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DIE MUSIKAUSGABE

Oakland-Rapperin Kamiyah repräsentiert die Frauen der Westküste

Wir haben mit dem aufgehenden Stern am Himmel der Bay-Area-Rapszene über ihre Ziele, Inspirationen und die Motivation hinter ihrem 'Rugrats'-Tattoo gesprochen.

Porträt von Emman Montalvan

Aus der Music Issue 2016

Beim "Mystery Concert" der New York University am 7. September war der Opener Kamiyah. Die 24-jährige Rapperin aus Kalifornien kam in Adidas-Tarnjacke und goldenem Grill auf die Bühne. Der 90er-R&B-Beat ihres neuen Tracks "How You Want It" ertönte und sie spittete: "2016 I'm the, I'm the / I tell 'em 2016, I'm the, I'm the / I tell 'em 2016, I'm the West Coast queen / Till I'm 26 clean." Im violetten Scheinwerferlicht erzählte sie mit jeder Menge Swag aus ihrer Biografie: "East Oakland Gs till I die, I will bang it / Ice-street queen, my name's on the pavement."

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Bis Januar war Kamaiyah eine relativ unbekannte Newcomer-Rapperin, die in drei verschiedenen Security-Jobs arbeitete. Was an Einkommen rumkam, investierte sie in Studiozeit und Videos für sich und ihre Rap-Gruppe Big Money Gang. "Er hat mich entführt, ich konnte nicht mehr zur Arbeit gehen", sagt sie und schwingt ihre Micro-Braids in Richtung ihres Managers, Francois Wiley, als wir uns am Tag des großen Konzerts an der NYU zum Essen treffen.

"Ich bin auch in Oakland aufgewachsen", sagt Wiley, der Kamaiyahs Musik auf Twitter entdeckte. "Als ich sie hörte, wusste ich, dass wir schnell zugreifen müssen. Dann begegnete ich ihr, und sie trug diese Uniform! Ich sagte ihr, den Job müsse sie loswerden."

Letzten November war Wiley zum Fa­milienbesuch in Oakland und hatte sein erstes persönliches Treffen mit der Rapperin. Acht Tage darauf lud er Kamaiyah zu einer Aufnahmesession in sein Studio nach Los Angeles ein. Sie willigte ein, aber nur, wenn er sie unter der Woche einflog, damit sie am Wochenende ihre Security-Schichten machen konnte.

"Ich kam ins Studio und nahm die ganze Nacht lang auf", sagt sie. Kamaiyah blickt in ihre marokkanische Tajine und erklärt mit ihrer markanten tiefen Stimme, sie habe nicht kündigen wollen, selbst als der Plattenvertrag zum Greifen nah war. "Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, was passieren würde. Wir verhandelten echt viel mit den Labels, um das Richtige für mich zu finden."

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Im März spielte Kamaiyah auf dem South by Southwest in Austin, und als wir uns treffen, kommt sie gerade vom FYF-Fest in Los Angeles. Die Label-Wahl fiel ihr verständlicherweise schwer. "Ich wollte nicht da ankommen und umgekrempelt werden. Bei diesem Deal hier schreiben sie mir nicht viel vor", sagt sie über ihren Vertrag bei Interscope Records, den sie kurz nach der Begegnung mit Wiley unterschrieb. "Ich sage denen, was sie machen sollen. Ich sage: 'Ihr habt mich so genommen, wie ich bin. Ihr müsst mich nur noch vermarkten.'"

"Die Rugrats gehören zu meinen Lieblingssendungen, weil sie mir als Kind beigebracht haben, stark, widerstandsfähig und mutig zu sein. Die Serie hatte eine Message."

Einer der acht Tracks, die sie beim ersten Treffen mit Wiley aufnahm, war die Single aus YGs Album Still Brazy "Why You Always Hatin?", auf der auch Drake zu hören ist. Kamaiyah sagt mir, sie habe den Track anfangs solo aufgenommen, „weil ich es satt hatte, dass die Leute auf mich abhassen". Einen Monat nach der ersten Session kündigte sie ihre Jobs und zog nach L.A., um sich auf die Musik zu konzentrieren.

Kamaiyah Jamesha Johnson wurde am 13. März 1992 in East Oakland, einer hauptsächlich schwarzen Arbeitergegend, geboren. Sie beschreibt ihre Erfahrungen in diesem Viertel als "eine typische Ghetto-Story". Als sie fünf war, steckte man sie in eine Pflegefamilie, weil ihre Mutter sie misshandelte. Als sie sieben war, lebten sie und ihre beiden großen Brüder bei der Großmutter.

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Ihr Vater sei immer im Gefängnis gewesen, und als sie zehn war, habe sie mitbekommen, dass er cracksüchtig war. "Er vertrug es mal nicht und flippte aus und so", erinnert sie sich und wirkt dabei noch immer ungläubig. "Ich dachte: 'Was zur Hölle stimmt nicht mit ihm?'" Die Erfahrung hat sich eingebrannt. Viele Rapper mögen Drogenkonsum und -handel verherrlichen, doch ihre Feel-Good-Texte auf Tracks wie "I'm On" und "Mo Money Mo Problems" kommen ohne diese Realitätsflucht aus.

Als wir zusammen im Restaurant sitzen, entdecke ich in dem Tattoo-Sleeve auf Kamaiyahs rechtem Arm Susie Carmichael, eine Figur aus der Nickelodeon-Serie Rugrats. "Ich mochte Susie immer, weil sie die Intelligente war", sagt Kamaiyah. "Susie bekamst du nur in der Bücherei zu sehen, oder wenn sie den anderen erklärte, wie sie sich gegen Angelica wehren können." Kurz darauf fügt sie hinzu: "Die Rugrats gehören zu meinen Lieblingssendungen, weil sie mir als Kind beigebracht haben, stark, widerstandsfähig und mutig zu sein. Die Serie hatte eine Message."

"Ich komme von der West Coast. Ich kann mich nicht von den Kategorien anderer einschränken lassen."

Eine weitere Message nahm sich Kamaiyah zu Herzen, als sie 14 war. Ein Junge, mit dem sie aufgewachsen war und den sie bewunderte, wurde am 17. April 2006 vor einem Club erschossen. Ronald Hall war Basketballstar, Einserschüler und wollte mit einem Sportstipendium aufs College. "Mann, es war traurig, und es hat mich hart getroffen", sagt sie mir. "Es war das erste Mal, dass jemand, den ich kannte, gestorben ist. Ich dachte: 'Ich muss hier weg.'

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Jederzeit könnte es dich treffen. Egal, wer du bist—du könntest Briefträger sein, und dann macht jemand ein Drive-by, und du bist tot, weil du am falschen Ort warst." Sie redet schneller. "Ich will so nicht sterben. Ich will etwas aus mir machen und mein Leben wirklich leben. Wenn ich sterbe, will ich sagen können: 'Ich hab alles gemacht, was ich machen wollte.'" Noch einmal wiederholt sie: "Ich will nicht jung sterben, weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war."

Kamaiyah fing an, sich für Musik zu interessieren, als sie acht war und das Video zu Bow Wows "Bow Wow (That's My Name)" mit der West-Coast-Legende Snoop Dogg sah. "Es inspirierte mich. Er war ein Kind, ich war ein Kind, also konnte ich das auch. Das war das erste Mal, dass ich mich hinsetzte und versuchte zu schreiben. Ich merkte, dass es sich reimte und Sinn ergab, also hörte ich nie wieder auf."

In ihrer Teenagerzeit experimentierte sie viel mit ihrem Look und Sound. Sie gründete die Crew Big Money Gang mit den Rappern Joe Banguh, HottBoy Zay (inzwischen Zay' M) und Baybee. In einem älteren Track von 2013, "All I Think About", der inzwischen Zehntausende YouTube-Klicks hat, ist eine jüngere Kamaiyah zu sehen. Sie tanzt durch den Clip und rappt schließlich eine Strophe, die nach einer weiblichen Version von Juvenile klingt.

Die Sounds auf ihrem Debütmixtape A Good Night in the Ghetto zeigen, dass sie Jahre damit verbracht hat, ihr Handwerk zu perfektionieren. Die 16 Tracks sind deutlich vom R&B und Rap der 90er beeinflusst: Sie samplet "Always on My Mind" von SWV und benennt Songs nach "Mo Money Mo Problems" von Notorious B.I.G. und "Swing My Way" von K.P. & Envyi. "Meine Art zu arbeiten ähnelt sehr den 90ern. Ich mache im Grunde das, was die damals gemacht haben, nur 2016", sagt sie.

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"Ich komme von der West Coast, ich bin eine Rapperin. Ich kann mich nicht von den Kategorien anderer einschränken lassen."

"Ich nehme diese alten Scheiben und setze dem Ganzen meinen Stil auf. Das ist ein bisschen das, was Puffy und die anderen gemacht haben." Das Video zu "How You Want It" zeigt ihren Style als eine Mischung aus Missy Elliott und TLC. Der Song selbst ist von Biggies Hit "Juicy" inspiriert und das eindeutige Highlight von A Good Night.

Die anderen Tracks kombinieren funky elektronische Klänge mit Dance-Einflüssen, die Kamaiyahs deutliche Worte noch verstärken. Auf "One Love" sind ihre alten Freunde, die Big Money Gang und Netta Brielle, zu hören, und "Fuck It Up" ist eine weitere Kollaboration mit YG. Der emotionalste Track ist der letzte, "For My Dawg", eine Ode an ihren besten Freund James De'Andre Burks, der dieses Jahr an einem Knochentumor gestorben ist.

Das ganze Tape, das Kamaiyah in zwei Wochen aufnahm, hat einen luftigen West-Coast-Vibe mit Partystimmung, der sich von den harten Tatsachen ihres Viertels nicht runterziehen lässt und den Spaß und zukünftigen Reichtum feiert. Sie verkündet stolz, es geschafft zu haben, weil sie schlauer war als die Straße—und als die Männer, die das Leben ihr in den Weg gelegt hat, wie sie auf "Niggas" erklärt.

"Ich habe das Gefühl, es hat 'mich' noch nie gegeben", sagt sie, als wir das Mittagessen beenden. "Ich komme von der West Coast, ich bin eine Rapperin. Ich kann mich nicht von den Kategorien anderer einschränken lassen." Sie fährt fort: "Für mich ging es bei A Good Night in the Ghetto einfach um Spaß. Keine Streitigkeiten und nichts. Deswegen sieht das Cover so aus. Alle sind happy. Ich hatte Drinks und Chips—es war eine Party."

Zu der will sie am liebsten alle Gleichaltrigen einladen. "Ich habe diese Platte aufgenommen, damit 18- bis 25-Jährige sich gut fühlen können. In dieser Phase gibt es so viel Druck, und die Leute verstehen nicht, dass es auch OK ist, Spaß zu haben und noch nicht alles zu peilen. Alle in meiner Generation wollen alles immer sofort. Aber alles geht nicht sofort. Du musst daran arbeiten."