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Wir haben mit Cannibal Corpse über ihren Auftritt in ‚Ace Ventura' geredet

Wie ist diese legendäre Death Metal Band eigentlich in einer Slapstick-Komödie für Kinder gelandet?

Wenn es eine Death Metal-Band gibt, die wirklich jedem ein Begriff ist, dann Cannibal Corpse. Seit ihrer Gründung 1988 haben sie 13 ultrabrutale Studioalben mit Namen wie Eaten Back to Life, Butchered At Birth und (schön schlicht auf den Punkt gebracht) Kill veröffentlicht. Über die Jahre wurden sie zur erfolgreichsten Death Metal-Band aller Zeiten. Natürlich kamen mit dem Erfolg dann auch die Kontroversen. In den USA äußerten die ehemaligen Senatoren und selbsternannten Sittenwächter Bob Dole und Joe Lieberman in ihren Kampagnenreden lauthals ihren Unmut gegenüber der fünfköpfigen Band. Dole ging sogar so weit zu behaupten, dass Cannibal Corpse mit, „sinnloser Gewalt und lieblosem Sex den nationalen Charakter der Vereinigten Staaten untergraben“—er blieb auch bei seiner Anschuldigung, nachdem ein Kampagnenhelfer zugegeben hatte, dass sich Dole noch nie ein Album der Band angehört habe. Auch in anderen Ländern, vor allem in Deutschland, wurden die Cannibal Corpse-Alben aufgrund ihrer expliziten, von Vincent Locke gestalteten Cover und Songtiteln wie „Stripped, Raped and Strangled“, „Meat Hook Sodomy“ und „Entrails Ripped From A Virgin’s Cunt“ indiziert. Bis 2006 durfte die Band hier bei Konzerten keinen Song der ersten drei Alben spielen—darunter auch „Hammer Smashed Face“. 2006 entschärfte Australien sein Verkaufsverbot für Cannibal Corpse-Alben, aber letztes Jahr noch, also 2014, schmiss Russland die Band wegen Religionsbeleidigung aus dem Land.

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Das alles macht es nur noch unglaublicher, dass Cannibal Corpse 1994 von Hollywood-Spaßvogel Jim Carrey persönlich ausgewählt wurden, um in seinem Slapstick-Blockbuster, Ace Ventura: Ein tierischer Detektiv, aufzutreten. Es stimmt schon, das war bevor die meisten der oben genannten Knallköpfe anfingen, sich über die Band herzumachen—Dole brauchte zum Beispiel noch ein ganzes Jahr, bis er merkte, wie schlimm er die Band eigentlich findet—aber es ist auch gut möglich, dass Cannibal Corpse erst durch den Film in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit gelangten. Mittlerweile dürfte so ziemlich jedes menschliche Wesen in der westlichen Welt Ace Ventura gesehen haben und auch wenn so ziemlich jeder Cannibal Corpse Artikel, der in den letzten 21 Jahren geschrieben wurde, besagten Kurzauftritt erwähnt, dachten wir uns, es wäre doch ein Gutes, der Geschichte ein komplettes Interview zu widmen. Auch wenn ihr Tourmanager ein unfreundlicher Vollidiot ist, war Cannibal Corpse Drummer und Gründungsmitglied Paul Mazurkiewicz so freundlich, sich Backstage mit uns bei einer ihrer Shows in Santa Ana, Californien, zu unterhalten.

Noisey: Wie sind Cannibal Corpse eigentlich bei Ace Ventura gelandet?
Paul Mazurkiewicz: Es war alles ziemlich bizarr. Wir lebten damals noch in Buffalo, New York. Ich glaube, Tomb of the Mutilated war gerade erschienen und plötzlich bekamen wir einen Anruf von unserem Label, Metal Blade, dass sich Leute von Jim Carrey bei ihnen gemeldet hätten und er uns gerne in diesem Film haben würde, an dem er gerade arbeitet. Das war jetzt nicht gerade die Art von Anruf, mit der man rechnet. Es hat einfach keinen Sinn ergeben, verstehst du? Aber im Endeffekt war es ein einfacher Anruf, der uns zu dem Film brachte.

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Hattet ihr das Gefühl, dass euch jemand verarschen will?
Ja, irgendwie schon. Wir waren sehr skeptisch. Jetzt mal echt, wir sind diese brutale Death Metal Band und plötzlich will uns Jim Carrey in seinem Film? Er ist ein lustiger Typ. Wir kannten ihn von In Living Color. Die Sendung habe ich damals wirklich ständig geguckt. Es war also extrem bizarr, aber wir dachten uns, wenn uns schon unser Label deswegen anruft, dann muss das ein ernst gemeintes Angebot sein. Wir machten uns dann allerdings mehr Sorgen darüber, wie wir wohl dargestellt werden würden. Sie hatten uns nicht wirklich gesagt, was sie eigentlich mit uns vorhatten, und dementsprechend wollten wir einfach sicherstellen, dass wir dort nicht als Witzband oder so auftreten. Unsere Musik und das, was wir machen, ist uns schon ernst. Es schien uns also schon eine coole Gelegenheit zu sein, aber wir wollten nicht wie ein Haufen Dumpfbacken rüberkommen oder, dass man sich über uns lustig macht. Sie sicherten uns aber zu, dass wir in dem Film einfach Cannibal Corpse sein würden. Sie würden sich nicht über uns lustig machen.

Haben sie irgendwas Bestimmtes gesagt, dass ihr es ihnen auch geglaubt habt?
Nun, ich erinnere mich noch daran, dass wir das Angebot zu allererst ablehnen mussten, weil wir schon eine Europatour für den geplanten Termin anstehen hatten, an dem sie uns für die Szene in Florida haben wollten. Die Tour stand schon seit Monaten fest und wir sind nicht die Band, die bei solchen Deals einen Rückzieher macht. Wir sagten das Angebot also ab. Nach ein paar Tagen bekamen wir aber wieder einen Anruf: „Jim Carrey will euch unbedingt! Sie werden ihren Drehplan umstellen, um euch doch noch unterzubringen.“ Das haute uns dann wirklich von den Socken. Wir hatten es hier immerhin mit einer großangelegten Filmproduktion zu tun. Jim Carrey wollte uns offensichtlich wirklich haben. Also sagten wir sofort zu. Wir waren ein paar einfache Kids aus Buffalo und es war wirklich aufregend, dass uns jemand so sehr haben wollte.

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Wie lange hat der Dreh gedauert?
Sie wollten uns für zwei Drehtage haben. Mit An- und Abreise waren es dann vier. Wir sind nach Miami geflogen, haben die nächsten beiden Tage am Set verbracht und sind dann einen Tag später wieder nach Hause geflogen. Wir haben auch einen Freund von uns mitgenommen, der gleichzeitig unser Roadie war. Vielleicht brachten wir auch unsere eigenen Gitarren rüber—ich weiß es nicht mehr genau—ich habe auf jeden Fall auf einem gemieteten Kit gespielt, dass sie da vor Ort hatten.

1993, als die Szene gedreht wurde, waren Cannibal Corpse nicht halb so berühmt wie heute. Wie ist Jim Carrey überhaupt auf euch aufmerksam geworden?
Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Ich glaube, Jim war zu Gast bei der Arsenio Hall Show. Das muss ein paar Monate, bevor sich seine Leute bei uns gemeldet haben, gewesen sein. Ich habe noch immer nicht mit eigenen Augen die Aufzeichnung der Sendung gesehen, aber anscheinend hat er dort darüber geredet, wie gut er Bands wie Carcass, Cannibal Copse und Napalm Death findet. Freunde und andere Leute, die das gesehen hatten, erzählten uns davon und wir fanden das total super—ein Hollywoodschauspieler, der total auf solche Musik abfährt. Nachdem wir dann in Miami gelandet waren, holten sie uns vom Flughafen ab und brachten uns sofort zum Set, damit wir dort Jim und den Regisseur, Tom [Shadyac], treffen konnten. Sie filmten gerade in diesem Haus, das im Film das Haus von Courtney Cox’ Charakter sein sollte. Wir waren vorher noch nie an einem Filmset gewesen und dementsprechend beeindruckt. Sie brachten uns dann rüber zu den Wohnwagen [der Schauspieler] und Jim kam in seinem Ace Ventura-Outfit auf uns zu und sagt, „Oh mein Gott! Cannibal Corpse! Es ist so toll, dass ihr hier seid!“ Dann fängt er an, Songlyrics von uns runterzurattern, und sagt, dass er gerne hätte, dass wir „Hammer Smashed Face“ spielen. Es war total abgefahren.

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Der Song war also seine Wahl? Ich hatte immer gedacht, dass ihr „Hammer Smashed Face“ gespielt habt, weil es ein neuer Song war, der langsam aber sicher zu einem Fanliebling wurde?
Ja, er hat schon speziell danach gefragt. Der Song war noch gar nicht so lange draußen, aber schien schon da total gut bei Fans anzukommen. Als wir Tomb of the Mutilated rausbrachten, war es quasi ein Instanthit. Obwohl das Lied noch recht neu war, kannte er es schon. Ich erinnere mich noch daran, dass er auch die Lyrics zu „Rancid Amputation“ aufsagte—der Song war auf dem Album davor gewesen. Er wusste also ganz genau, mit wem er es da zu tun hatte. Es war einfach surreal—wir drehten durch, weil wir auf einem Filmset mit Jim Carrey waren, und er drehte durch, weil er Cannibal Corpse traf.

Ist er jemals bei einem eurer Konzerte gewesen?
Nein. Er kannte uns ausschließlich von den Platten. Er und Tom, der Regisseur, waren supernett zu uns. Sie sagten, „Was auch immer ihr wollt, gebt einfach Bescheid.“ Wir wurden wie Könige behandelt. Es war arg.

Wie oft musstet ihr den Song beim Dreh denn spielen?
Das war noch so eine komische Geschichte. Wir waren diese „los los und wartet“-Geschichte nicht gewohnt und wir hatten vorher auch noch nie so tun müssen, als ob wir spielen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht mal ein Musikvideo gedreht. Wir standen also auf der Bühne und gaben alles, ohne dabei auch nur einen Ton von uns zu geben. Ich glaube, wir haben den Song nicht einmal von Anfang bis Ende durchgespielt. Es gab unzählige Stops und Starts, weil irgendjemand ein Geräusch gemacht hat oder so. Die spielten die Musik an und dann taten wir etwa zehn Sekunden lang so, als würden wir spielen, und dann stoppten sie wieder alles, weil es eine Dialogszene zwischen Jim und irgendeinem anderen Darsteller gab. Die ganzen Fans, die so taten, als ob sie total abgehen würden, mussten das extrem leise tun. Wir selber mussten auch sehr leise auf der Bühne sein. Man hörte also nur etwas Rumgeschlurfe, während wir so taten, als ob wir spielen, und die Fans so taten, als ob sie durchdrehen würden—Musik gab es dabei absolut keine. Es war extrem bizarr. Wir waren aber, wie gesagt, für zwei Tage da und die meiste Zeit bestand aus Rumsitzen und Warten.

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In der Fernsehversion des Films gibt es eine zusätzliche Szene mit dem Auftritt, die nicht in der Kinoversion zu sehen war. Was hatte es damit auf sich?
Ja, wir haben ein paar Extraszenen gefilmt, die es nicht in die Kinoversion geschafft haben. Als wir den Film dann im Kino gesehen haben, war es cool, uns selber auf der Leinwand zu sehen, aber wir dachten uns auch, „Alter, die haben die ganzen anderen Szenen rausgeschnitten, die wir gedreht haben!“ Als der Film dann aber zwei Jahre später im Fernsehen lief, riefen uns die Leute an, und erzählten uns von den zusätzlichen Szenen. Dabei sieht man uns etwas später im Film wieder auf der Bühne stehen, während Jim von diesen Schlägern gejagt wird. Er kommt dann zu uns hoch, tut so, als wäre er unser Sänger und springt ins Publikum. Ich erinnere mich noch, wie ich beim Dreh einfach nur versucht habe, nicht zu lachen. Diese Extraszene ist aber noch nicht mal auf der DVD zu finden—nur in der Fernsehversion. Für die Fernsehversion haben sie damals eine ganze Menge Extraszenen hinzugefügt—es ist fast ein komplett anderer Film.

Habt ihr auf dem Set viel mit Jim abgehangen?
Hier und da mal, immer nur sehr kurz. Er hatte natürlich viel mehr zu tun als wir. Aber ich erinnere mich noch daran, wie ich einmal neben ihm in der Maske saß und wir uns ein bisschen unterhalten haben. Ich weiß nicht mehr worüber—ich war bestimmt sehr nervös. Also ja, wir haben ihn auf dem Set hier und da gesehen, aber gemeinsames Abhängen im Hotel oder so gab es jetzt nicht.

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Seid ihr zur Premiere gegangen?
Nein, wir haben uns einfach Tickets gekauft und sind in Buffalo ins Kino, als der Film rauskam. Ich glaube, das war eine Spätvorstellung an einem Freitag. Wir sind aber nicht alle zusammen hin, sondern nur ein paar von uns.

Was für Auswirkungen hatte das auf eure Bekanntheit als Band?
Alter, wir haben so viele Fans dadurch bekommen! Seit der Film rausgekommen ist, habe ich bei fast jeder Show mindestens eine Person getroffen, die mir erzählt hat, dass sie uns wegen dem Film kennt. In den letzten Jahren sind das vielleicht ein paar weniger geworden, weil der Streifen jetzt ja auch schon etwas älter ist, aber im Durchschnitt wäre es wohl eine Person pro Tag. Wir hören auch von Leuten, dass sie durch Ace Ventura zum ersten Mal überhaupt Death Metal gehört haben. Wenn man darüber nachdenkt, ist das auch gar nicht so unwahrscheinlich: Du bist 11 Jahre alt, willst einen lustigen Film sehen und plötzlich siehst du da diese verrückte Band. Du denkst dir dann wahrscheinlich, „Was ist das?“ Zu der Zeit lief es für uns schon ziemlich gut—wir waren eine international erfolgreiche Band—aber durch diesen Film haben wir noch mal einen ordentlichen Anschub bekommen. Ich glaube, er hat schon einige Leute in die Welt von Death Metal gebracht, bzw. in die Welt von Cannibal Corpse.

Der Film war auch wirklich groß, als er rauskam.
Ja, es ist jetzt nicht so, dass wir in irgendeinem Flop mitgespielt hätten. So gut wie jeder Mensch auf diesem Planeten hat diesen Film gesehen. Selbst Präsident Obama hat wahrscheinlich diesen Film gesehen—er hat also auch Cannibal Corpse gesehen, ob ihm das gefällt oder nicht! Das war auch immer unser Ass im Ärmel, wenn wir uns mit normalen Leuten unterhalten haben. Wenn die immer sagten, „Cannibal Corpse? Habe ich noch nie von gehört“, antwortete ich immer, „ich wette, dass du uns gesehen hast, ohne es zu wissen. Ace Ventura ist dir ein Begriff, oder?“ Und die Antwort lautete immer, ja. Millionen von Menschen haben diesen Film gesehen und wenn du daraus ein paar Tausend Fans gewinnst, dann ist das schon eine große Sache.

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Habt ihr noch mehr Filmangebote bekommen, nachdem der Film rausgekommen war?
Die lustige Sache war, dass wir, kurz nachdem wir die Szenen für Ace Ventura gedreht hatten, aber noch bevor der Film in die Kinos gekommen war, ein Angebot für einen anderen Film bekamen. Als sie aber merkten, dass wir schon in Ace Ventura mitgespielt hatten, entschieden sie sich für eine andere Band. Bei dem Film handelte es sich um Airheads und am Ende bekamen White Zombie den Part. Airheads ist cool, aber es ist kein Ace Ventura. Er hat nicht das geschafft, was Ace Ventura hinbekommen hat.

Damals waren Cannibal Corpse noch viel umstrittener, als ihr es heute seid. Es scheint schon fast subversiv, dass ihr 1994 in einer Mainstreamkomödie für junge Teenager aufgetreten seid. Hattet ihr jemals das Gefühl, dass ihr euch da unbemerkt irgendwo reingeschmuggelt habt?
Ja, schon irgendwie. Wie ich eben schon sagte, wir sind diese Death Metal Band in einer Slapstick-Komödie. Es ergab eigentlich überhaupt keinen Sinn. Deswegen hat es auch so viele Leute umgehauen, würde ich sagen. Niemand hatte erwartet, in so einem Film eine Band wie uns zu sehen. Damals verwendeten wir auch noch eine Menge sehr umstrittenes Bildmaterial und spielten dann in einem Film, der quasi für Kinder gedacht war. Wir waren Jim sehr dankbar, dass er uns da untergebracht hat.

Im Abspann werdet ihr als „Cannibal Corpses“ angeführt. Hat da jemand einen Fehler gemacht oder gibt es dazu eine eigene Geschichte?
Ich glaube, das sollte ein Wortspiel sein im Sinne von: Die Band heißt Cannibal Corpse, also heißen die Jungs in der Band die „Cannibal Corpses“. Ich bin mir aber nicht sicher.

Weißt du, ob Jim Carrey noch immer ein Fan von euch ist?
Wir haben keine Ahnung. Wir stehen nicht miteinander in Kontakt. Wir haben auch nichts über ein paar Ecken mitbekommen. Es ist schon etwas komisch. Ich frage mich schon, ob er immer noch auf solche Musik steht, oder ob er zurückschaut und sich fragt, „Was zur Hölle habe ich mir dabei eigentlich gedacht?“

J. Bennett ist der Meinung, dass Jim Carrey seine eigene Death Metal Band starten und mit Cannibal Corpse auf Tour gehen sollte. Er ist nicht bei Twitter.

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