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Ich war beim Andreas Gabalier Videodreh im Praterdome

Spoiler: Es war wie auf einem anderen Planeten.

Alle Fotos von der Autorin.

Eine Kritik mancher Leute ist ja, dass ich Veranstaltungen besuche, um sie zu verarschen. Also Veranstaltungen, die mir im Vorhinein nicht gefallen. Das stimmt nur teilweise. Manche Veranstaltungen oder Lokalitäten kenne ich ganz einfach nicht—zum Beispiel wäre da die Balkan-Disco oder eine Autogramm-Stunde. Andere habe ich in meinen jungen Jahren exzessiv besucht und ergo auch gemocht—wie den Ride Club.

Bei einem Andreas Gabalier-Videodreh im Praterdome haben diese Kritiker jedoch ein bisschen Recht. Das sprengt sogar meine Vorstellung von einem richtig schlecht verbrachten Abend. Richtig schlecht. Aber gut, ich meine ich habe mich darauf eingelassen und ich habe ehrlich versucht, unvoreingenommen ins Feld zu gehen. Freunde habe ich diesmal gar nicht erst gefragt.

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Da fast alle in der Altersklasse 25 bis 35 stecken, ergo irgendwie so etwas wie „erwachsen” sind und auch so etwas wie Selbstwert besitzen, bin ich empathisch und mitdenkend davon ausgegangen, dass sie ihren Abend nicht bei einem Videodreh von Andi im Dome verbringen wollen. Im Nachhinein habe von allen Recht bekommen. Ich warte noch immer auf den Preis der „BFF 2015”.

Screenshot via Facebook.

Andreas hat am 31. August auf Facebook seine Fans dazu aufgerufen, in „verrückten Trachtenkombinationen” und „sexy 80’s-Outfits” um 20 Uhr im Praterdome zu erscheinen. Ich habe ehrlich versucht das Ganze irgendwie umzusetzen, aber mein „sexy” sein hat auf jeden Fall unter meiner 80’s-Dirndl-Kombi gelitten.

Und das fand ich irgendwie wichtiger. Außerdem habe ich meinen Ausweis eingepackt, da er im Kommentar und in der Beschreibung des wundervollen Flyers erwähnt, dass man über 18 sein muss. Es gibt nichts Schöneres, als zur Hauptstoßzeit in Wien, wenn alle heimfahren, so durch Wien zu fahren:

Mein Dirndl ist darunter offen, weil der Herbst begonnen hat und mein Körper das bereits registriert hat.

Irgendwie habe ich am Weg hin gehofft, bald die Massen an Fans zu treffen, weil ich mir nach 45 Minuten U-Bahn fahren langsam blöd vorgekommen bin. Ja, erst nach 45 Minuten Fahrt. Nicht beim Losgehen. Nicht beim „Yeah, ich gehe alleine hin und schreibe vielleicht darüber”. Aber wurscht, immerhin lockt er mit Getränken. Die Massen an Fans—ich schätze es waren so an die 200—warteten brav vor dem Praterdome. Der Teppich war ausgerollt.

Alle haben ganz normale Trachtkleidung angehabt. Mädels die ganz vorne gestanden sind, haben sogar ihr Dirndl vergessen und nur das Hemd mit einer Leder-Hotpants getragen. Es waren vielleicht vier Typen mit Lederhosen da. Später habe ich dann drinnen doch ein paar Mädels erblicken können, die den 80's-Look versucht haben. Ich habe wirklich viele Brüste gesehen, manche davon hatten Tribal-Tattoos drauf. Überhaupt habe ich viele verblasste Tribal-Tattoos gesehen. Laut der Veranstaltung gestern ist der typische Andreas Gabalier Fan weiblich, färbt seine Haare schwarz oder platinblond oder beides, verständigt sich nur im Dialekt und ist zwischen 14 und 55 Jahre alt. Alle waren mit Freunden da. Trauriges Kätzchen-Emoji.

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Fans.

19:55 Andreas zeigt sich zum ersten Mal. Er fährt mit einem Oldschool-Mustang vor und lässt den Motor dramatisch vier Mal aufheulen. Das tut meinem „Ich mag Mustangs”-Herz weh. Ihm hat es nicht weh getan. Er trägt eine Sonnenbrille und grinst die ganze Zeit. Ich frage mich wie er es schafft, ständig so gut gelaunt, hellwach und selbstbewusst zu sein, ohne eine einzige Pause einlegen zu müssen. Es ist wirklich beeindruckend, wie ein Mensch es schafft, diesen Zustand auf Dauer aufrecht zu erhalten.

Er hat irgendetwas von „Jetzt tanz ma bisserl, meine sexy Damen” gesagt. Und die ganze Zeit gegrinst. Ununterbrochen. Nicht so „ich bin ehrlich vergnügt”-Grinsen, sondern so ein starres, kaltes Grinsen.

Er hat erst NACH dem Aussteigen mit dem Grinsen angefangen. So auf die Art: „Jetzt geht's los."

Er hat irgendetwas mit den „sexy Damen” gesprochen. Ich habe ja eigentlich nichts gegen Sexisten. Mein Opa ist Sexist, mein Papa auch ein bisschen und mein Bruder wohl auch. Der gesamte männliche Familien-Teil in der Slowakei ist voll mit offenkundigen Sexisten. Frauen sind trotz der ganzen Sprüche das stärkere Geschlecht.

Ich kann ihnen eine Ohrfeige geben und sie schimpfen. Das kann ich bei Andreas nicht. Andreas kriegt für seine Aussagen sogar Applaus. Von Frauen. Der Typ macht mich wahnsinnig. Was sagt seine Mama dazu?! Fünf Minuten vor Anfang da zu sein hat ihn sympathisch gemacht, weil er offensichtlich ähnlich wie ich, einfach so schnell wie möglich fertig sein wollte. Ich schwöre, man hat ihm angesehen—hinter dieser Brille und diesem Grinsen—wie ihn alles ankotzt. Das habe ich mir nicht eingebildet.

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Er hat kurz für die Foto-Kameras posiert—aber hauptsächlich nur für die Presse-Kameras. Er ist fünf Minuten am Auto gestanden und hat gegrinst, während Mädels aufgeregt ihre Titten gerichtet haben. Es war wirklich, wirklich skurril. Das erste Mal habe ich ihn aber nicht als Arschloch-Sexisten wahrgenommen, sondern als ein armes Opfer der Medien-Maschinerie. Er muss viele Dinge machen, auf die er absolut keinen Bock hat. Wahrscheinlich auch Sachen sagen, auf die er gar keinen Bock hat. Ich habe kurz so etwas wie Mitleid empfunden. Aber nur kurz.

Und dann schon das erste Schnitt-Bild. Andi lässt wiedermal den Mustang aufheulen, und fahrt aus fünf Metern Entfernung zu uns und dem Teppich. Die erste Anweisung vom Kamera-Mann „ANDI DU MUASST DES LIACHT AUFDRAHN” hat er gekonnt ignoriert. Also haben wir alle „LICHT!” geschrien. Er hat tatsächlich, bis jemand gekommen ist und ihm das Licht aufgedreht hat, so getan als würde er es nicht hören. Entschuldigung, aber der Typ sieht die Frau eher beim Herd und Wurf und uns als schwaches, zu beschützendes Geschlecht. Während er sich selbst als „Mountain-Man” präsentiert, in jedem seiner Videos mit Klischee-Weibern und -Bildern arbeitet und eigentlich kein einziges Interview ohne gender- und rechts-populistische Aussagen gibt—und dann kann er das verdammte Licht des Mustangs nicht aufdrehen? Ernst? Hawidere. Sehr unmännlich, Andreas.

Wenn man so Kamerasachen von außen betrachtet, wirken sie ziemlich lächerlich.

Kurz war ich vertröstet, weil er dann gesagt hat „Jetzt hoits eich a mal a Drangl”. Also sind wir rein, während er weggefahren ist. Angeblich kommt er wieder. Eine von den 200 Besucherinnen vor mir hat „Hoffentlich bricht ka Massenpanik aus” gesagt. Ich habe lachen müssen. Zwei andere vor mir haben überlegt, was sie jetzt trinken. Zirbenschnaps. Ich hab schon ein Problem einen Zirbenschnaps in den ärgsten Gasthäusern in Wien zu bekommen, aber ich hab ihnen lieber nicht gesagt, dass es wohl nur Obstler und Eristoff im Dome gibt.

Erster Schock: Niemand wurde nach dem Ausweis gefragt. Ich packe jetzt mein medienrechtliches Halb-Wissen nicht aus, aber ich weiß nicht, ob das Ganze so schlau war. Zweiter Schock: Ich zahle für die Garderobe. Ich habe mich ehrlich eingeladen gefühlt, weshalb ich exakt zwei Euro bei mir hatte. Immerhin darf er mein Antlitz in seinem Video verwenden.

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Noch bevor ich mir ein Getränk holen kann, treffe ich ein Puls 4-Kamerateam, ein BZ-Kamerateam und ein ATV-Kamerateam. Den letzteren habe ich ein Interview gegeben. Ich solidarisiere mich immer mit den armen Säuen, die vor und mit der Kamera arbeiten müssen.

Die Medienmenschen waren ziemlich arm und haben auch so ausgesehen. Sie müssen ja noch so tun, als würde sie das Ganze interessieren und sie es wahnsinnig spannend finden, sonst lassen sich die Leute ja nicht befragen. So wie Andreas Schicksal nur abgeschwächt.

Dritter Schock: Ich zahle für meine Getränke selbst. Das hat mich ungut verstimmt. Deshalb habe ich zwanzig Minuten im Prater nach einem Bankomaten gesucht. Um mir drinnen dann zwei Spritzer bestellen zu können. Bekommen habe ich vier, weil „1+1 Happy-Hour” war.

Prost.

Es hat „Infinity" und Helene gespielt, aber es hat kaum jemand getanzt. Es war, als wäre ich wieder 15 und in der Nachtschicht. Erst als seine Lieder losgingen, haben die Leute die Tanzfläche betreten. Und dann hieß es alle zehn Minuten von so einer Prater-Attraktions-Stimme, dass Andreas gleich da ist. Ich war bei Spritzer Nummer drei. Dann passierte das Seltsamste überhaupt. Zwei offensichtlich bezahlte Models in Tracht bestiegen die Bühne und grinsten kalt in die Menge.

20 Minuten lang oder so. Kennt ihr die Videos aus Nordkorea? Wo die Frauen dann in Nordkorea-Tracht im Park die ganze Zeit starr grinsen und einen Tanz aufführen und man sich nur denkt: „Crazy shit.” Genau das ist im Praterdome passiert. Ohne Spaß, ich hatte teilweise Angst. Außerdem waren diese Frauen sehr unterernährt, aber naja, war eh klar welches Frauenbild Andreas präsentieren möchte. Seine Fans sind trotzdem durchschnittlich 20 Kilo schwerer, womit ich eher die Unterernährung der Models als die Überernährung der Fans unterstreichen möchte.

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Also diese Frauen haben keine Andreas-Gabalier-Fanschaft-Realität oder so abgebildet. Diese Frauen wurden auch hauptsächlich gefilmt. Und die Frauen hinter ihm, die auch zufällig sehr schön waren. Und die anderen Frauen vor den Kameras, waren auch, zufällig sehr schön.

Kim Jong Un-Shizzle.

Andreas selbst hatte ein Shirt an, auf dem der Songtitel stand. Außerdem hatte er wieder oder noch immer seine Sonnenbrille auf. Seine Aufgabe war, so zu tun als würde er auflegen. Musik auflegen. Wie ein DJ. Und ab und zu hat er die Arme breit gemacht. Der wahrscheinlich erwartete Fan-Ansturm ist auch ausgeblieben und das hat er so verbalisiert: „Hier mit euch—den Hardcore-Fans—ein Video zu drehen(…)” Das fand ich lustig.

Weil er das bei Puls4 seiner Liabsten—die ihn interviewt hat, aber ich bin die Letzte, die mit journalistischen Grundsätzen anfängt, deshalb von mir aus—noch anders präsentiert hat. Und auf Facebook. Unsere Aufgabe war, Kameras und Handys wegzupacken (genau Andi), ab und an zu springen und eigentlich immer die Hände oben zu haben und so zu tun, als wäre es die Gaudi unseres Lebens. Nicht mal ein Safterl hat er mir bewerkstelligt und ich soll um 21:43 MEZ so tun, als hätte ich die Gaudi meines Lebens zu irgendeinem Song von ihm. Träum weiter von warmen Eislutschern, Andreas. Aber ich bin auch kein „Hardcore-Fan", somit.

Andreas der Allmächtige leuchtet oben, während ich mich unten an seiner hegemonialen Männlichkeit ergötze. Raute: Gönnung.

Ab Spritzer Nummer vier, habe ich angefangen in die Menge zu lächeln. Ich hab ein nettes Mädel gefragt, ob sie ein Foto von mir machen kann, während Andi im Hintergrund ist. Konnte sie. Zu den Fans: Ja, viele hatten einen Prolo-Touch. Aber sie waren ur nett. Und viele haben auch gecheckt, dass das ein PR-Gag ist. Sie wollten es sich halt trotzdem geben.

Ich verstehe mich sowieso tendentiell besser mit Frauen die Tribal-Tatoos am Busen haben, als Frauen mit MK-Taschen. Bitter waren nur die Aussagen zur Flüchtlingspolitik und naja, die Weltansichten. Ab Spritzer Nummer vier wurde dann wirklich alles erträglich. Pf, noch mal „I sing a Liad für di”? Kein Thema, ist ja auch irgendwie catchy. Was Andreas, du möchtest dass ich abgehe? Sowieso!

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Nach den ersten Schnittbildern hat er eine Runde an uns alle ausgegeben. Ich habe aber kein Getränk haben wollen, weil ich damit beschäftigt war die Kameras zu finden. Meine Recherche zeigt: Es wird absolut niemand von der Tanzfläche im Video erscheinen, außer die bezahlten Models. Naja, unsere Hände. Deshalb wurde auch niemand kontrolliert. Weil es egal ist. Das alles war ein Fan-PR-Gag. Zumindest so lange ich da war.

Das ist gespielt.

Um 23:30 bin ich dann gegangen um die U-Bahn zu erwischen. Eine Textzeile des neuen Songs ist „I fühl mi so lost” und da sind wir beide auf einem grünen Zweig gekommen. Das ist die Basis, die uns verbindet. Nachher war ich trotzdem am Hauptbahnhof dem Train of Hope helfen—das macht schlagartig nüchtern. Und habe Sitra, die heute in den Bus nach Deutschland steigt, von Andreas erzählt.

Außerdem habe ich mit ihrer Mama die Vor- und Nachteile der Heirat diskutiert. Mit Händen, Füßen und Englisch. Ihr Mann hat dann ganz viele Fotos von uns gemacht, damit sie eine Erinnerung in Deutschland haben. Sitra wollte dann auch ein Foto um „tall girl” zu sein. Das sie jetzt schon größer als ich es bin ist, hab ich ihr nicht gesagt. Ich soll es hier rein tun. Also mache ich es.

Scheiße schau ich aus, weil man vor Kindern nicht heult. Train of Hope braucht noch Sachen und Helfer. Checkt die Seite ab. Solltet ihr im Radio ein Gabalier-Lied hören, könnt ihr ja mitkommen Kisten schleppen, Essen ausgeben, Sachen sortieren und vor allem mit den Leuten reden. Die sich eigentlich nur darüber freuen und trotz Schwierigkeiten das Gespräch nicht aufgeben. Und man fühlt sich nachher wirklich hundert tausend Mal besser, unabhängig davon ob man den Medienwahnsinn Gabalier live miterlebt hat, oder nicht.

Sitra ist ab heute in Deutschland. Ich freue mich sehr für sie, aber ich werde sie auch vermissen. Good luck girl!

Früher hat sie Gabalier gemocht. Bevor er Interviews gegeben hat: @Schla_wienerin

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