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Interviews

„Es geht nur darum, cool zu sein, und um Kim Kardashians Arsch“—BRKN im Interview

Wir haben den Rapper und Sänger BRKN mit Thesen über die sogenannte Generation Y konfrontiert.

Der Sänger, Rapper und Produzent BRKN aus Berlin stand bereits mit K.I.Z., Said, Mach One und Alligatoah im Studio. Aktuell bereitet der 24-Jährige sein Debütalbum vor. Bereits seine ersten Songs und Videos jedoch zeigen: Dieser junge Kreuzberger hat was zu sagen. Als einer, der wie viele in seinem Alter sein Glück in kreativer Arbeit sucht, ist er zudem der ideale Konterpart für ein Gespräch über das, was ältere Menschen Generation Y (Why) genannt haben. Er selbst steckt mittendrin in dieser „Generation“, die all jene von uns zusammenfasst, die zwischen 1990 und 2010 Teenager waren. Folgerichtig haben wir BRKN kürzlich mit einigen Thesen konfrontiert, die selbsternannte Generationskenner uns jungen Menschen zuletzt genüsslich angedichtet haben.

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Noisey: Die Mitglieder der Generation Y waren zwischen 1990 und 2010 Teenager.
BRKN: Ich bin 91 geboren. 2000 war ich also neun Jahre alt. Teenager ist man ja mit 13, also gehöre ich definitiv zu dieser Generation.

Die Mitglieder der Generation Y wollen eine möglichst gute Ausbildung. Nach dem Abitur studieren sie meistens.
Das traf bei mir auf jeden Fall zu. Ich habe nach dem Abitur Architektur studiert, weil ich dachte, dass man erstmal etwas „Ordentliches“ lernen muss. Nach anderthalb Jahren habe ich dann bereits gemerkt, dass ich eigentlich etwas ganz anderes machen will. Das Studium habe ich dann aber trotzdem noch beendet, auch wenn es am Ende die reinste Quälerei war. Das wir gut ausgebildet sein wollen, trifft wahrscheinlich auch auf 90% der anderen Leute zu. Abi ist voll wichtig fürs spätere Leben, weil daran gemessen wird, ob und was du studieren darfst. Und davon hängen dann wiederum deine Berufe ab. Obwohl man nach dem Abi eigentlich noch ein Kind ist, hat man also mit 18, 19 Jahren schon eine krasse Verantwortung auf seinen Schultern liegen. Ein gutes Abi bedeutet für mich aber auch nicht automatisch, dass man schlau ist, sondern eher, dass man ein guter Roboter sein kann.

Die Mitglieder der Generation Y sind technologieaffin.
Ja klar. Die Generation nach uns ist da aber noch viel krasser. Als ich klein war, gab es ja nur Playstation und PC-Spiele. Wenn ich mir jetzt die Generation unter uns anschaue und vor allem meine Freunde, die Kinder haben, sind heute ja schon die Kleinsten alle mit iPads beschäftigt und sitzen den ganzen Tag vor Twitter.

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Die Eltern der Generation Y wollen in Bezug auf Technologie viel von ihren Kindern lernen.
Jeder musste seinem Vater wahrscheinlich schon mal über die Schulter gucken, während der am PC saß und nicht weiter wusste. Als sich mein Vater Facebook eingerichtet hat, musste ich ihm auch erstmal einiges erklären. Ich habe ihn aber voll lange nicht als Freund angenommen (lacht). Ich nutze Facebook mittlerweile aber eigentlich eh nur noch für Promo. Wenn ich keine Musik machen würde, hätte ich wohl gar kein Facebook mehr.

Die Mitglieder der Generation Y gehen nicht bewusst mit den sozialen Medien um, sondern nutzen sie nur zu Konsumzwecken.
Bei unbewusster oder verantwortungsloser Nutzung würde ich auf jeden Fall zustimmen. Vor allem die Generation nach uns, weil die zum Beispiel Facebook und Twitter schon angefangen hat zu nutzen, als sie diese Medien noch gar nicht wirklich durchblicken konnten. Wir waren bei MSN aber bestimmt auch nicht besser, aber das war auch weniger öffentlich. Heute achten wir, glaube ich, nicht mehr besonders darauf, welche Informationen wir in unser Handy eintippen. Wenn da steht: Ich will gerne Facebook installieren und Facebook hat Zugriff auf meine Zugangsdaten, auf meine Kamera und auf sonstige Daten, dann klicken wir in den meisten Fällen trotzdem einfach auf: Ja, einverstanden.

Dass die sozialen Medien ausschließlich zu Konsumzwecken benutzt werden, würde ich aber nicht unbedingt sagen. Im Endeffekt geht es aber natürlich immer nur um Kohle und Verdienen und Kaufen. Und darum cool zu sein und um Kim Kardashians Arsch. Alle posten irgendwelche Sachen bei Twitter und irgendwelche Selfies bei Instagram und hoffen auf sieben Milliarden Likes für ihre halbe Arschbacke. Über diese Oberflächlichkeiten habe ich vor Kurzem auch einen Song geschrieben, der auf jeden Fall auf mein Debütalbum kommt.

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Die Generation Y will Karriere und Familie miteinander vereinbaren. Wenn nicht, bleiben sie lieber kinderlos.
Früher wollte ich auf jeden Fall richtig krass reich werden (grinst). Ich will immer noch gerne Geld haben. Multimillionär muss ich aber nicht werden. Gerade bin ich in einer Phase, in der ich quasi gar kein Geld habe. Ich arbeite so viel wie nötig ist, um meine Miete zu zahlen und ansonsten mache ich Musik. Durch so eine Phase muss man aber durch, wenn man Musiker werden will. Darüber, dass ich gerade noch keine Kinder habe, bin ich auf jeden Fall froh. Wenn ich dann mal welche habe, will ich auch eine Karriere haben—um eben Geld zu haben. Keiner hat Bock darauf, ein Kind zu haben und ihm dann keinen Gameboy oder Schuhe kaufen zu können. Ein bisschen zu jobben und Mucke zu machen, das kann ich mir gerade erlauben, aber wenn ich ein Kind hätte, würde ich den ersten 40-Stunden-Job nehmen, der um die Ecke kommt, damit ich mein Kind füttern kann.

Die Generation Y ist für die Gleichberechtigung in einer Beziehung. Väter würden auch Vaterzeit für die Erziehung der Kinder beantragen und die Homo-Ehe ist auch kein Problem.
Die Leute sagen ja immer, dass man nicht weiß, wie es ist, ein Kind zu haben—bis man selbst eins kriegt. Aber wenn ich ein Kind kriegen würde, würde ich es auf jeden Fall bis auf den Tod lieben und bei meinem Arbeitgeber auf jeden Fall locker ein halbes Jahr Elternzeit beantragen. Und Homo-Ehe? Darüber brauchen wir gar nicht drüber reden. Alle sollen heiraten, wen sie wollen.

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Sie wollen dem Beruf nicht mehr alles unterordnen, sondern fordern eine Balance zwischen Beruf und Freizeit.
Ich glaube nicht, dass die Leute das früher nicht wollten. Ich will, dass mein Leben schön ist und deswegen habe ich auch gar kein Bock acht Stunden pro Tag, an etwas zu arbeiten, auf das ich keine Lust habe. Es ist ja meine Entscheidung. Ich möchte auch nicht irgendeinem Typ in den Arsch kriechen müssen, damit ich aufsteige. Musik zu machen, bedeutet ja auch selbstständig und sein eigener Chef zu sein. Anstatt von einer Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu sprechen, würde ich eher sagen: Du sollst was für dich machen. Dann ist deine Arbeit vielleicht auch Freizeit. Natürlich ist Musik machen aber manchmal auch anstrengend.

Die Mitglieder der Generation Y sind Egotaktiker, die immer versuchen so zu handeln, dass am Ende das eigene Wohlbefinden möglichst hoch ist.
Ich mache das auf jeden Fall so. Ich finde das aber auch nicht unbedingt egoistisch. Es ist einfach nur kompletter Quatsch, wenn man nicht sagt: Ich mache etwas, was mich glücklich macht. Wenn man die Entscheidung hat, muss man ja nicht irgendeinen Scheiß machen und dann ein Kack-Leben führen. Viele nutzen diese Freiheit aber auch einfach nicht genug. Die wollen dann einfach das BWL-Studium durchziehen und sich so einen guten und sicheren Job besorgen.

Die Generation Y hat nicht die notwendige Energie und Motivation, um sich einen Platz im Arbeitsmarkt dauerhaft zu sichern.
Eine 40-Stunden-Woche könnte ich wahrscheinlich nicht durchziehen. Ich arbeite gerade 20 Stunden die Woche bei einem Verlag. Zweieinhalb Tage sind voll okay, aber sobald ich den dritten oder vierten Tag hintereinander in ein Büro gehe, auf das ich eigentlich keine Lust habe, fühle ich mich so, als ob mir irgendwer die Seele rausreißen würde. Allgemein gab es aber wahrscheinlich schon immer Leute, die von irgendetwas besonders angetrieben waren und auf der anderen Seite halt faule Säue. Wahrscheinlich gibt es mehr faule als tüchtige Leute.

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Sie haben so was wie eine eingebaute Burn-Out-Sperre. Bevor es zu viel wird, hören sie auf zu arbeiten.
Das ist eine interessante Theorie. Ich würde eher sagen, dass sich viele Leute schon vor dem Studium oder ihrem Job so viel Druck und Angst machen—weil die Perspektiven oft sehr schwarz gemalt werden—, dass sie sozusagen schon einen Burn-Out haben, bevor sie eigentlich einen Burn-Out haben könnten.

Die Generation Y arbeitet lieber in flachen als in steilen Hierarchien.
Natürlich stehen die Leute mehr darauf, in einer Altbauetage zu sitzen und einen Blog zu schreiben, als sich ständig von irgendeinem Abteilungsleiter anschreien zu lassen. Es werden ja jetzt auch immer öfters diese Open Offices genutzt. Da sitzen alle in einem großen Raum, hören Musik und wenn sie mal eine Stunde nichts zu tun haben, chillen sie einfach auf Youtube. Aber selbst wenn sie dort keinen Chef haben und alle befreundet sind, muss irgendwo jemand sagen: Nee, so läuft das nicht. Irgendjemand muss halt die Vision haben, sonst macht ja jeder, wie er will, und es kommt nicht Halbes und nichts Ganzes heraus. Ich kenne das ja von mir selbst. Wenn man will, dass etwas so gemacht wird, wie man es sich vorstellt, dann muss man auf jeden Fall auch mal hart durchgreifen, sonst wird’s halt nicht so, wie man will. Ich streite mich auch manchmal mit einem Regisseur, der eine Szene anders haben will als ich.

Die Generation Y hat wenig Vertrauen in Regierungen.
Ich glaube, dass das zutrifft. Ich finde es aber auch komisch: Ständig liest man im Internet Sachen, die in der Politik falsch laufen und was für Spielchen da eigentlich gespielt werden. Gleichzeitig gehen dann trotzdem alle SPD oder so wählen. Für mich ist Politik sowieso so eine Sache für sich, zum Beispiel die Verdienstmöglichkeiten. Ich sage nicht, dass Politiker nicht gut verdienen sollen, aber wenn ein Bundespräsident nach seiner Amtszeit bis an sein Lebensende 250.000 Euro im Jahr und einen Chauffeur und einen Assistenten und ein Büro zur Seite gestellt bekommt, dann finde ich das krank und übertrieben. 250.000 Euro? Das ist kein Betrag, mit dem man gut über die Runden kommt, sondern purer Luxus. Da fängt bei mir das Misstrauen schon an.

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Die Kritik an solchen Praxen ist nicht aktiv in dem Sinne, dass eine ganz neue Gesellschaftsordnung gefordert wird, sondern sie ist eher passiv. Die Generation Y macht, was sie will, und verändert dadurch die Gesellschaft.
Passiv? Das stimmt auf jeden Fall, aber ob man dadurch wirklich die Gesellschaft verändert, weiß ich nicht. Organisierte Proteste gehen ja auf jeden Fall immer nur von ein paar wenigen Leuten aus. Die meisten drücken einfach nur auf „Gefällt mir“, wenn andere was machen. Da ist nichts Aktives dabei. Und wenn man einfach macht, was man will, und damit dann voll erfolgreich wird, muss man am Ende trotzdem brutal hohe Steuern abdrücken. Und mit diesem Geld werden dann Politiker-Limousinen gekauft. Von daher frage ich mich manchmal, ob es irgendwann knallen wird, weil die Leute irgendwann komplett die Schnauze voll haben.

Das Leben in Unsicherheit empfindet diese Generation als ganz normal.
Das Leben in finanzieller Unsicherheit auf jeden Fall. Unsicherheitsgefühle sind ja stark abhängig von Geld. Geld regiert die Welt. Aber bei dem Karriereweg, den ich gewählt habe, ist das Geld nun mal erstmal knapp. Hätte ich einen anderen Weg gewählt, dann wäre ich finanziell vielleicht mittlerweile bereits abgesichert. Vielleicht hätte ich nach dem Bachelor noch einen Master gemacht, währenddessen weiter BAföG bekommen und danach einen Job in einem Architekturbüro gemacht. Da wäre ich dann wohl auch geknechtet worden, aber hätte meine Kohle auf jeden Fall sicher gehabt.

Die Generation Y ist optimistisch.
Also ich bin nicht so optimistisch, wobei das eigentlich das falsche Wort ist. Ich erwarte halt nichts, weil Musikmachen und hohe Erwartungen haben nicht so gut zusammen passt. Ich erwarte niemals, dass ein Lied oder Video direkt der Knaller wird. Ich rechne stattdessen immer mit dem allerschlimmsten Ergebnis. Umso mehr freue ich mich über gute Resonanz, gebe mich damit dann aber auch nie zufrieden. Man darf halt nicht schlafen oder faul sein. Man muss immer am Ball bleiben.

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