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Das war 2014

Mein Musikjahr 2014: Isabella

Noisey-Autoren blicken auf das Musikjahr 2014 zurück. Heute: Isabella.

Das musikalische Jahr beginnt gleich wie das emotionale, das berufliche und das Jahr, dass für manche ein Anlass ist sich mit der Naivität eines Neugeborenes in einem Schaumbad guter Vorsätze zu suhlen: Voller Hoffnung, viel zu hohen Erwartungen und einer Walzer-geschwängerten Euphorie. Wenn Musik keine Nebensache ist, verbringt man sehr viel Zeit damit, eine Band zu finden, die einem den Puls durch den Körper jagt, als wäre sie in deine Blutbahn gestiegen und würde dort nun mit Adrenalin geimpft Fangen spielen. Best Case Scenario: Sie läuft nicht nur durch dein Blut, sondern sie landet irgendwo im metaphorischen Herz und wird so zum Soundtrack eines Lebensgefühls, dass auch Jahre später Momente auferstehen lässt. Ihr wisst schon was ich meine—Ö3 würde es vielleicht den „Soundtrack deines Sommers“ oder so was nennen.

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Ein paar pessimistische Menschen behaupten ja, dass 2014 kein gutes Jahr für Musik war. Es wurden keine ach so großartigen Alben veröffentlicht und wir haben alle noch immer dieses verdammte U2-Album irgendwo in der Matrix unserer iCloud. De facto liegt aber ein wunderbares Musikjahr hinter uns—selbst wenn man einige musikalischen Ereignisse aus der Vorjahr in die Gegenwart mitgenommen hat. Aber das ist ja auch ein Vorteil, wenn man den gregorianischen Kalender genauso wenig ernst nimmt wie die Eltern in der Pubertät. Wenn man gebeten wird Jahresrückblicke zu verfassen, fühlt man sich gleichzeitig wie in einer schlechten Fernsehshow, die am 31. Dezember im ORF läuft und auf der anderen Seite wie jemand, der Zuckerwatte erfinden hätte können: ganz nah an etwas, von dem man hofft, dass es Menschen mögen und bei dem aus einer Eisenstange in der Mitte ein Häufchen essbares Plüsch wird. Diese kindliche Faszination, die man an rosa Watte findet, konnte man auch im Jahr 2014 an Musik finden. (Sorry aber während ich das schreibe habe ich schon mein drittes Dreh und Trink intus, irgendwie lässt mich das komisch denken).

James Vincent McMorrow gibt dem Jänner einen Sinn

Mit James Vincent McMorrow und seinem Album Post Tropical beginnt die jungfräuliche Zukunft wie es ihr gebührt: ein Bon-Iver-eskes Album, das im Jänner rauskommt, kann das Jahr kaum treffender eröffnen. Nach der „besinnlichen Zeit“ (besinnlich ist Weihnachten irgendwie nur für Kinder, je älter man wird umso mehr wird das Fest der, ähm, Liebe zu der Party des Jahres, die uns zu emotionalen Vollidioten macht) fühlt man sich ein bisschen wie ein Helium-Luftballon, der für eine gute Zeit himmelhoch jauchzend in anderen Sphären herumgeflogen ist, nur damit ihm dann die Luft ausgeht und er auf einem kalten, schiachen, von Vögel angeschissenem Felsen landet. Genau für diese Zeit und diesem allgemeinen Hangover braucht man die irische Feinfühligkeit von „Verständnis-James“. Jedes Mal wenn er „I need someone to love, someone to hold“ gesungen hat, habe ich zustimmend in Richtung Boxen gesehen und ihm ganz viel Liebe geschickt. Danke James, es war so schön mit dir.

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Noisey gibt österreichischen und schweizerischen Musikfans einen Sinn

Wenn ich schon bei Nostalgie bin kann ich gleich bei einem für mich sehr wichtigen—ja, musikalischem Ereignis—weiter machen: Noisey launcht in Österreich und in der Schweiz. Klar, hier befinden wir uns auf einer kleinen Metaebene, die aber trotzdem nicht weniger mit Musik zu tun hat. Rückblickend bin ich ein bisschen mit dem Stolz und der Arroganz einer frischen Mutter erfüllt, denn hier haben so viele Autoren verdammt gute Dinge zustande gebracht. Ohne Noisey würde ich jetzt wohl ein wenig mehr in der Dunkelheit im Bezug auf Musik-Ereignisse stehen.

Österreichische Musik übertrifft sich selbst

Wie wir an anderer Stelle schon erwähnt haben, hat sich der Austro-musikalische Output dieses Jahr selbst übertroffen. Dank der Beth Edges wollte ich den Waffenschein machen und mit Tarantino irgendwas gen Himmel ballern. Monsterheart hat mir Lust auf Hasen gemacht obwohl ich seit einem guten Jahrzehnt Vegetarierin bin. Ash My Love haben mit Honeymoon Blues nicht nur eine großartige LP rausgebracht, sondern mir auch ein bisschen den Glauben an Mathematik-Professoren zurückgegeben, Dust Covered Carpet haben ein Gefühl in mir ausgelöst, das irgendwas mit der Gebärmutter meiner Mama (Bussi!) und zurückkriechen zu tun hat und eigentlich könnte ich jetzt in dem Ton weiter machen, aber um euch nicht zu langweilen, da ihr eh schon wisst wie viel nennenswertes und großartiges heuer passiert ist, bleibt mir nur noch etwas zu sagen: Amore.

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The Knife und Crystal Castles trennen sich

Denjenigen unter euch, die das Jahr genauso verteufeln wie Gastro-Menschen die Auszeichnung der Allergene, sei gesagt, dass ihr nicht alleine dasteht. Einige wirklich gute Bands haben ihren Fans das Licht der Hoffnung ausgeblasen und sich in Luft aufgelöst, so dass wir nur noch in ihrer Asche—die zum Teil ganz wunderbar ist—baden können. Die größte emotionale Ambivalenz haben bei mir The Knife ausgelöst. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht ganz normal in Bezug auf diese Band ticke. Ihre Trennung war ein kleiner Schock und ein noch kleinerer Segen zugleich. Ein wenig später gibt eine weitere Band, die ich durchaus als weitere Jugendliebe bezeichnen kann, ihre Trennung bekannt: Crystal Castles. Aber gut, in schwachen Stunden kann man ja auf Emanzen-Grimes zurückgreifen, denn ihr wisst ja, in der Not frisst der Teufel Fliegen.

Nick Talbot, Frankie Knuckles und Bobby Womack verabschieden sich. Für immer

Gerade als ich angefangen habe mit dem Tod Jason Molinas im März letzen Jahres fertig zu werden und bei „Alone With The Owl“ nicht mehr ständig zu einem Tränen-Trockenlegungs-Dings greifen muss, wird mir ein anderer Musiker genommen, der mich nach fünf Bier verstanden hat: Nick Talbot aka Gravenhurst. Eigentlich sind Künstlertode ja nichts was mich in Dramen befördert, die nach einem Psychologen verlangen, aber als ich von Gravenhursts Tod erfahren habe sind sogar mir die Tränen in der Bim ein bisschen zum Verhängnis geworden (ja, etwas peinlich, aber hey, jeder hat mal dunkle Momente). Hier halte ich besonders zwei Dinge nicht aus: erstens hat er am 21. November noch in Wien gespielt und ich habe es nicht zum Konzert geschafft (wer dort war kann mir gerne ins Gesicht reiben wie toll es war) und zweitens, verdammt, was führt ihr auf, dass ihr alle so früh Himmel oder Hölle spielt. Klar, es sind mit Frankie Knuckles, Bobby Womack und anderen dieses Jahr einige Pioniere gestorben, aber da das ja meine Jahresliste ist, bekommt Nick meine ganze Aufmerksamkeit und ja—nach diesem Satz fühle ich mich ein bisschen wie drei.

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Zwei meiner Lieblingsalben des Jahres streiten sich

Streiten macht generell nur in zwei Fällen Spaß: Zum Einen, wenn sich Menschen dazu berufen fühlen, sich gegenseitig deppert an der Billa-Kassa anzubrüllen, weil die Oma, die nur ein Packerl Milch hat, nicht vom Primarius mit einem Einkauf für einen möglichen Super-Gau vorgelassen wird und zum Anderen wenn man mit jemandem streitet, der diese Kunst auch beherrscht. Im Falle von Sun Kil Moon, genauer Mark Kozelek und The War On Drugs kann man nicht wirklich von gehobener Streitkultur sprechen. Nachdem sich Sun Kil Moon bei einem Festival vom Sound der War On Drugs bedrängt gefühlt hat, folgte ein Kindergarten-Beef jener Sorte, bei der man sich zu jedem Artikel der das thematisiert ein paar Popcorn in den grinsenden Mund schieben möchte. Nach vielen „Douches“, einem Sun Kil Moon-Song mit dem klingenden Titel „War On Drugs: Suck My Cock“ und weiteren Beiträgen aus dem Handbuch der Idiotie stellte War On Drugs-Frontman Adam Granduciel dann doch irgendwann fest, dass Benji „such a beautiful record“ ist. Andere ziehen sich E! Entertainment rein, mein Gossip-Stoff hat heuer halt zwei scheiß gute Alben rausgebracht. Jedem sein Dinginteresse, nicht? Adam hat aber Recht. Benji ist ein wunderbares Album, das einem mit seiner Direktheit beinahe Angst macht, das restlos ehrlich ist und mit Songs wie „Dogs“ oder „Ben´s My Friend“ genauso gut ein vertontes Tagebuch sein könnte. Vielleicht ist es das auch. In dem Fall bin ich aber froh, dass ich nicht Mark Kozelek bin. The War On Drugs haben mit Lost In The Dream ein vermutlich zeitloses Album herausgebracht. Ein Album, bei dem man vergisst, dass man es schon zwei Mal im Zug durchgehört hat und der Titel eh schon alles sagt. Man findet sich in einem leichten, unbeschwerten Tagtraum wieder, der durch die Dichte ihres Sounds nach und nach in eine fantastische Trance führt. Kitschig aber wahr.

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Thom Yorke und Aphex Twin machen das Internet fuchsteufelswild

Viel muss ich dazu nicht sagen, außer dass das Internet mein Lieblingsort ist, weil es sich so schön anfixen lässt und hier alle durchdrehen, wenn ein namhafter Musiker nichts weiter als ein Foto von einer Schallplatte postet. Bei Aphex Twin war es teilweise schon zu viel des Guten, aber seitdem wir uns ihr Album nun einmal in der Woche zum Duschen anhören, haben wir ihnen das auch verziehen. Von Thom Yorke allerdings bin ich etwas enttäuscht. Irgendwie ist seine Überraschungs-EP ein kleiner Schwarm an Liedern, die sich so lange aufsplittern bis nur noch eine Sardine übrig bleibt, die aus dem Netz gefallen ist und nun am Boden eines Bootes rumzuckt—ein Pixel im Kulturmeer.

Cliff Martinez hat The Knick zur Überserie gemacht

Zugegeben, von Cliff Martinez weiß man spätesten seit Solaris, dass er ein unglaubliches Gespür für die Symbiose von Bild und Ton hat. Was er aber bei der heuer erschienenen Serie The Knick aufgeführt hat, ist abseits von Gut und Böse. Ich behaupte jetzt mal ganz frech dass Soderbergh einen scheißguten Job gemacht hat, aber ohne Martinez wäre The Knick nicht diese atemberaubende, Gänsehaut verschaffende Serie, die sie ist. Somit ist sie das beste Beispiel dafür, wie wichtig der Soundtrack auch bei Serien ist. Was mich hier besonders beeindruckt ist dieser Kontrast zwischen den Szenen die im frühen 20. Jahrhundert spielen und der Synthesizer. Die sehr minimalistische elektronische Musik entzieht der Serie die Nostalgie und holt sie so irgendwie näher in die Gegenwart. Ohne den Soundtrack wäre mir bei manchen Szenen von The Knick einfach nur schlecht, so ist mir schlecht mit Gänsehaut. Shameless hat mir heuer auch kurz mit einem Song von Exitmusic den Boden unter dem Sofa weggezogen, als am Ende der vierten Staffel das hier passierte.

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Es kam viel zu viel Musik heraus, die im Rondo gehört werden musste

Das Jahr ist rückblickend doch wie ein kurzer Juckreiz vergangen: er ist da, es juckt, du juckst zurück, dann ist man an dem Punkt, an dem er kurz nachlässt, und irgendwann tut es kurz mal weh. Und dann ist es auch schon vorbei. Ja, Metaphern sind nicht mein Ding. Für musikinteressierte Menschen hat die Fortune-Kurve doch eher ein Hoch als ein unfassbares Tief gehabt (und ich sage hier bewusst „unfassbares“, denn es gab schon bessere, aber auch schlechtere Jahre). Wenn man alle erschienenen Alben irgendwann durch seinen subjektiven Filter manövriert hat, bleibt eine Art Destillations-Musik zurück. Der Scheiß also, den du dir immer wieder reinziehst wenn du aufstehst, wenn du wie ein Wildschwein zur U-Bahn läufst oder wenn du einfach nicht weißt, was du neues hören sollst. Musiker wie Flying Lotus, Damon Albarn, Todd Terje, Caribou, Angel Olsen, Shabazz Palaces, Cloud Nothings, GusGus, Royksopp und These New Puritans—um nur einige Namen zu nennen—haben das heuer zumindest für mich durchaus geschafft.

Die Vorfreude auf 2015

Die gehört durchaus noch zu 2014. Hier möchte ich euch eine Band besonders ans Herz legen: Viet Cong aus Kanada. Ihr Debut wird zwar am 15. Jänner erscheinen aber wenn man der ersten Single der Platte vertrauen kann wird auch der Rest des Albums ein Grund sein sich diesen Namen zu merken. Zwei Tage früher erscheint die neue Panda Bear von der ich auch hoffe, dass sie so gut ist wie „Boys Latin“ es verspricht. Wenn alles gut geht wird im kommenden Jahr mindestens so viel gutes Zeug rauskommen. Anyway, Cheers, Proshit Neujahr und Merry, Merry.

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