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Interviews

Ein Interview mit der Texterin von Julia & Nikis „Google di – Google da“

Nach Fritz' „Thüringer Klöße“ geht gerade der nächste Volksmusik-Hype durch alle Blogs — wir haben mit der Texterin des eingängigen und sozialkritischen Songs gesprochen. XOXO, Renate.

Durch die Blogosphäre geht gerade nach Fritz und seinem „Thüringer Klöße“-Song das nächste One-Hit-Wonder aus der Welt der Volksmusik: Julia und Niki bescheren uns mit dem Track „Google di – Google da“ einen neuen Ohrwurm, der mit den unterschätzten Hitqualitäten von „Tübingen, warum bist du so hügelig“ locker mithalten kann. Allerdings werden hier auf der Metaebene sozialkritische Diskursfelder verhandelt, die vorher vermutlich eher marginal in den Paradigmen dieses Genres Einbindung fanden. Textzeilen, wie: „Hey, immer musst du lernen / load lieber Facebook down / im Chatroom kannst du twittern / nach neuen Freunden schaun‘“, halten der Generation Y den Spiegel vors Gesicht und zeigen ihr die eigene abscheuliche Fratze einer degenerierten Gesellschaft.

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Ich habe mal in meinem Telefonbuch der heißen Nummern des Musikbusiness gewühlt und bin direkt nach B wie Blanco, H wie Heino und K wie König von Mallorca bei S wie Stautner gelandet. Ihr kennt Renate Stautner nicht? Könnt ihr mir doch nicht ernsthaft erzählen? Das ist die nette Märchenomi aus dem Schlagerbiz—sie schreibt die Lyrics für die Kastelruther Spatzen, Florian Silbereisen, Stefan Mross und und und. Julia und Niki durfte sie mit ihren Schreibkünsten nun auch beglücken.

Natürlich wollte ich mich eigentlich über sie lustig machen, aber dann war sie am Telefon so menschlich und wirkte so unschuldig, dass ich mich sofort verliebt habe. Go Renate!

Hallo Frau Stautner, hier ist das VICE-Magazin wieder.
Ah, servus. Also Entschuldigung, dass ich vorhin so grantig war, ich dachte sie sind irgendein Vertreter, der mir was aufschwatzen will.

Ich rufe ja an wegen dem Kinder-Volkslied „Google Di Google Da“ – wie sind Sie eigentlich auf die Idee zum Song gekommen?
Also, ich bin ja Textdichter, nicht Texterrrr. Der Unterschied ist halt, dass Texter Waschmaschinen beschreiben und Textdichter, ja mei, die machen Liedertexte.

Interessant. Und wie sind Sie auf die Idee zu dem Song gekommen?
Ja, weil Google halt in aller Munde ist und da gab’s den Wettbewerb Grand Prix der Kinderlieder. Bei solchen Wettbewerben machen ja unendlich viele Leute mit und da muss man halt ein bissl schauen, dass man ein neues Thema kriegt. Und da ich selber Kinder habe und die da auch dauernd googlen und so, ist mir das einfach eingefallen.

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Wie schreiben Sie die Texte dann, setzen Sie sich einfach hin und dann kommt’s über sie?
Jawoll.

Und dann noch ein, zwei Gläschen Rotwein dazu?
Na, na. Ein Tassl Kaffee dazu.

Welche Aussage steckt denn hinter dem Song?
Oh Gott, wissen Sie was? Ich hab über 3.000 Veröffentlichungen auf CDs. Ich habe ja viele Lieder bei Grand Prix-Veranstaltungen und da muss man was finden, das diese Jury ein bissl aufweckt.

Ich finde, dass sich da auch ein wenig Gesellschaftskritik rauslesen lässt. Stichwort: allmächtiges Google.
Also ich sag mal eins, das hat Vor- und Nachteile. Die Jugend sagt immer, das wär toll und das ist die Zukunft, aber ich weiß nicht, ob es so gut ist so öffentlich zu sein. Ich würd‘ mich ja privat nicht da so verbinden oder was. Das ist halt g’schäftlich gesehen okay. Privat trifft man sich, trinkt ein Kaffee.

Im Refrain geht’s ja auch um Grufties, haben Sie Probleme mit denen?
Och mei, ich sag’s Ihnen. Da kann man nicht jedes Wort auf die Waage legen. Ich bin ja selbst ein Gruftie. Wenn man Liedertexte macht, dann achtet man auf den Auftakt und dann muss man schon neue Worte reinbringen. Mein Ziel war ja der Grand Prix und dass ich die Jury damit ein wenig aufwecke.

Sie sind ein Gruftie? Das verstehe ich jetzt nicht. Ziehen Sie sich auch gerne Gothic-Klamotten an?
Na, ich mein‘ die ältere Generation. Teenie versus Gruftie. Als Gegensatz.

Aaah, klar. Der Song strotzt ja nur vor Fachbegriffen. Sind Sie selbst ein richtiger Insider und auf allen Plattformen multimedial vernetzt?
Ha, mei. Wissen Sie, ich habe zu großem Glück ein Sohn und der macht’s mir.

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Im ersten Vers ist mir eine Zeile aufgefallen, die habe ich nicht so richtig verstanden: „beim Datamining Traffic, den megacoolen Ton“. Was wollen Sie uns damit sagen?
Ja, Datamining minding, Treff ähhh…

Traffic“, genau.
Ja, ich bin ja Textdichter, verstehen Sie und ich mache neue Wortschöpfungen. Das ist eigentlich auch so etwas, das mich von vielen anderen abhebt. Wir haben ja dichterische Freiheit. Ich weiß nicht, kennen Sie die Sendungen Winterwunderland, die Wettbewerbe beim ZDF?

Nein, tut mir Leid, das ist nicht so ganz mein Metier.
Ach Wurscht jetzt. Da habe ich auch mal Lieder gemacht und sehr viele Gewinne erzielt. Da habe ich zum Beispiel „Schneesternchenglück“ geschrieben.

Aha, okay.
Grad das war dann das, wie heißt’s, ein Keywort, dass die Jury das reingewählt hat und das in der ZDF-Sendung war. Solche Wortspiele mag ich dann gern.

Und wie verhält sich das mit der Zeile „im Chatroom kann man twittern“? Das geht ja eigentlich nicht, denn im Chatroom kann man chatten. Oder irre ich mich?
Joa, also bei mir geht das scho‘.

Vielleicht kennen Sie sich da besser aus. Denken Sie denn, dass sie mit diesem Lied die Zielgruppe vom Grand Prix der Kindermusik abholen konnten, oder war das nicht vielleicht ein wenig überfordernd für die etwas älteren Herrschaften?
Oh, mei. Sie stellen so komplizierte Fragen. Ich habe grad meine Katze reingelassen. Ich weiß es nicht, oh Gott, Entschuldigung.

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Wer sind eigentlich Julia und Niki? Haben Sie die beiden kennengelernt?
Ja, die habe ich dort gesehen.

Und haben Sie mit den Mädchen auch mal gesprochen? Gehen die noch zur Grundschule?
Das hab ich nicht gefragt. Wissen’s, das ist so ein Stress, wenn man da hinkommt, mit den Fernsehsendern und weiß Gott und dies und des und außerdem ist man ja immer total nervös, wie das abschneidet. [Krach im Hintergrund] Bennä, Ruhe. Mein Hund und die Katz jetzt, gä? Bennä runter. So.

Sind denn die beiden Mädchen selbst bei Facebook unterwegs und chatten den ganzen Tag mit ihren Freunden bei Stayfriends aus dem Kindergarten?
Och, das weiß ich auch net.

Freuen Sie sich denn, dass ihr Song „Google di – Google da“ gerade auf so vielen Tumblrs gerepostet wird und viele Blogs die Hype-Maschine anwerfen?
Das habe ich ja heut erscht erfahren, gä? Aber bei mir sind halt viele Lieder, wie soll ich sagen, in Facebook, äh, net in Facebook, auf Youtube und so.

Und wie finden Sie es, dass dieser Song jetzt noch mal ein wenig später Anklang gefunden hat?
Ja, eigentlich schön, weil das fühlt sich schon geil an, ehrlich g’sagt. Video des Monats wär das, hat mir jemand g‘sagt. Das ist schon toll.

Hat DJ Ötzi schon angefragt, ob er sich den Song für sein nächstes Album sichern kann?
Haha. Also ich frag den Gerry, aber da müssten wir aber die Techno-Version machen und am Text ein bissl was ändern.

Ach, den kennen Sie natürlich?
Ja, wir waren schon öfter in Fernsehsendungen zusammen. Haben Sie für den auch schon Texte geschrieben?
Nein, wissen’s, da gibt es immer feste Produzententeams und die schreiben die Lieder für den jeweiligen Interpreten.

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Aber bei Julia und Niki ist das nicht so, dass die einen festen Produzenten haben? Die sind doch eher so ein One-Hit-Wonder, oder?
Doch. Hans R. Beierlein, der ist der Produzent. Und mein Verleger Montana Media. Kennen Sie sicher.

Ähh…
Also den Beierlein muss man kennen, wenn man im Medienbereich arbeitet. Also der macht die Feste der Volksmusik mit Florian Silbereisen zum Beispiel. Immer wieder Sonntags mit Stefan Mross. Also für die schreibe ich natürlich auch alle.

Mit ihrer Arbeit können Sie also ganz gut Geld verdienen?
Ja, haha. Wenn man so erfolgreich ist wie ICH und so viel GOLDENE Platten hat und Platiiin und so viele Topinterpreten. Da fragen Sie mal den Bohlen.

Wen bedienen Sie denn noch so?
Kastelruther Spatzen, Schürzenjäger, Stefan und Stefanie…

Da sind Sie auch Textdichter?
Ja, freilich.

Ja, freilich.
Ja, mei.

Mmh.
Ich könnt’s Ihnen 3.000 aufzählen. Oder ich mach ja auch Musicals. Das können sie ja mal eingeben: www.zirkusmusical.de — das Leben ist ein Zirkus.

Ja, werde ich machen. Was können wir denn in der Zukunft von Ihnen erwarten? Ein Song über Instagram und Pinterest?
Nein, ich schreib deutsch. Meine Lieder werden zwar übersetzt, in der ganzen Welt für Siegfried und Roy…

Ich habe auf ihrer Facebook-Seite auch gelesen, dass sie sich ziemlich für deutschsprachige Musik engagieren. Woher kommt diese Neigung?
Ja, logisch. Weil ich halt deutsch schreibe. Es gibt halt eine Riesengruppe, die sind im Internet nicht so fit. Die älteren Leute, die einfach ihren Fernseher lieben und wollen und brauchen, die einfach heilfroh sind, wenn’s nicht nur so Geballer und Gekrache gibt, sondern unsere Sendungen. Gerade jetzt mit Hansi Hinterseer, wo wunderschöne Landschaften vorgestellt werden. Des lieben die halt. Diese Sendungen haben ja ganz, ganz hohe Einschaltquoten, gä? Und immer mehr setzen sie diese Sendungen ab, weil die einfach auf die jüngere Generation zielen.

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Aber das ist ja eigentlich widersprüchlich.
Ja, also total, totaler Schmarrn. Also echt hey.

Ich habe mir die Youtube-Kommentare zu dem Song von Julia und Niki durchgelesen und scheinbar sind ein paar Leute mit dem Song nicht so ganz zufrieden. Ein kleiner Auszug: „irgend ein böser mensch verdient damit geld“.
Oh naa, wissen Sie, auf Youtube verdien ich ja kein Cent.

Oder „So welche ‚Menschen‘ verdienen es nicht zu leben. Andere hungern und diese Bastarde… oh man… Bin mir sicher, dass sie aus Bayern kommen. Ein kleiner Tipp --> Inzest.
Was? Ja, oh Gott.

Sind bestimmt die Schwestern von dem Knödel-Futzi, Haus in brand stecken, gleich 3 Probleme weniger.
Das geht aber genau daneben, hey. Mein Ziel ist es ja, wenn ich Lieder mache und schreibe, dass sich die Leut‘ entspannen, dass sie sich freuen drüber. Mei, die brauchen’s sich ja nicht anhör‘n, wenn‘s ihn nicht g’fällt. Wenn Sie zum Beispiel in einem großen Bierzelt sind. Da ist Streit und Krach und die Bedienung wird angemotzt. Kaum ist dann die Musik an, dann sieht man, wie die Menschen ruhig werden, entspannt, lächeln, sich freuen, schunkeln. Wenn das so ist, dann weiß ich genau, dass ich das Richtige mach.

Kennen Sie denn den Fritz, der den Song „Thüringer Klöße“ gemacht?
Ich hab glaub ich den mal angehört irgendwie. Aber, wie g’sagt, ich mach halt so viel. Ich bin halt voll im Zirkusmusical drinnen, da gibt’s zum Beispiel ein süßes Lied, „Wuffi“ heißt das. Das sollten Sie einmal anklicken.

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Ja, mach ich. XOXO & CU, ich bin jetzt afk meine ABF. #YOLO

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