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Sieben österreichische Volkspoplieder, die mich im Suff zum Heulen bringen

Austropop-Lieder sind zum Heulen schön, vor allem wenn man Wein intus hat. Und Obstler.

Foto von der Autorin

Ich bin ja keine Wienerin. Gut, gut—Niederösterreich ist jetzt auch nicht mein geografischer Wurfort, aber aufgewachsen bin ich dort. Zu meiner ersten Wahlheimat verbindet mich eine sehr starke Hass-Liebe. Diese bewegt mich in unregelmäßigen Abständen—aber doch öfters im Jahr—mich dort oder alternativ irgendwo am Land volllaufen zu lassen. Die Osterzeit ist so eine Zeit, in der ich meine alte Heimat gerne besuche. Mit weißen Spritzer, ganz viel Obstler und viel zu viel Essen. Viele von uns werden mehr oder minder freiwillig aufs Land geordert. Wenn schon nicht die Heimat, dann wohnt Oma da oder der Onkel—irgendwen gibt es immer.

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Und weil es am Land nicht unheimlich viel zu machen gibt, lande ich meistens in einem kleinen Beisl, in dem immer die selben fünf Stammalkoholiker sitzen—unabhängig von der Uhrzeit. Außer den immer gleichen Menschen, gibt es an so einen Abend oder Vormittag, auch die immer gleiche Musik.

Und das man am Land besoffener ist als in der Hauptstadt, ist mittlerweile fast eine Volksweisheit. So verlasse ich das Beisl nie ohne 3,57 Promille, verlorenen Stolz und verheulten Augen. Weil die Volkspoplieder, die wir haben—Leute, die haben es in sich. Die Melodik ist so spezifisch besonders, der Duktus herzerwärmend—ich bin angesoffener Teilzeit-Fan. Außerdem wird man einfach ab den achten Spritzer emotional. Das ist nur menschlich und dessen schäme ich mich nicht. „Rearn“ ist psychisch reinigend und wahrscheinlich einer der Gründe warum es mich ab und an aufs Land zieht. Und das Essen. Und die Luft. Und die fünf Stammalkoholiker, die auch nach einem halben Jahr mit mir saufen, als wäre ich erst gestern da gewesen.

„Großvater“—STS

Geheult weil: Ich weiß es nicht. Der Opa mütterlicherseits war leider schon tot, als meine Mama mich geworfen hat. Mit meinem zweiten ostslowakischen Opa habe ich definitiv nicht diese Erinnerungen und der lebt noch. Ich glaube ich schiebe es auf die generelle Ergriffenheit die sich um drei Uhr früh kollektiv breit macht, wenn dieses Lied aus der HiFi-Anlage kommt. Unabhängig vom Alter und des Geschlechts, ist nämlich jeder ergriffen. Und singt mit. Das gemeinsame Schunkeln ist schon zum Plärren schön. Auch sind in diesem Lied so viele Österreich-Klischees verpackt, dass es nur berührend sein kann. Ich weiß nur nie ob die anderen, die mit mir heulen, tatsächlich so einen Großvater hatten oder wie ich, einfach so tun als ob. Eh, Wurscht.

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„Entschuldige i kenn di“—Peter Cornelius

Geheult weil: Ehm, da muss ich ja wohl nichts erklären. Er liebt mich (wahrscheinlich), ich liebe ihn (wahrscheinlicher). Das Leben spielt dazwischen, wir haben uns aus den Augen verloren. Aber eines Tages wird er in einem Lokal sitzen und wir werden uns wiedersehen. Und dann werde ich ihn eine halbe Minute lang anschauen und kokett sagen: „Probier ma’s jetzt hoid miteinand“. Und es wird genauso sein wie Peter Cornelius es einst 1980 vorausgesagt hat. Mit 3,57 Promille bin ich mir dessen absolut sicher und sehr traurig, dass jetzt nicht eines Tages ist.

Alternativer Heulgrund: Ich habe noch immer keine blauen Augen. Sternschnuppenwünsche sind Trug—glaubt niemandem.

„A Mensch möcht i bleibn“—Wolfgang Ambros

Geheult weil: Leute. Das ist Zeitgeist in Lied. Systemkritik geht auch ohne Rap oder Rock. Systemkritik geht auch mit Ambros. Voller Inbrunst mitzusingen, dass man ein Mensch bleiben möchte, macht sehr viel Sinn wenn man besoffen ist. Gertl, die Beislbesitzerin würde mir Recht geben. Wir haben nämlich zusammen die Theke bestiegen um zu verkünden, dass wir Menschen bleiben möchten. Danach gab es eine Lokalrunde Obstler für alle fünf Stammalkoholiker und mich. Weil ma Menschn san. OK?

„I am from Austria“—Reinhard Fendrich

Geheult weil: SPOILER: Ferková ist kein österreichischer Nachname. I am also nicht so ganz from Austria. I am nur so a bissi from Austria. So. Meine lieben Mitmigranten: Es ist eigentlich wurscht ob du Deutsch lernst oder nicht. Es ist auch wurscht ob du die Leberkäse-Ess-Kultur mitmachst oder nicht. Was niemals wurscht ist: Du bist erst integriert wenn du „I am from Austria“ in der vollen Schönheit verstehst und patriotisch mitheulst. Ist so. Nein, du musst dazu nicht nüchtern sein. Nur ganz wenige und außerwählte Österreicher verstehen die Schönheit von „I am from Austria“ nüchtern. Aber nach dem achten Spritzer hat dich das zu berühren. Ferková Ende.

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„Weus’d a Herz hast wie a Bergwerk“- Reinhard Fendrich

Geheult weil: Mir jedes Mal bewusst wird, dass ich eine Schwäche für den österreichischen Charme habe. „I steh auf di“ oder „Mei Madl“ sind der Inbegriff von herzzerreißender Romantik für mich. Außerdem, come on, Reinhard schaut echt betroffen im dazugehörigen YouTube-Video. Can you feel the love? I can feel it. Er feelt es auch. Wir alle. Ab 2:20 wird es übrigens dramatisch, die Liebe zerreißt ihn und die Melodik bringt das zum Ausdruck. Und wenn wir bei Romantik sind: Wenn ein Sepp dir mit der schönsten Weißer-Spritzer Fahne, „wüll i di“ mitsingt, dir dabei tief in die Augen schaut und anfängt mitzusingen, obwohl er vor zwei Stunden gesagt hat „Nein ich singe nicht, das ist peinlich, ich studiere auf der WU“—dann meine Damen, handelt es sich um Mitternachtsromantik. Wenn euch das passiert, müsst ihr zumindest euren Facebook-Namen hergeben. Sepp hat ihn sich dann—völlig smooth und klassisch—errungen. Übrigens Reinhard, solltest du das lesen: I wüll mit dia feiern gehen!

„Loss mi amoi no d’Sunn aufgeh sehn“—Georg Danzer

Geheult weil: Ich neige auch in Wien dazu, Niederösterreicher magnetisch anzuziehen. Die meisten meiner Wiener-Freunde sind in Wahrheit aus Niederösterreich. Uns verbindet die Hass-Liebe und der extrem komische Poscher. Ernsthaft Wissenschaft, erforscht bitte was in Lower Austria abgeht, irgendetwas stimmt da nicht. Jedenfalls hat gestern meine beste Freundin, die momentan im Ausland ist, mit Grünen Veltliner aus Krems zu dem Lied geheult. Diese Story ist so ergreifend, bezeichnend und wahr, dass dieses Lied in diesen Text muss. Außerdem—keine Austropop-Liste ohne Danzer, meine Freunde.

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7.„Fürstenfeld“—STS

Geheult weil: Okay. Es ist wirklich ur wurscht, ob man aus der Steiermark, der Slowakei oder aus Niederösterreich in die Hauptstadt emigriert. Wien macht uns allen Angst. Und ist gleichzeitig der Traumhofft man hier doch sein kleinbürgerliches Heim hinter sich zu lassen. Das Wien einfach nur ein bisschen ein größeres kleinbürgerliches Dorf ist, merkt man erst viel zu spät. STS sind die Meister der Bsuff-Ergriffenheit, und so bewegt mich der Song zumindest zum Obstler bestellen. Weil es einen schwierigen Weg an einen unbekannten, neuen Ort beschreibt. Warum ich auch Wiener dazu heulen sehe, verstehe ich nicht ganz, aber no hate. Ich plärre ja auch bei „Großvater“. STS wissen einfach wie sie Alkoholiker zum Heulen bringen. Außerdem ist der Beat fetzig. Ist er wirklich. Und ich habe jetzt Lust auf Obstler. Scheiß Pavlov!

Alternativ heule ich noch zu:

Hubert von Goisernweil ich noch immer nicht jodeln kann und er mir noch immer keinen Hochzeitsantrag gemacht hat. Come on, Hubi! Ich bin sehr bereit Fredi von Goisernová zu werden. Früher habe ich dazu geheult, weil ich trotz einem „Sehr Gut“ in Deutsch kein Wort verstanden habe.

EAV—weil sie verdammt lustig sind. „Einmal in Thailand, auf irgendeinem Island“ ist ungefähr der beste Songstart ever.

Andreas Gabalier—weil er noch immer so gemocht wird, obwohl er ein ganz schrecklicher konservativer Sexist ist. Der Strache der österreichischen Musik, bekommt viel zu viel Zuspruch—genau wie sein politisches Pedant. Und weil ich, obwohl ich das weiß, mitsinge und ihn ab 2 Promille fabelhaft, resch und fesch finde. EDIT: Diese Erkenntnis bringt mich auch nüchtern zum Heulen.

Alle anderen österrichischen langsamen Liederwenn ein Össi traurig ist, dann ist er richtig, richtig traurig. Und dann bin ich auch traurig, weil Österreicher eben nicht wegen jedem „Schaas“ traurig sind. Bevor sie nämlich traurig werden, werden Österreicher zynisch. Außerdem sind sie offensichtlich nur wegen drei Dingen musikalisch traurig: Der Liebe zur Heimat, die meistens schreckliches Heimweh verursacht. Der Liebe zu einem Verstorbenen und dann natürlich wegen der Liebe zu einer Frau. Symapthisch!

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Fredi heult auch auf Twitter: @schla_wienerin

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