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Interviews

Seht das neue Video von Only Crime und erfahrt, was Russ Rankin über Punk zu sagen hat

Legende Russ Rankin erzählt uns, wie eklig betrunkene Altpunker bei Konzerten sind und was Buddhismus mit Punk zu tun.

Only Crime haben für ihr neues Album Pursuance gerade mal sechs Jahre gebraucht. Das liegt aber nicht daran, dass sie senil sind und ständig alles vergessen, wie sich selbst auch—zumindest behaupten sie das. Warum das alles so lange gedauert hat, wie eklig betrunkene Altpunker bei Konzerten sind und was Buddhismus mit Punk zu tun, hat uns die Legende Russ Rankin erzählt. Im Juli kommen Only Crime völlig nüchtern dann auf Tour nach Deutschland und bemitleiden die versoffenen Wracks in anderen Bands.

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Noisey: Hi Russ, rufe ich dich gerade zuhause an?
Russ: Ja. Hier ist es erst halb 8 Uhr früh. Ich muss jetzt dann gleich zur Arbeit.

Was arbeitest du denn?
Ich arbeite für Apple. Ich repariere iPads und iPhones.

Ich habe vor kurzem deinen Kumpel Aaron von Bane interviewt. Er hat mir erzählt, dass sie jetzt aufhören, weil sie einfach zu verdammt alt sind.
Hahaha. Ja, das passt.

Geht’s dir auch manchmal so?
Ja. Die ganze Zeit.

Aber ihr werdet nicht aufhören?
Anscheinend nicht. Haha. Ich kann das Gefühl schon gut nachvollziehen. Wenn du 40 wirst, verändert sich echt viel. Punk lebt klar von jugendlicher Energie und Anti-Haltung. Manchmal ist das krass schwierig, das noch rüberzubringen, auch wenn du es immer noch ernst meinst. Ich verlasse mich da auf meine Freunde, dass sie mir irgendwann sagen, „Hey Mann, du bist zu alt für den Scheiß! Du machst dich lächerlich.“ Aber bislang hat keiner was gesagt, also machen wir weiter.

Aber für eure neueste Platte habt ihr schon Opa-Tempo hingelegt. Wie lief das ab?
Ja, es hat wirklich ewig gedauert! Wir haben also sehr viel Geduld gebraucht. Wir mussten uns sehr lange auf das Endergebnis konzentrieren und das ist klar richtig schwierig. Immer weiter an die Sache glauben, das war hart. Wir haben 2008 angefangen, diese Songs zu schreiben. 2011 haben wir die Musik fertigschreiben. Aber immer noch nicht aufgenommen.

Was waren die Gründe dafür?
Allein das Schreiben hat ewig gedauert, weil wir alle woanders wohnen. Dann spielen wir ja auch noch in anderen Bands und müssen unserer Arbeit nachgehen, um die Miete zu zahlen. Bill [Stevenson] ist wohl am meisten beschäftigt mit Descendants. Ich arbeite ja auch viel, neben Apple noch als Regional-Scout für das Eishockey-Team Kootenay Ice und dann ist da ja noch Good Riddance. Aaron hat immer viel mit Bane zu tun. Es ist also immer krass schwer, alle zusammen zu trommeln. Wenn wir es dann mal schaffen, schließen wir uns für vier Tage in Bills Studio in Nordkalifornien ein, schreiben Songs und machen sonst nichts. Aber das geht immer nur alle paar Monate.

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Heißt die neue Platte deswegen Pursuance?
Ja, das ist einer der Gründe. Ich fand, das ist ein guter Titel dafür, dass wir das endlich geschafft haben. Um ehrlich zu sein, habe ich das Wort von einem John Coltrane-Song geklaut, aber einfach weil es gut passte.

Hast du dieses Mal auch eher politische Texte geschrieben wie sonst auch für Good Riddance?
Nein, und das soll auch so bleiben. Good Riddance ist seit dem Beginn eine politische Band. Only Crime soll kein politisches Statement ausdrücken. Die Lyrics unterstützen quasi einfach nur die Musik, die dich energisch mitreißen will. Bei Only Crime ist der textliche Inhalt immer offen für Interpretation, sehr subjektiv. Je nachdem wer gerade in welcher Stimmung einen unserer Songs hört, kann verschiedenes darin entdecken. Dafür ist Only Crime da.

Warum habt ihr euch eigentlich damals Only Crime genannt?
Wir waren in Massachusetts und haben dort unser erstes Demo aufgenommen. Keith, der damalige Bassist von Bane, hat dann den Namen vorgeschlagen. Uns hat er einfach gefallen, deswegen haben wir ihn genommen. Es ist nicht einfach, noch einen guten Namen für eine Hardcore-Band zu finden. Es gibt tausende von Bands… Außerdem soll es ja auch irgendwie catchy klingen und nicht ausgeleiert und hart nach Klischee. Only Crime klingt doch verdammt unheilbringend. Außerdem wollten wir einen knappen Namen, den jeder direkt versteht, wenn es scheiße laut ist bei einer Show. „Wer sind denn die da?“ „Only Crime!“ Es funktioniert.

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Wie habt ihr euch gegründet?
Bane und Good Riddance waren zusammen auf Tour. Aaron und ich haben uns angefreundet. Er mochte meine Art zu singen, mir gefiel sein Gitarrenspiel. Da wir damals schon beide lange in unseren Bands gespielt hatten, dachten wir uns, es wäre toll, etwas Neues zu starten, bei dem wir die Fehler von früher nicht machen würden. Außerdem, wenn du mal als Band vier oder fünf Alben veröffentlicht hast, dann kannst du nicht mehr viel Neues machen. Deine Fans erwarten etwas Bestimmtes von dir. Das ist nichts Schlechtes, aber wenn das alles ist, was du tust, dann willst du einfach mal wieder musikalisch freier sein. Wenn ich das mit Good Riddance gemacht hätte, hätten mich unsere Fans gekillt. Auf jeden Fall haben wir dann die anderen ins Boot geholt. Uns war es wichtig, eine Gruppe zusammenzubringen, in der keiner Drogen nimmt oder trinkt. Und in der jeder Vegetarier oder Veganer ist.

Also seid ihr alle Straight Edge?
Ja aber wir wollten uns als Band nicht so nennen. Wir haben einfach nur die gleiche Einstellung, was das angeht. Wir wollten als Band so weit wie möglich entfernt bleiben von einem Drogenparty-Lifestyle.

Was hättest du denn gerne anders gemacht, als du mit Good Riddance angefangen hast?
So viele Dinge … Wir hatten echt viel Glück von Anfang an und alles ist extrem schnell passiert. Ich war in vielerlei Hinsicht dafür nicht vorbereitet. Ich bereue, dass ich das nicht mehr genossen habe. Aus purer Kleinlichkeit und Angst. Machte mir ständig Sorgen. Ich fühlte mich ständig unter Druck und glaubte, ich müsse immer bessere Alben aufnehmen. Und mehr verkaufen und vor mehr Leuten spielen. Wenn wir also etwa in Dortmund gespielt haben und eine andere Band hatte mehr Tickets verkauft in der Woche davor, dann war ich unzufrieden. Und es mussten jedes Jahr mehr Zuschauer auf jeder Show sein. Habe ich geglaubt. Diese ganzen Sorgen sind aber alle nicht echt. Doch sie haben mich kontrolliert. Weißt du, du kannst das ja nicht beeinflussn. Wenn die Leute kommen, umso besser. Wenn nicht, mein Gott, das ist auch nicht so schlimm. Ich war unfähig, es zu genießen, weltweit auf Tour zu sein, ständig neue tolle Menschen kennenzulernen, weil in irgendeiner scheißkleinen Musikzeitschrift von irgendwo eine schlechte Review stand. Das kommt mir jetzt total belanglos und lächerlich vor. Hinterher bist du immer klüger. Also gibt dir eine neue Band, die Möglichkeit das noch einmal zu erleben und dann zu genießen.

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Lass uns noch mal über Straight Edge reden. Wie hast du angefangen?
Ich habe viel getrunken, als ich jünger war. Ich dachte, das muss so sein, wenn du Punkmusik machst. Es war aber wirklich nicht gut für mich. Ich habe zum Glück aufgehört. Danach entdeckte ich dann Straight Edge für mich. Das war genial. Ich konnte weiterhin meine Lieblingsmusik hören, auf Shows gehen, aber ohne Alkohol.

Werdet ihr dafür eigentlich verarscht von anderen Punk-Bands, die saufen?
Als ich aufgehört habe zu trinken, haben mich alle meine Freunde verarscht. Das passiert heute noch manchmal, dass irgendwelche Typen in unserem Alter das in Frage stellen oder eher lächerlich machen. Die fragen dann etwa, ob wir schwul sind oder eben keine echten Männer. Es passiert selten, aber es passiert. Von erwachsenen Männern.

Warst du jemals in der Versuchung, Edge zu breaken?
Nein. Weißt du, wenn du in einer Punkband spielst, dann wirst du jeden Tag daran erinnert, warum du das machst. Ich sehe jeden Tag, was ich werden könnte. Da bist du wirklich oft von wirklich hässlichen Sachen umgeben. Auf Tour oder bei Festivals sehe ich ständig Leute, die high sind oder kaputtgesoffen. Ich habe Mitleid mit denen, aber es erinnert mich auch daran, dass ich das nie werden wollte.

Was passiert denn da so auf Tour?
Da passiert wirklich viel. Aber ich will darüber nicht reden. Es ist teilweise sehr unangenehm, nüchtern zu sein, während andere um dich völlig drauf sind. Du kannst es dir vielleicht vorstellen.

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Eine ganz andere Richtung schlägt ja Noah Levin ein, der Buddhismus mit Punkrock verbindet. Über ihn gibt es auch eine Doku namens „Meditate and Destroy.“ Da ihr befreundet seid, kannst du uns erklären, wie das zusammenpasst?
Ich habe Noah in den späten 1980ern kennengelernt, kurz nachdem ich Straight Edge geworden war. Ich dachte, ich bin der Einzige in meiner Heimatstadt. Als ich aber am Junior College anfing, entdeckte ich diesen Typen, der Kreuze auf seinen Händen hatte—ich wollte ihn direkt kennenlernen, weil er wohl der einzige war, der wie ich ist. Wir sind seit damals befreundet. Frag mich nicht warum, aber er hat dann begonnen, sich für Buddhismus, Meditation und Spiritualität zu interessieren. Er reiste nach Indien und Thailand, um dort zu lernen. Darüber hat er dann ein Buch geschrieben. Ich habe selbst wenig Ahnung von Buddhismus, Noah sucht nach Klarheit und einem freien Geist. Buddhismus ist eine Alternative zu unserem vorherrschenden, immer nach mehr strebenden Denken. Punk wiederum ist eine Alternative zu unserer kapitalistischen Gesellschaft. Im Punk gehst du gegen die Masse an. Der Buddhismus macht das auch, aber auf andere Art. Der Buddhismus hilft dann quasi über die Oberflächlichkeiten, die die Popkultur unweigerlich auch im Punk mit sich bringt, hinweg.

Bist du spirituell?
Sehr sehr wenig. Ich glaube nur, dass es irgendeine höhere Macht gibt im Universum. Weiter bin ich noch nicht gekommen.

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