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Mädchen, bleibt zu Hause!

Ist zu Hause bleiben das neue Party machen? Wahrscheinlich nicht, aber ab und an ist es zwingend notwendig.

Das erwartet dich draußen in der Welt: die Zu-nahe-steh-Monster, die hinter dir in der Schlange stehen, in deine Haare fassen und die so reden, wie  Leute, die eine Überdosis Beruhigungsmittel genommen haben. Kunst- und Kommerzprojekte anderer Menschen. Nahezu tägliche Enttäuschungen von existierenden und potentiellen Freunden und Liebhabern. Kleine, verwässerte Drinks. Hinzu kommen Wetter, Parkplatzsuche und Geld ausgeben. Das sind nur ein paar Möglichkeiten, sich selbst bloß zu stellen. Und das erwartet dich zu Hause: weiche Pyjamas, Musik die du magst, alles wofür du bereits gezahlt hast und Zeit für dich selbst. Und du kannst auf jedem erdenklichen Weg widerlich und du selbst sein. Bitte, mach das einfach am Samstagabend. BESONDERE SENSIBILITÄT Eine der feministisch-akademischen Tumblr-Mädels, deren Blogs ich verfolge, hat glaube ich gerade einen ziemlich ernstzunehmenden Zusammenbruch, denn all ihre Posts drehen sich um besondere Sensibilität. Hierbei geht es tatsächlich darum, dass sich eine Frau, die sich irgendwie ausgenutzt fühlt, jetzt denkt, die ganze Welt sei gegen sie. Aber ich, mit meinem ewigen Narzissmus, bezeichne das eher als Ausrede dafür, wenn man einfach mal zu Hause bleiben, auf dem Boden rumliegen und über sich selbst nachdenken will, wenn alle anderen in einer Bar sind oder ausgehen oder was auch immer. Für mich ist diese „besondere Sensibilität" ein Zustand, in dem du dich einfach nur selbst beschäftigen möchtest und in der du bestimmte Dinge wieder zulässt—ganz besonders deine krassesten Emotionen, deine dramatischen Erfolglosigkeit und andere Leute, die dich beeinflussen. Wobei das wiederum angesichts meiner ausgedehnten/defensiven/ aggressiven Schlampen-20er, ein ziemlicher Fortschritt ist. DIR MUSS ALLES EGAL SEIN In diesem Zusammenhang: Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein gesamtes Projekt als Autorin/ Mensch/ Frau nur existiert, um andere Leute davon zu überzeugen, dass es eine ansteckende Krankheit ist, sich ständig Sorgen darüber zu machen, was andere Leute von dir und vor allem von deinen gesellschaftlichen Entscheidungen denken. Zu Hause zu bleiben ist nicht nur ein Zeichen besonderer Sensibilität (wenn es dich überhaupt nicht juckt, dass du zu Hause geblieben bist, um FERNSEHEN zu kucken, dann bist du auf jeden Fall schon zu oft zu Hause geblieben um Fernsehen zu kucken. Und deine Freunde findest du auf einmal auch nur noch extrem langweilig? Denk mal drüber nach), sondern auch eine ernstzunehmende Bedrohung deiner Soziabilität. Es wird mit deinen Freunden zwangsläufig zu Auseinandersetzungen über deine Absichten kommen, weil sie dein "Zu-Hause-hocken" als Zurückweisung interpretieren werden. Sie werden versuchen (und es auch schaffen) dir ein schlechtes Gewissen einzureden. Aber wie auch immer. „Unverletzbar zu sein, ist eine unglaubliche Machtposition.", sagte Simon Doonan, — der ein seltenes, populäres Beispiel ist, das nicht aus einer spröden Hülle menschlicher Werte besteht — in einem Interview mit Rich Juzwiak für The Daily. Ein weiteres Zitat: „Ich war schwul, als es noch illegal war, schwul zu sein. Ich habe meine Green Card bekommen, als noch keine Green Cards an Homosexuelle vergeben wurden…Jetzt ist ein guter Zeitpunkt zu sagen, scheiß drauf, mir ist egal, was die Leute denken." Und eigentlich ist es das immer, Simon Doonan. GEGENSÄTZE In diesem (weiteren) Zusammenhang: Zu Hause zu bleiben, zeigt einen Gegensatz auf. Denn im Gegensatz dazu, draußen vor dir selbst wegzulaufen, nimmst du drinnen die Flüssigkeiten wahr, die sich um deine Augäpfel herum ansammeln und in der Nacht leise wie ein Wasserfall herumschwappen. Was, du hast gar keine Lust alles dir zur Verfügung stehende auszuprobieren, nicht einmal wenn dieses Erlebnis so aussehen würde, dass du in irgendeiner ungenutzten Ecke deiner Küche sitzt, einfach nur um zu sehen, wie die Welt von dort aus aussieht? Was ist bloß mit dir los? VORTÄUSCHEN In diesem (noch weiteren) Zusammenhang: Meine Lieblingsfreizeitbeschäftigung ist tatsächlich so zu tun, als wäre ich total normal — wenn eine Freizeitbeschäftigung etwas ist, vor der man Angst hat, sie öfter zu tun. Oder die man aus Spaß tut. Man könnte solche Aktivitäten aber auch einfach als unsichtbares Bahngleis bezeichnen, das quasi parallel zu den Gleisen deines realen Lebens verläuft. Du hättest mich mal hören sollen, als mein Arzt während einer vierköpfigen Cola Light-Party anrief, die letztens stattfand, ich völlig wild durch die Gegend hüpfte und wie ein Wasserfall redete. Dabei rutschte übrigens mein Rock hoch. GESICHTSSCHMERZ Das wichtigste, was du niemals vergessen darfst, wenn du anstatt auszugehen und Spaß zu haben, zu Hause bleibst, ist deine innere Einstellung. Stell dir einfach vor, die Nacht wäre eines dieser Mystery-Abenteuer, in denen du mitspielst, denn man kann nie wirklich komplett passiv sein, nicht einmal wenn man alleine zu Hause sitzt und geschmolzene Eiscreme in Mustern auf den Boden tropfen lässt. Was ich damit sagen will: sieh dir kein Internet-Fernsehen im Bett an, so lange du keine angemessene, gemütliche Bettlandschaft geschaffen hast. Denn ansonsten wirst du am Ende auf deinem Bett, mit dem Kopf in die Hände gestützt, enden. Und das ist ganz und gar nicht gut für deine Knochen. Das ist der Moment, in dem auch ich merke, dass ich irgendetwas falsch mache: wenn meine Gesichtsknochen anfangen zu schmerzen. TO-DOS Koch dir irgendwas leckeres und mach ein bisschen Schönheitspflege, wie zum Beispiel Nägel lackieren, Gesichtsmasken, dich betrinken, kiffen, lesen oder Filme kucken. Oder lass es. Ist mir sowieso egal. Auf keine dieser Sachen kommt es wirklich an. EINSAMKEIT Etwas, dass ich nie verstehen werde und AUCH GAR NICHT VERSTEHEN WILL, sind Leute, die nicht allein sein können. Das macht die Geburtsreihenfolge zur entscheidendsten Lebensqualität und nicht etwa die Gesellschaftsschicht oder wo man aufgewachsen ist, richtig? Die von uns, die als Kind eine Menge Zeit mit sich selbst verbracht haben, werden nicht einfach so etwas sagen wie „Komm rüber, ich bin einsam." Wenn du zu Hause bleibst, geht es doch ganz offensichtlich darum, einfach nur für dich zu sein. Eine Atempause von deinem Freund/ Freundin/ Freunden/ Familie ist (und sollte) als ein wunderbarer Luxus angesehen werden, sowohl von dir als auch von ihnen. Wenn du eine Katze hast mit der du redest, bist du außerdem sowieso nie wirklich allein. PUTZEN Ist man beim Putzen nicht auch besonders sensibel? Ich weiß es nicht, aber eine Stunde lang das Badezimmer sauber zu machen, ist definitiv die größte Befriedigung, die ich die ganze Woche bekommen werde, dank der Geborgenheit dieses Raumes und dieser unglaublichen Putz-Produkte. Du musst dieses Grapefruit-Zeug ausprobieren, du wirst mit deinen Socken über den Fußboden schlittern und dich fragen, ob es jemals ein besseres Putzmittel gegeben hat. SEX Wenn man, wie wir, das zu Hause bleiben als ein privates Abenteuer betrachtet und nicht als Kompromiss oder als Aufgeben, musst du gut aufpassen, wie genau du es dir selber machst. Der lesbische Tod ist die Beziehung zu dir selbst, das weißt du! Am Wochenende abends zu Hause bleiben, ist die beste Zeit für die Erforschung verschiedener Masturbationsvarianten. Mit Hilfe von Pornos natürlich, ganz klar. Wenn du kannst, rauchst du vorher ein bisschen was, machst dir ein bisschen Musik an und versetzt dich selbst in einen Trancezustand, in dem dir im Prinzip alle möglichen, neuen Sexexperimente viel besser gefallen, als am Tag zuvor. Das ist eine ganz eigene Art von Erfolg und ja, ganz besonders sensibel. OUTFITS Tom Wolfes Theorien vom New Journalism handeln unter anderem vom „status life", also „alles, womit Menschen ihren Status in der Welt oder den, den sie zu haben glauben, ausdrücken wollen." Diese Worte kenne ich dank einer Reihe Unterrichtsstunden in kreativem Journalismus quasi auswendig. Wenn du wie ich bist und jedes Wort auf die Goldwaage legst, wirst du erleichtert sein zu erfahren, dass zu Hause zu bleiben eine vollständige Befreiung vom 'status life' und dessen kulturellem Überbau bedeutet (auch 'status culture' genannt). Das ist der Grund, warum die sogenannte Hauskleidung nichts mit den anderen Klamotten zu tun hat, die man sonst besitzt (und all ihren Zeichen und Symbolen). Mein Lieblingspyjama ist im Prinzip einfach nur lange Unterwäsche, die ich in einem Billigladen gekauft habe. Verstehst du, was ich meine? Es ist wie in der High-School, als alle noch Schuluniformen getragen haben und ich könnte heulen, wenn ich darüber nachdenke, wie sehr ich mir diese Zeit zurückwünsche und das nicht nur, wenn ich zwischen meinem Bett und der Badewanne herum schlurfe. SELBSTBESCHREIBUNG Sag nicht, dass du ein „Einsiedler" bist. Oder versuchst du gerade alles, um niemals flachgelegt werden? TV Kabelfernsehen ist wie eine Krankheit. Ich habe jetzt welches und das bedeutet, dass ich das Fernsehprogramm jetzt sogar in meinen Bookmarks habe. Genau das ist das Problem. Fernsehen ist für den einstündigen Schwebezustand zwischen Arbeit und Ausgehen gedacht, in dem man sich noch schnell einen Toast reinschiebt. Oder für Kater. Oder bei einer Grippe. NESTBAU Ein Nest zu bauen, ist auch ein anderer Ausdruck dafür, dein Haus darauf vorzubereiten, dass du bald ein Baby bekommst und es dementsprechend einzurichten. Aber in Wirklichkeit ist es eine nette Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie du deine Wohnung zu einer gemütlich-kuscheligen Spielwiese machen kannst, sogar dann, wenn deine Wohnung eigentlich ein trauriger, einsamer Ort ist. Alles was du brauchst, ist ein kleiner Bereich, der für dein Nest bestimmt ist. Decken und Kissen sind äußerst wichtig, aber vielleicht auch ein paar Kerzen und Lichterketten. Vielleicht ein paar hübsche Bilderbücher oder wie wär's, wenn du einfach dieses alte T-Shirt als Kissenbezug nimmst? Eine Schüssel mit Mini-Marshmallows wäre auch toll, oder?