie vergessen."

In einem Video spricht die 89-jährige österreichische Rentnerin Gertrude über ihre Angst vor der Zukunft Österreichs. Die Tochter von Gertrude erklärt der Zeitung Kurier, dass es ihr ein Anliegen war, vor ihrer vermutlich letzten Wahl—der Wahl des österreichischen Bundespräsidenten am 04. Dezember—noch etwas los zu werden: "In den letzten Wochen und Monaten hat sie uns immer wieder gesagt, dass es sich so anfühlt wie damals in den 1930er Jahren." Damit bezieht sie sich auf die aktuelle Stimmung im Land und die rechtspopulistische Partei FPÖ, die mit Norbert Hofer eventuell den Bundespräsidenten stellen könnte. Gertrude war 16 Jahre alt, als sie mit ihren Eltern und den zwei jüngeren Brüdern nach Auschwitz deportiert wurde. Ihre gesamte Familie ist umgebracht geworden—sie überlebte als Einzige. Wir haben ihre Warnung für euch transkribiert.

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"Die Beleidigung anderen gegenüber. Das Heruntermachen. Das Schlechtmachen. Das stört mich am allermeisten. Keine Achtung vor den Anderen. Das Niedrigste aus dem Volk, aus den Leuten herausholen. Nicht das Anständige, sondern das Niedrigste. Und das war schon einmal der Fall. Man hat aus den Menschen Hass oder Lächerlichmachen [geholt].

Als die Juden die Straßen reinigen mussten, sind die Wiener dagestanden, Frauen und Männer, und haben zugeschaut und gelacht: 'Schaut euch das an. haha'—das war lustig. Und das versucht man, wieder rauszuholen aus den Menschen. Und das schmerzt. Und das fürchte ich. Den Ausspruch 'So wahr mir Gott helfe' hab ich im 33er- oder 34er-Jahr gehört. Und das von einem Menschen, der mit Religion nicht viel am Hut hat. Ich bin nicht fromm, ich sage das nicht aus Frömmigkeit, sondern mir ist da die Falschheit bewusst geworden. Als der Strache [Heinz-Christian Strache, Parteivorsitzender der FPÖ] das Wort 'Bürgerkrieg' gesagt hat, ist es mir kalt über den Rücken geronnen und ich hab mir gedacht: 'Das darf nicht einmal erwähnt werden, nicht einmal angedacht werden'.

Ich habe einen Bürgerkrieg als 7-jähriges Kind erlebt. Und den werde ich nie vergessen. Da habe ich meine ersten Toten gesehen. Leider nicht die letzten. Das habe ich nie vergessen. Das hat sich so eingegraben in mir, dass ich das heute noch weiß. Und dann sagt ein Politiker, [dass] ein Bürgerkrieg möglich wäre?

Das darf doch nicht sein! Und da hab ich mir gedacht, da ist der Van der Bellen derjenige, der überlegen, ruhig, für Frieden und für Gleichberechtigung ist und mit Bedacht überlegt—vielleicht aufgrund seines Alters, vielleicht ist er da schon reifer und vernünftiger. Ich glaube, dass das sein großes Plus ist. Ich kann nicht zu Hause nur im kleinen Kreis groß reden: 'Das passt mir nicht, das passt mir nicht.' Und wenn eine Wahl ist, geh ich nicht hin? Das ist doch kontraproduktiv.

Ich muss mein Recht als Bürger in Anspruch nehmen. Aber ich muss mir vorher überlegen: 'Was wähl ich?' Nicht hören: 'Jö, der hat was Schönes gesagt. Den wähl ich!' Sondern überlegen, was er daraus macht und was könnte daraus entstehen? Und vor allem bin ich der Meinung, dass die jungen Leute wählen gehen müssen. Für mich ist es wahrscheinlich die letzte Wahl. Ich hab nicht mehr viel Zukunft. Aber die Jungen haben ihr ganzes Leben noch vor sich. Und die müssten selber schauen, dass es ihnen weiterhin gut geht.

Das können sie nur, wenn sie vernünftig wählen."