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Gefährliche Männlichkeit

Was Männermagazine ihren Lesern über Männlichkeit vermitteln

Schon Herbert Grönemeyer hat gefragt: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Wir haben die Antwort in Männermagazinen gesucht und nichts als Bullshit gefunden.
Foto: imago | Cola Images

Es ist keine Seltenheit, dass Frauenmagazine für die Dinge, die sie ihren Leserinnen vermitteln, in der Kritik stehen: falsche, unrealistische Körperbilder, absurde Schönheitsideale oder völlig haltlose Tipps zur Selbstoptimierung. Uns Frauen wird in auf unsere angeblichen Bedürfnisse zugeschnittenen Magazinen erklärt, wie wir uns beim Sex zu verhalten haben, um dem Mann zu gefallen, wie wir mit fragwürdigen Diäten so schnell und so viel wie möglich abnehmen und mit welchen Outfits wir im Büro als ernstzunehmende Wesen wahrgenommen werden.

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Davon, was Männermagazine ihren Lesern vermitteln, ist im direkten Vergleich dazu eher seltener die Rede. Dass auch Männer den Geschlechter-Klischees, die ihnen unsere Gesellschaft vorgibt, zum Opfer fallen können, wird in Hinblick auf ihre zweifelsohne immer noch privilegierte Stellung in vielen Lebensbereichen gerne vergessen. Aber genauso, wie uns Frauen in diversen Magazinen gerne eingeredet wird, wie sich eine Frau zu verhalten und was sie zu interessieren hat (nämlich Mode, Beauty und Einrichtung), vermitteln große Magazine auch männlichen Medienkonsumenten ein Männlichkeitsbild und -ideal, das mehr als veraltet und infrage zu stellen ist.

Um genauer herauszufinden, wie sich Männermagazine einen so richtig männlichen Mann vorstellen, haben wir uns die Oktober-Ausgaben der drei größten Männermagazine genauer angesehen. Macht euch bereit für viel Testosteron, unzählige Anleitungen zum Muskelaufbau und viele männliche Langzeitpläne für das richtige Männer-Mindset.

Men's Health

Men's Health ist mit 31 Ausgaben in 40 Ländern das am meisten verbreitete Männermagazin der Welt und wie schon der Titel vermuten lässt, dreht sich das Magazin hauptsächlich um Sport, Fitness, Gesundheit und Freizeit. Schon vom Cover der Oktober-Ausgabe trifft einen der Blick eines auftrainierten Mannes mit Adonis-Körper in grauer Jogginghose, der seinem ernsten Blick nach zu urteilen wohl gerade intensiv über den 8-Wochen-Plan zum Muskelaufbau nachdenkt, den die große Headline neben ihm verspricht.

Als ich das erste Mal durch das Heft blättere, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen, wird schnell klar, dass es hier ausschließlich um Selbstoptimierung geht. In der Ausgabe gibt es ein 30-seitiges Special zu "Sofort mehr Muskeln" mit Ernährungstipps (Fleisch! Männer essen Fleisch!), Sport und vielen inspirierenden Portraits von Männern, die viel Sport machen und bestimmt auch ganz viel Fleisch essen.

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Aber natürlich werden den Lesern nicht nur Tipps zur Optimierung ihres Körpers geliefert, es gibt auch Lesetipps zur Stärkung des Geistes. Vorgestellt werden größtenteils Bücher über Männer, die im Leben etwas geschafft haben (Mohammed Ali), Business-Ratgeber oder Comics. Außerdem gibt es eine Rubrik namens "Weltliteratur für Eilige", die große literarische Werke in wenigen Sätzen beschreibt—wie soll man auch Zeit haben, an so etwas wie Klassiker der Literatur zu denken, wenn man Tag ein Tag aus mit dem Stählen des eigenen Körpers beschäftigt ist? Darum fasst die Men's Health zum Beispiel Goethes Faust für ihre Leser so zusammen: "Für ein bisschen Abwechslung vertickt der gelangweilte Dr. Faust dem Teufel seine Seele. Am Ende schwängert er das naive Gretchen und treibt es in den Wahnsinn." Weltliteratur für richtige Macker.

Die Geschlechterklischees ziehen sich durch das gesamte Blatt—angefangen bei den Werbeanzeigen, die sich auf Uhren, Parfum, Anzüge, Deo und Haarwuchsmittel konzentrieren, bis hin zu einzelnen Formulierungen. So beginnt ein kurzer Text über Mozzarella zum Beispiel mit dem Satz "Jeder kennt die weiße Käsekugel von der Pizza. Mozzarella ist aber weitaus vielfältiger einsetzbar!" und suggeriert damit, dass Männer weltfremde Wesen ohne jede Ahnung von Grundnahrungsmitteln wie Käse sind. Vermutlich auch, weil Käse nicht im Muskelaufbau-Katalog angeboten, sondern in der Küche gelagert wird.

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Ein besonderes Geschenk beim Durchlesen der Men's Health ist eine Kolumne über Mansplaining, in der ein Mann erklärt, was Mansplaining ist (get it?) und warum Frauen Männer, die ihnen etwas erklären wollen, das sie längst wissen, eigentlich total falsch verstehen.

In der Kolumne heißt es zum Beispiel: "Meine Großmutter hat mir immer wieder dieselben Storys erzählt und x-mal erklärt, wie ihr Boiler geht. War das dann 'Omaplaining'? Egal, ich habe es nicht persönlich genommen. Aber wenn Männer Frauen Dinge erzählen, die diese bereits kennen, dann muss selbstverständlich gleich das Diskriminierungsfass aufgemacht werden. Wir müssen Frauen klarmachen, dass wir ihnen nichts Böses wollen. Sie müssen sehen, dass Männer oft eher unbeholfen sind, keine Unterdrücker. Auch Männer stecken in uralten, unseligen Rollenmustern fest, aus denen sie sich erst langsam befreien."

Das stimmt zweifelsohne—die Frage, ob man das mit einem Mansplaining-Artikel über Mansplaining erreicht, stellt Men's Health allerdings nicht. Die Kernaussage der Kolumne scheint zu sein, dass wir Frauen auch in diesem Punkt wieder einmal ihre totale Überempfindlichkeit unter Beweis stellen, wenn wir bei jeder Kleinigkeit "das Diskriminierungsfass aufmachen" und Männer somit zu den eigentlichen Mansplaining-Opfern machen. Wäre dem so, müsste der Autor auch das Opfer seiner Großmutter sein, was nicht unbedingt nach dem Gegenteil von Überempfindlichkeit und Fass aufmachen klingt.

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Men's Health macht seinen Lesern (nicht nur im generischen, sondern tatsächlichen Maskulinum) immer wieder klar, dass Frauen und Männer in völlig verschiedenen Welten leben und untermauert diesen Mythos mit Sätzen wie "Unsere Autorin lüftet Geheimnisse ihrer Geschlechsgenossinnen", "Allen Gerüchten zum Trotz sind viele Männer sensibel" oder dem Einstiegssatz "Frauen wollen sich daran anlehnen, Männer damit imposanter aussehen" in einem Artikel über Schultermuskulatur.

GQ

Die GQ ist ein großes Lifestyle-Magazin für Männer und versorgt seine Zielgruppe mit Infos rund um alles, was ein richtiger Gentleman (wofür auch das "G" in GQ steht) einfach lieben muss: Cognac, Uhren, Muskeln, Luxus. Die GQ schafft es zwar, Geschlechter-Klischees ein bisschen subtiler in die Gestaltung des Magazins und seiner Inhalte einfließen zu lassen als die Men's Health, aber vorhanden sind sie auch hier ohne Zweifel.

Im Gegensatz zu Men's Health gibt es in der GQ viele Modetipps. Ein kurzer Absatz über Statement-Ketten beginnt mit: "Wer nicht gerade ein Rockstar war, konnte es sich in der vergangenen Jahren kaum erlauben, auffällige Ketten und Armbänder zu tragen."

In der GQ geht es nicht vordergründig um die Optimierung des eigenen Körpers, sondern unter Gentleman-Flagge um die Optimierung des gesamten Ichs—durch eine Anpassung des Äußeren an ein gewisses Ideal des sexy Business-Mans und der Barney Stinsons dieser Welt, die zum Feierabend gerne ein Glas Cognac schlürfen und sich mit Arbeitskollegen über die neueste Breitling unterhalten.

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In seinen Promi-Porträts widmet sichGQ auf dem Spektrum der Männertypen dem "Work hard, play hard"-Testimonial, zum Beispiel in der Form von Robert Downey Jr., der gleichzeitig wahnsinnig bad-ass, aber auch unglaublich sexy und erfolgreich ist. Zum Musiker The Weeknd findet sich außerdem die Beschreibung: "The Weeknd überzeugt—ohne viel zu reden. Männlicher geht es eigentlich kaum." Weil es offenbar immer noch als männlich gilt, nicht über seine Gedanken und Gefühle zu sprechen.

GQ ist aber nicht nur Männer-Knigge, sondern adressiert auch die Bedürfnisse eines echten Kosmopoliten: mit welcher Reise man seine Freundin beeindrucken kann (offensichtlich Paris), welchen Ledersessel man sich für sein neues Junggesellen-Loft kaufen soll, welche Bomberjacke um 2.000 Euro gerade total angesagt ist und welchen Staubsauger-Roboter man als Mann von Welt einfach kaufen muss.

InStyle Men

Mit der InStyle Men erreicht mein Ausflug in die Welt der Männermagazine seinen Höhepunkt. Auf 146 Seiten schafft es die Männerausgabe der InStyle, so ziemlich jedes Klischee zu bedienen, das wohl ein Weltmann aus dem Jahr 1924 seinem Geschlecht zuschreiben würde.

Schon der Leitartikel legt die Erwartungshaltung fest: "Ein Lifestyle-Magazin für Männer, Schwerpunkt Klamotten: Was muss rein, was ist zumutbar? Was ist zu viel? Man muss Männern nur mal die Möglichkeit geben, sich für Mode zu begeistern." Die Frage nach der Zumutbarkeit stellt sich zumindest auf beiden Seiten des Textes. Offenbar siehtInStyle Men die meisten Chancen, Geschlechter-Klischees aufzubrechen, darin, auf diese noch mal hinzuweisen und Männer so hinzustellen, als wären sie eine fremde Spezies, der Mode bisher naturgemäß fremd war.

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Die Unentschlossenheit in der Ausrichtung zieht sich durch das gesamte Magazin. Obwohl es in der InStyle viel um Mode geht, werden die Redakteure gleichzeitig nicht müde, immer wieder zu betonen, wie wenig Männer und Mode zusammenpassen. Das kann entweder der perfekte Anlass für das Magazin sein oder aber das genaue Gegenteil. Warum man stattdessen nicht einen weniger abgrenzenden Zugang wählt, bleibt zumindest für mich bis zum Ende unklar.

Und weil Männer augenscheinlich dumme Neandertaler sind, die es zu kultivieren gilt, als wäre das ganze Geschlecht wie der Wolfsmensch in Michel Gondrys Film Human Nature, werden die Leser auch mit Mode-Metaphern wie "Sie halten ihre Weekender mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie andere Geschlechtsgenossen ihr Sixpack Bier" oder "Vor Farben haben viele Männer so viel Angst wie vor dem Bundesligaabstieg ihres Lieblingsvereins" erzogen.

Die Redakteure gehen sogar noch einen Schritt weiter und präsentieren den Lesern einen frechen neuen Trend: "Pinker Anzug mit rosa Hemd? Echt jetzt? Ja!" Offenbar ist Rosa für die Macher dieses Magazins immer noch eine reine Mädchenfarbe. Genauso wie Handtaschen Frauensache sind ("Männer, die Taschen tragen, sind Weicheier? Von wegen!"). Kurz gesagt: Die InStyle Men behandelt ihre Leser wie Deppen, die unbedingt InStyle Men brauchen, um aus ihrer selbstverschuldeten Deppenhaftigkeit auszubrechen.

Fazit

Angefangen bei Men's Health, wo den Lesern vor allem Körperoptimierung beigebracht und Literaturwissen für den Aufriss ohne Lese-Umweg mitgegeben wird, über GQ, wo es um Uhren, teuren Alkohol und gut sitzende Anzüge geht, bis hin zur InStyle Men, das einen modischen Spagat zwischen Bestätigung und Aufbrechen aller Männerklischees versucht, sind alle drei untersuchten Magazine auf dieselbe Art sexistisch, reaktionär und kurzsichtig wie Frauenmagazine, nur eben in "männliche" Farben getaucht.

Nach dem Durchlesen der drei Ausgaben war mein Kopf jedenfalls voller unbeantworteter Fragen. Wie soll unser Weltbild jemals weniger schwarzweiß werden, wenn die "Special Interest"-Magazine für beide Geschlechter nach wie vor auf dieselbenbinäre Klischees und Mythen setzen wie vor 100 Jahren? Hat die Männerwelt sowas wirklich verdient? Wie viele Fußballmetaphern gibt es auf diesem Planeten? Und warum setzen sowohl Frauen- als offensichtlich auch Männermagazine darauf, ihrer Leserschaft zu erklären, was für schrecklich unzulängliche Wesen sie sind? Oder, um es noch mal mit der InStyle Men zu sagen: "Was muss rein, was ist zumutbar? Was ist zu viel?"

Ist cool geworden! Hab noch einiges entschärft, das mir zu persönlich vorkommt oder zu privat formuliert war. Hier noch ein paar Anmerkungen/Fragen:

- Warum haben wir die 3 ausgewählt? Sind es DIE 3 größten? Die bekanntesten? Ist es wahllos?

- Sollen wir die 3 Magazine um Statements bitten? Fände ich nur fair, wenn wir so viele Fragen aufwerfen!

- Können wir vielleicht noch jemanden, der sich mit Geschlechterklischees oder Magazingestaltung beschäftigt, um Statements bitten?

- Gibt es sonst irgendwelche Fakten zu Männer/Modemagazinen? Wie viele werden verkauft, wie groß ist ihr Anteil am Magazinmarkt? (Damit wir erklären, dass diese Magazine auch wesentlich unser Geschlechterbild prägen!)