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The Fresh & Onlys hinterfragen sich selbst

Jesus wird die Fresh & Onlys richtig groß machen. Vorher muss Bassist Shayde allerdings noch seine Freundin loswerden.

Foto: Christoph Voy

Wenn du auch nur ansatzweise etwas mit dem Sound der so genannten New Garage Explosion anfangen kannst, dann weißt du: Das Epizentrum befindet sich in San Francisco. Dann kennst du sicher auch die Fresh & Onlys. Im Prinzip ist es geradezu unmöglich, die Fresh & Onlys nicht zu kennen, in Anbetracht der Tatsache, dass sie alle paar Minuten ein paar ihrer wehrlos machenden Ohrwürmer auf eine 7“-Single pressen lassen. In letzter Zeit sind die Fresh & Onlys aber etwas erwachsener geworden. Sie haben ihren Sound aufgeräumt, ihr nach eigener Ansicht (aber auch unserer) bestes Album aufgenommen und sich dazu entschlossen, weniger verschwenderisch mit ihrem Output umzugehen. Wir trafen Tim (voc, guit) und Shayde (bass) in Berlin und unterhielten uns mit ihnen über dieses Album, aber auch über wirklich wichtige Dinge wie würdevolles Altern, R’n’B für Schwule und das Recht, als Mann weinen zu dürfen.

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Noisey: Ihr kommt gerade aus Paris, habe ich gehört?
Tim: Ja, wir haben da ein bisschen Promo gemacht und ein Akustikset im Park gespielt, beobachtet von christlichen Missionaren. Sie haben für uns gebetet.

Dann steht die Albumveröffentlichung ja unter einem guten Stern. Es kann ja mit diesem religiösen Support nur nach oben gehen.
Shayde: Ja Mann, Jesus wird uns richtig groß machen.

Eigentlich braucht ihr diese Promo-Leute hier gar nicht mehr.
Tim: Ja, wir geben uns einfach als Christen aus und schon haben wir ein paar Millionen Fans.

Entweder so oder ihr sprecht ein schwules Publikum an. Beides todsichere Karrieremöglichkeiten.
Tim: Soll ich dir was sagen? Ich habe darüber nachgedacht. Wir hatten diese Idee, ich bin mir aber nicht sicher, ob ich sie dir verraten kann. Naja, vielleicht doch. Also unter uns: Wir wollen mit einem Freund ein old school R’n’B-Album voller schwuler Lovesongs aufnehmen. Unser schwuler Freund ist ein grandioser Sänger.

Habt ihr mitbekommen, dass sich Frank Ocean geouted hat?
Beide: Auf gar keinen Fall, ehrlich?
Tim: Scheiße, wir sind zu spät. (Gelächter) Das ist verrückt. Das ist bestimmt passiert als wir in Paris waren. Wir verstehen die Sprache nicht. Na dann her mit der nächsten Idee.

Ich glaube, der Markt ist groß genug für zwei schwule R’n’B-Acts.
Tim: Naja, aber jetzt sieht es ja so aus als ob wir ihn biten würden.
Shayde: Wer will schon Frank Ocean biten? (Gelächter)

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Wisst ihr eigentlich auswendig, wie viele Veröffentlichungen ihr insgesamt draußen habt?
Beide: Keine Ahnung.
Shayde: Ich hab mal versucht zu zählen, aber keine Ahnung.
Tim: Ist doch bescheuert zu zählen. … Also drei Alben, zwei EPs … das sind schon mal fünf. Dann die Single auf Chuffed, (Shayde hilft mit) Dirty Knobby, Hell, Yes!, Plastic Spoons, Hozac, Woodsist, Captured Tracks …
Shayde: Na so ungefähr 15.

Habt ihr ein Archiv?
Tim: Ich habe eine Copy von jedem Release.
Shayde: Dazu kommen ja noch Releases auf Kassette, Compilation-Beiträge und so weiter.

Wie kam es eigentlich zu dieser Releaseflut in so kurzer Zeit?
Shayde: Als es damals losging, gab es einfach viele Leute, die unsere Musik rausbringen wollten. Also haben wir zu allem ja gesagt. Wir hatten ja nicht vor, die neue coole Band zu werden. Tatsächlich dachten wir, dass niemals jemand dieses Zeug hören wird, das wir aufnahmen. Ich bereue nicht, dass wir so viel Zeug rausgebracht haben, ich wünschte nur, wir wären die ganze Sache etwas fokussierter angegangen.
Tim: Ich stand immer auf den Gedanken, meine Musik auf Platten hören zu können. Aber diese Idee, Releases in extra kleinen Stückzahlen rauszubringen, dieses Hinterherjagen nach out of print-Veröffentlichungen, das ist schon idiotisch. Das ist so als würdest du deine Musik so wenigen Leuten wie möglich zugänglich machen wollen. Aber eine andere Seite von mir steht total auf all diese weirden Releases, auf einseitige 7inches, auf Flexi Discs und so weiter. Die meisten Leute hören ja Musik ganz anders heutzutage, sie kaufen keine Platten mehr. Also ist es schon ok. Ich bin echt froh, all diese kleinen Sachen rausbringen zu können. Irgendwann kann ich mich hinsetzen und mir all diese Sachen anhören. Das ist dann so wie: ‚Kannst du dich an die Zeit damals erinnern?!’ Es ist schon cool, deine Arbeit auf diese Weise archivieren zu können.
Shayde: Für mich repräsentiert es die erste Phase der Band. Ich stehe sehr auf Bands wie The Grifters, Guided by Voices und die haben ja am Anfang auch ohne Ende Zeug rausgehauen. Als ich begann, in den 90ern Platten zu kaufen, gehörte das für viele Bands einfach dazu. Es ging auch darum, nicht zu zurückhaltend mit seinem Output zu sein. Und so ähnlich war das bei uns auch.

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Ich vermute mal, dass ihr nun nicht mehr so spontan veröffentlicht werdet, da ihr auch von einfachen Bedroom-Recordings bei Tim zu Studioproduktionen übergegangen seid?
Tim: Ja, wir haben aufgehört, so viel zu machen. Wir produzieren unsere Demos auch nicht mehr so aus wie früher, weil sie letztendlich nicht veröffentlicht werden. Wir wissen jetzt, dass wir ein Album im Studio aufnehmen können und dass uns das auch Spaß macht, also geben wir uns bei den Demos nicht mehr so viel Mühe, sondern konzentrieren uns auf die Studioarbeit. Aber trotzdem gibt es ja noch die Home-Recordings, wir schreiben ja ständig.
Shayde: Play it Strange war unsere erste Platte, die wir in einem Studio aufnahmen. Wir haben sie mit unserem damaligen Wissen und unseren damaligen Möglichkeiten aufgenommen und hinterher dachten wir uns: ‚Das ist einfach noch nicht gut genug.’ Wenn du dir unsere Releases anschaust, dann ist da eine konstante Steigerung. Bei Play it Strange war es so, dass wir feststellten: Wenn wir so weitermachen, dann werden wir uns nicht steigern. Und sowas hasse ich, dann kannst du auch gleich aufhören, Musik zu machen.
Tim: Ich denke, wenn wir beginnen stehenzubleiben, wenn die Songs nicht mehr gut genug sind, dann merken wir das auch. Ich hab schon viele Bands beobachtet. Nimm nur The Pharcyde, die HipHop-Crew. Das erste Album war großartig. Die meisten Künstler erreichen den Höhepunkt dann mit dem zweiten oder dritten Album. Das zweite Pharcyde-Album versuchte noch das Level des ersten zu halten und alles was danach kam, ohne sie dissen zu wollen oder so, aber alles, was danach kam, war erbärmliche Scheiße.

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Hast du dich schon mal mit deutschem Rap beschäftigt?
Tim: Nein, noch nie. Ich hab mal ein bisschen ungarischen und russischen HipHop gehört. Ich war mal auf Klassenfahrt in Ungarn und hab mir da ein Tape gekauft. Das war ganz interessant, aber nichts kommt an klassischen amerikanischen HipHop ran.

Was sind deine Top3-Rap-Alben?
Tim: Die ändern sich fast täglich. Heute würde ich sagen: Black Sheep – Wolf in Sheep’s Clothing, Ice Cube – America’s Most Wanted, GZA – Liquid Swords. Aber ich hab mindestens eine Top20, von der jede auch eine Top3 sein könnte.
Shayde: Noch mal zurück zum Thema auf einem Level Stehenbleiben. Es gibt ja auch Gegenbeispiele. Nimm nur PJ Harvey. Ich war nie ein großer Fan, aber ihr letztes Album bläst einfach alles um, was sie vorher gemacht hat. Aber die meisten Künstler und Bands kriegen so eine Entwicklung nicht hin, sie wissen nicht, wie man in Würde altert.

Habt ihr einen Plan, wie ihr in Würde altern werdet?
Tim: Ich denke, es geht darum, einen gut funktionierenden Filter zu haben. Wir haben beide viele Jahre in Plattenläden gearbeitet. Dort viel Musik gehört, viele junge Bands gehört. Unsere Musik baut auf der guten Musik auf, die wir in unserem Leben gehört haben. Und ich würde einfach behaupten, dass unser aller Musikgeschmack ziemlich gut ist. Ich hoffe einfach, dass wir genug gute Musik gehört haben und auch erkennen, was diese Musik gut macht. So dass wir feststellen würden, wenn wir beschissene Musik schreiben.

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Hältst du es nicht für schwierig, etwas objektiv einzuschätzen, das du selber geschrieben hast?
Tim: Nicht im Geringsten. Das ist überhaupt nicht schwierig. Vielleicht für andere, aber nicht für uns. Wir haben ja auch verschiedene Perspektiven in der Band, das macht es noch einfacher. Wenn ich Shayde etwas vorspiele, erwarte ich eine kritische Einschätzung, und sein Beitrag wird dann auch wieder von jemandem in der Band eingeschätzt und so weiter. Es passiert schon mal, dass jemandem ein Song nicht gefällt und dann wird er eben nicht gespielt.
Shayde: Es geht auch nicht nur um eine Ja/Nein-Entscheidung. Es geht auch darum zu erkennen, ob die anderen einen Enthusiasmus für einen Song entwickeln. Wenn sie einen Song aufregend finden, dann merkt man das auch, dann bekommt der Song diese Eigendynamik. Dann kommt Wymond eben sehr schnell mit einem tollen Gitarrenpart dazu, dann entwickelt sich der Rhythmus wie von selbst. Aber davon abgesehen nehmen wir einen Song auch dann auf, wenn er Scheiße ist. Nur um sicher zu gehen, dass er auch wirklich Scheiße ist. Die Tape-Maschine ist so eine Art Spiegel, wenn du etwas aufgenommen hast und dann einen Schritt zurück trittst, kannst du das Material viel besser einschätzen.
Tim: Ja, und das ist der Schlüssel zum würdevollen Altern. Zu erkennen, wenn du richtig Scheiße gebaut hast und dich selbst immer zu hinterfragen.
Shayde: Wir hatten es auch schon, dass wir etwas aufgenommen hatten und es Scheiße fanden und als wir es uns dann später noch mal anhörten …
Tim: … fanden wir es immer noch Scheiße, haha.
Shayde: Naja, so ähnlich. Aber „Waterfall“ ist ein ganz gutes Beispiel. Wymond erzählte mir mal, dass Tim am Anfang nicht so sehr an den Song glaubte.
Tim: Ich weiß nicht, ob das, was dir Wymond da erzählt hat, unbedingt der Wahrheit entspricht.

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Bitte streitet euch jetzt nicht.
Shayde: (lacht) Also was ich sagen will, manchmal hast du Ideen, die anfänglich gar nicht so gut aussehen, die sich aber mit der Zeit entwickeln.
Tim: Ja, weil du sie mit jeder Menge Alkohol beträufelst, haha.

Also magst du jetzt „Waterfall“ oder nicht?
Tim: Ich kann mich nicht erinnern, es jemals nicht gemocht zu haben. Ich fand den Song eigentlich immer ganz cool. Es ist wahrscheinlich einer der besten Songs, die wir je geschrieben haben. Ich würde den Song niemals aussortieren. Vielleicht war das einfach ein Missverständnis.

Ich muss zugeben, wenn ich im Plattenladen stand und alle zwei Wochen eine neue Single von euch gesehen habe, fragte ich mich schon, ob ihr außer dieser Band noch irgendwas anderes habt im Leben.
Shayde: Ein bisschen schon. Tim macht sehr viele verschiedene Sachen, Wymond hat auch noch ein Solo-Projekt. Ich arbeite in einem Plattenladen und habe eine Freundin. Mein Leben ist sehr erfüllt. Ich wünschte, ich würde nur Fresh & Onlys machen.

Ah verstehe, ohne die Freundin.
Shayde: Genau, scheiß auf die Freundin, haha. Außerdem trinke ich viel.

Was bietet das neue Album, was die anderen nicht bieten konnten?
Tim: Es ist mit Abstand unser bestes Album. Vielleicht sehen manche Leute das anders, aber für mich klingt es am besten und enthält einige unserer besten Songs. Für uns bedeutet es einen großen Schritt nach vorne und für unser potentielles Publikum hoffentlich auch. Klar werden manche Leute enttäuscht sein, weil es kein zusammengestückeltes LoFi-Garage-Album ist, aber das ist dann deren Problem, nicht unseres. Für uns bedeutet es, dass wir der Band näher kommen, die wir eigentlich sein sollen.
Shayde: Musikalisch ist es die Sache, von der ich am meisten überzeugt bin, verglichen mit allem, was ich vorher gemacht habe. Und es würde mich sehr wundern, wenn irgendjemand dem widersprechen würde, dass es ein wesentlich besseres Album ist als alles was wir davor rausbrachten. Um das zu behaupten, müsstest du dir die Finger in die Ohren stecken oder nicht begreifen, worum es bei uns geht. Mit dem Album sind wir so nah wie möglich an der Wahrheit. Man muss aber auch sagen: Wir haben nichts draußen, das wir nicht mögen würden. Es gibt vielleicht Songs, die man besser hätte spielen oder aufnehmen können, aber wir bereuen keine der Veröffentlichungen. Unsere Musik ist ja recht direkte Popmusik, die aber trotzdem nicht versucht, cool zu sein. Dieses Album holt das bestmögliche aus diesen Elementen raus – die Melancholie, die Ironie, es ist einfach ein sehr schönes Album.
Tim: Meiner Meinung nach schuldet man seinem Publikum Songs, die sie fühlen können, in die sie sich hineinbegeben können, bei denen sie genau wissen, was da vor sich geht. Vor einiger Zeit hätte ich meine Stimme wahrscheinlich noch hinter Reverb und Delay-Effekten versteckt. Viele Leute finden das ja auch cool, aber ich glaube, wir haben einen Punkt der Reife erreicht, an dem wir es den Leuten schuldig sind, unsere Songs zu öffnen. Und dazu gehört auch, die Instrumente im Studio so klingen zu lassen, wie sie nun mal klingen sollen. Klarheit, Artikulation, das sind wir den Leuten schuldig, und das bekommen sie jetzt. So denke ich jetzt. Früher dachte ich auch: ‚Lass mal mehr Reverb drauf packen und all den Scheiß. Lass es verrückter klingen.’

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Wie viel Prozent der Bands des Genres verstecken ihr mangelndes Songwritingtalent hinter LoFi-Produktion?
Tim: Die große Mehrheit.
Shayde: Gute Frage, ich würde nicht zustimmen, dass es die große Mehrheit ist.
Tim: Ok, bei uns zuhause in San Francisco gibt es auf alle Fälle gute Songwriter in dem Genre.
Shayde: Wenn du dir die große Bandbreite an Bands von Brooklyn bis San Francisco anguckst, dann gibt es natürlich jede Menge, die so klingen als hätte sie ihre Songs in einer Mülltonne aufgenommen. Und klar, dieser Sound, dieser Feenstaub aus Reverb macht die Songs erstmal interessant. Und klar gibt es viele Bands, die sich dahinter verstecken. Und wir wollten uns in der Hinsicht einfach nicht mehr verdächtig machen. Eine der wichtigsten unausgesprochenen Wahrheiten dieses Albums war es, die direkte und ehrlichste Version eines Songs aufzunehmen.
Tim: Es ist letztendlich eine ästhetische Entscheidung. Ich beschäftige mich tatsächlich kaum mit diesem Genre. Hab ich auch nie. Ich habe mein ganzes Leben lang Soft Rock, 70ies Rock, also die Musik meiner Eltern gehört. Und Rapmusic. Und das meiste von dem Zeug sind ja große Majorlabel-Produktionen. Ich bin in dieses LoFi-Genre irgendwie reingerutscht. Wir klangen ja auch nicht mit Absicht so beschissen. Wir konnten halt nur Zuhause mit einer beschissenen Tape-Maschine aufnehmen – da klingt man eben so. Vielleicht war es vermessen zu sagen, dass die Mehrheit keine Songs schreiben kann. Es ist nur so, dass ich mittlerweile echt abgeturnt bin, wenn ich diesen Sound höre.
Shayde: Ich mag trotzdem noch viele dieser Bands. Ich bin da etwas offener.
Tim: Mir fehlt die Ausdauer unter all den Soundschichten den eigentlichen Song zu suchen. Ich kann einen Song nur ein Mal hören und wenn ich ihn dann mag, dann höre ich mir auch den Rest an. Ich hab ne echt kurze Aufmerksamkeitsspanne. Und letztendlich ist es ja so: Die Bands, die wirklich was drauf haben, entwickeln sich weiter. Thee Oh Sees sind mittlerweile eine Art Psychedelic-Punk-Jam-Band, Sonny and the Sunsets hat gerade ein Country-Album mit Pedalsteel und diesem ganzen Kram aufgenommen, Ty Segall ist mittlerweile eine waschechte Grunge-Band und wir bewegen uns vielleicht in Richtung 70ies Softrock.
Shayde: Dieselbe Sache mit White Fence. Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich, das ist ganz cool. Aber seine Entwicklung zu sehen, war viel beeindruckender. Ich würde mir von seinem nächsten Album echt gern das verdammte Hirn rausblasen lassen. Es wird so gut. Oder die Oh Sees. Jedes Mal, wenn ich sie spielen sehe, ist sofort klar, dass sie über allem stehen. Jedes Mal überrollen sie ihr Publikum. Das ist das Aufregende daran. Die haben alle ungefähr gleich angefangen und sich dann in verschiedene Richtungen entwickelt.

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Ich würde gern über den ersten Song des Albums reden. Da geht es um den Trost, den du findest, wenn du einfach mal losheulst.
(Gelächter)

Ich wollte fragen, was dich normalerweise so zum Weinen bringt …
Shayde: Genau, warum bist du so verdammt traurig?
Tim: Ich dachte mir, das ist ein direkter, nach vorne gehender, melancholischer Popsong. Darin ist ein Sinn für Humor versteckt, den vielleicht nicht jeder erkennen wird. Vielleicht sogar ich selber nicht …

Ich finde, man kann den Song auch als Parodie auf The Smiths lesen.
Tim: Ja, das kommt schon irgendwie hin. Es war nicht als Parodie gedacht, aber ich glaube, so läuft es einfach, wenn ich etwas schreibe. Es endet als eine Referenz, die irgendein humoristisches Element begleitet.
Shayde: Ich hab manchmal das Gefühl, ich verstehe Tims Lyrics besser als er selbst. Das coole an seinen Songs ist zum einen: sie sind echt witzig. Sie haben eben diese Qualität einer Parodie. Du fragst dich, meint er das ernst? Der Chorus ist „I cry“? Aber wenn du dir die Lyrics genauer anschaust, dann fängt es das körperliche Gefühl beim Weinen ganz gut ein. Als ich es zum ersten Mal hörte, fand ich es wirklich sehr rührend, aber es ist eben auch so übertrieben, dass es schon wieder lustig ist. Genau das war es ja auch, was die Smiths so groß machte. Dass sie gleichzeitig Humor und Melancholie in einem Song verarbeiten konnten. Humor und Melancholie, das ist einfach die perfekte Mischung.
Tim: Das ist bei uns auch der Anspruch, jemandem dieses Spektrum an Emotionen zu bieten. Wir haben auch diesen Song „Garbage Collector“, da ist es genau so. Der Text ist total lächerlich, aber gleichzeitig auch sehr traurig. Andererseits sollte man ja auch Lyrics nicht erklären …

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Eigentlich wollte ich ja auch wissen, was dich zum Weinen bringt …
Tim: Haha, ich weine gar nicht. Ich tue es einfach nicht. Schwer zu erklären, aber es ist einfach nicht wahr.

Versuchst du gerade, diesem Vorurteil gerecht zu werden, dass Männer nicht weinen dürfen?
Tim: Naja, klar weine ich schon mal. Wenn ich Joanna Newsom höre, weine ich ein bisschen. Also kein Vorurteil. Aber in dem Song geht es ja eher so: „I cry, I cry, I cry, I cry …“ – das ist schon sehr exzessiv und etwas tongue in cheek. Aber vielleicht schreibe ich ja mal ein Lied, in dem es heißt: „Ich hab mir ne Träne rausgedrückt als ich Joanna Newsom hörte“. Aber dann würde ich ja nicht auf The Smiths verweisen. Trotzdem schöne Frage. Schwer zu beantworten.

Du kannst gern noch etwas darüber nachdenken.
Tim: Hm … wenn jemand stirbt, weine ich. Ich weine auch manchmal bei Werbespots im Fernsehen.

Moment mal. Weil du sentimental berührt bist?
Tim: Ja klar, sie haben da diese emotionale Musik und dann gibt es jemanden, der einer anderen Person hilft. Jemand, der einem blinden die Tür aufhält oder son Zeug – das berührt mich. Ich glaube, ich heule doch ziemlich viel, haha.

Wie sieht’s mit romantic comedies aus?
Tim: Filme? Andauernd. Vor allem bei Filmen über Sport. Baseball.

So was wie die Indianer von Cleveland?
Tim: Nein, der ist witzig. Eher Field of Dreams.

Habt ihr auf dem Flug irgendwelche guten Filme gesehen?
Tim: Yep, 21 Jump Street, der war gut. Und Chronicle.
Shayde: Chronicle ist ein guter Teenagerfilm. Ich wünschte, alle Teenmovies hätten dieses Qualitätslevel, auf dem …
Tim: Leute sterben und son Zeug.
Shayde: Genau. Hat echt Spaß gemacht, den zu gucken.
Tim: Davon abgesehen haben wir uns ein paar Pillen eingefahren und die meiste Zeit geschlafen.

Letzte Frage: Yes or No?
Tim: Yes!
Shayde: Yes!
Tim: Immer ja. Vor allem in diesem Song.

Ich kann mich leider nicht an die Lyrics erinnern.
Tim: Die gehen so: „When we lived in the water, you said you wanted fire. And so I gave you water“ … Nein, Moment … „And so I gave you fire. You kicked it in the water, because you said you loved me more. Do you believe it’s true, dear, yes or no. You said you’d let me go, do you believe, dear, yes or no. When we lived in the fire, you said you wanted water. So I gave you water, you threw it in the fire. Cause you said you loved me more.“
Shayde: Das Problem kennt wahrscheinlich fast jeder.
Tim: Deswegen wollen wir auch T-Shirts drucken lassen, auf denen nur ‚Yes or No’ steht. Ohne Bandnamen. So mit einem kleinen Kästchen, das du ankreuzen kannst. Und bei der einen Hälfte der Shirts ist ‚Yes’ angekreuzt, bei der anderen ‚No’.

Clever, so könnt ihr gleich Daten über eure Fans erheben. Habt ihr euch das bei Facebook abgeguckt?
Tim: Nein, das ist unsere Idee, wehe, du klaust sie.

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Fresh & Onlys Long Slow Dance erscheint bei Souterrain Transmissions.