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Interviews

Wir haben einen Filmkomponisten gefragt, was Hans Zimmers Abkehr vom Superheldenkino bedeutet

Hans Zimmer will für Superheldenfilme keine Musik mehr machen. Wir haben einen Filmkomponisten gefragt, ob das den Untergang des Comicheldenkinos bedeutet.

Wenn du heutzutage ins Kino gehst, wirst du dich mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Comicverfilmung wiederfinden. Gefühlt jede zweite Woche werden wir in die nächste Welt hineingezogen, in der Übermenschen gegen CGI-Wesen kämpfen und dich der Bass tief in den Sitz drückt. Die Musik ist dabei immer genauso wie die Slowmotion-Szenen: Episch. Wem wir das alles mehr oder weniger zu verdanken haben? Hans Zimmer. Der hat zusammen mit Christopher Nolan und der Batman-Trilogie den Sound moderner Blockbuster maßgeblich geprägt. Seitdem steht auch musikalisch kein Stein mehr auf dem anderen. Umso überraschender die Meldung, dass Zimmer in Zukunft keine Scores mehr für Superhelden-Filme machen will.

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Wir haben mal mit dem Filmmusik-Komponisten Daniel Hoffknecht (aktuelle Filme: Schrotten! & Sex & Crime) gesprochen, ob er die Entscheidung seines Kollegen verstehen kann und ob das heißt, dass sich bald viel in Hollywood ändern wird:

Noisey: Hi Daniel! Ich habe gehört, du bist Spezialist für Hans Zimmer?
Daniel: Jein. Ich mache Filmmusik und Hans macht das auch. Aber man kommt ja an ihm nicht vorbei, wenn man das macht.

Hast du von der Meldung hört, dass er keine Superhelden-Filme mehr mit Scores versorgen will?
Ja. Lustigerweise haben wir einen Tag vorher im Studio gesessen und uns über seine Scores für Superman und Batman unterhalten. Da habe ich gesagt, dass ich mir vorstellen könnte, dass er bald mal wieder etwas anderes machen möchte, weil in der Art und Weise, wie er in Blockbuster-Musik denkt und schreibt, nichts mehr kommen kann. Ein Tag später kam [diese Meldung von BBC](http://für Superheldenfilme). Und es ist ja nicht so, dass er aufhört oder es ihm nicht gut geht. So fand ich das total schlüssig.

Pro Jahr kommen ja zurzeit an die sechs Comichelden-Filme. Was bedeutet das für Hollywood, wenn so ein großer Musikkomponist sagt, dass er kein Bock mehr auf dieses Genre hat?
Ich glaube, dass bedeutet nichts. Bei diesen Franchise-Produktionen ist das Budget ja oft ein gutes. Er ist finanziell aber sicher unabhängig. Ich glaube, den hat Geld nie interessiert, sonst hätte er nicht so viel gearbeitet. Nach Rainman hätte der auch schon sagen können: „Ich baue mir ein Haus und mach es mir schön.“ Deswegen ist das eine ganz persönliche Sache, nichts Politisches. Er hat nicht gesagt, dass er Superhelden-Filme doof findet oder die Drehbücher schlecht. Wenn man in einem Genre ganz viel macht, irgendwann zu sagen, dass man jetzt mit seinem Vokabular gefühlt an einem Punkt ist, wo einem keine neuen, einzigartigen Dinge mehr einfallen, die der Geschichte gut täten, spricht das für den Komponisten.

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Was ja eigentlich heißt, dass er keine Ideen mehr hat, wie man diese Geschichten noch neu vertonen kann, oder?
Wenn du auf die Straße gehst und Leute nach einem Film-Komponisten fragst, sagen die meisten wahrscheinlich Hans Zimmer. Der ist sehr berühmt—dafür, dass dieses Filmgewerk hinter den Kulissen stattfindet. Ich nehme an, er hat den Anspruch, immer wieder genau seine Visionen stattfinden zu lassen. Regisseure und Produzenten schätzen ihn ja dafür, wie er inhaltlich mit der Sache umgeht.

Die Leute vergessen immer: Hans hat The Amazing Spiderman 2, James Horner hat The Amazing Spiderman und Danny Elfman hat Spiderman 2 gemacht. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass drei völlig unterschiedliche, mega erfolgreiche und gute Komponisten die gleiche Filmästhetik bedient haben.

Es stehen ja noch total viele andere Leute in den Startlöchern, die auch diese Newschool des Scorings vertreten—die sehr muskulöse und fette Scores machen. Zum Beispiel Junkie XL, der hat Deadpool gemacht und Mad Max: Fury Road. Das ist auch ein bisschen diese Schule. Viele vergessen, dass Hans Zimmer auch ganz andere Sachen gemacht hat, sowas wie Besser geht's nicht. Eine seiner besten Musiken bis heute. Würde kein Mensch vermuten, dass die von ihm ist. Er sagt ja immer „Musik ist der unsichtbare Schauspieler“ und vielleicht hat er da für diese Superheldengeschichten keinen neuen, spannenden Platz mehr für diesen Schauspieler definieren können.

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Wobei sein Score für Inception auch sehr superheldig klang.
Ja, das klingt sehr fett und durchaus auch sehr breitbandig. Da haben auch alle gewusst, dass das jetzt Hans Zimmer ist. Aber die Musik für Inception ist von der Komposition her eigentlich Minimal-Musik. Zum Beispiel das Titelstück „Time“—das sind vier Akkorde, da passiert nicht viel. Wenn man mal die Produktion außer Acht lässt, könnte das Minimal sein, wie Philip Glass oder Sakamaoto. Die Denke ist keine Superhelden-Denke, sondern ein impressionistisches Bild, was man mit supergrellen Farben malt.

Hast du denn Batman V Superman schon gesehen?
Nein, du?

Ja, gestern. Und so richtig ist mir nur ein Thema im Kopf geblieben.
Und findest du schade, dass es nur eins war? Das Thema war cool, aber an sich ist man schon so von all dem Bombast abgestumpft, da wäre das schon große Kunst, wenn mehr hängenbleiben würde.
Kann mir gut vorstellen, dass Hans Zimmer neben dir im Kino sitzen könnte und sagt „Mann, mann, mann, ist das alles viel.“ Wenn wir Filmmusik machen, ist immer wieder das Thema, wie viel Musik ein Film braucht. Wenn wir viel Musik machen: Vertrauen wir den Schauspielern oder der Geschichte nicht? Oder traut der Regisseur seinen Figuren nicht, wenn er mehr Musik will? Diese ganzen Superheldenfilme sind voll von Musik. Da hast du in einem 100-Minüter 70 Minuten Musik. Dass man da eventuell irgendwann ein Schritt zurückgehen möchte, kann ich gut nachvollziehen.

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Wie findest du eigentlich das berühmte Inception-„Bawwwm“?
Das fand ich schon im Trailer eine totale Macht. Das ist auch nur eine Note. Beethoven würde schmunzeln und sagen, dass das Minimal-Musik wäre. Es wird dadurch zu einer Komposition, weil er das so extrem produziert hat, dass dich das so aus dem Kino weghaut. Er hat elf Jahre an den drei Batman-Filmen gesessen. Das ist eine Stecke, in der die diese Baustelle komplett definiert haben: Wir wollen fetter klingen, plastischer und Bässe produzieren, die andere noch nicht gehört haben.

So gesehen hat Zimmer die Vorgaben gemacht, wie das moderne Blockbuster-Kino zu klingen hat.
Voll, und dabei steht er total auf Morricone und John Williams.

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