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Funeral for a Friend üben mal wieder Kritik am System

Nicht nur in Deutschland nutzen Politiker Probleme schamlos aus, um Ausländern den schwarzen Peter zuzuschieben.

Funeral for a Friend, aus einem verarmten Kaff in Wales, veröffentlichen am 23. Januar, ihrem 13. Jahr als Band, ihr siebtes Studioalbum Chapter & Verse. Wenn das mal nicht gesammelt ein Packen Unglückszahlen sind, dann weiß ich auch nicht. Die aktuelle Single aus ihrem neuen Album heißt „1%“ und wovon die handelt (falls du dir das nicht denken kannst), hat uns Sänger Matthew Davies-Kreye im Interview erzählt. Zudem hat er uns verraten, wie es sich anfühlt, in einer Band zu spielen, die gefühlte 347 Line-Up-Wechsel hinter sich hat, und was er von der englischen Hardcoreszene hält. Lasst euch also nicht lumpen, checkt euch das neue Album, und schaut euch ihr neues Video „Pencil Pusher“ an. You are the 99%!

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Noisey: Im Januar erscheint eure neue Platte Chapter & Verse. Der Song „1%“ ist die zweite Singleauskopplung. Worum geht's darin?
Matthew Davies-Kreye: Der Song handelt von der Kluft zwischen Arm und Reich, dem Abgrund, der sich aus dieser Ungleichheit auftut, sowie der Tatsache, dass politisch absolut nichts unternommen wird, um die Situation für die Armen zu verbessern. Die Armen und weniger Wohlhabenden müssen die Folgen der Wirtschaftskrise ausbaden, die von einer rücksichtslosen, reichen, geldgierigen Elite verursacht wurde, die an nichts außer sich selbst denkt. Ich finde es wichtig, diese Missstände und das Ausmaß der Ungerechtigkeit aufzuzeigen, weil es so einen dramatischen Einfluss auf die soziale Umwelt unseres Landes hat. Das Problem in Großbritannien ist zudem, dass die Situation von politischen Parteien wie der UKIP schamlos ausgenutzt wird, um Ausländern den schwarzen Peter zuzuschieben. Das wiederum beeinflusst den durchschnittlichen Arbeiter, der diese allzu einfache Begründung für die wirtschaftliche Situation nur zu gerne annimmt.

Ist das das Thema der ganzen Platte?
Es gibt ein loses Thema, aber nicht wirklich ein striktes Konzept. Die Lyrics handeln von sozialen und politischen Missständen, über die diskutiert werden muss. Aber auch Persönliches kommt zur Aussprache. Es gibt etwa einen Song („Brother“) über meinen Grossvater, den ich schon vor langer Zeit einmal geschrieben habe. Ich bin sehr froh, dass dieser Song es jetzt auf unser neues Album geschafft hat.

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Ihr wart jahrelang erfolgreich in Verträgen mit Majorlabels. Was hat euch letztendlich dazu bewegt, nur noch mit Independent Labels zu arbeiten?
Für uns war das damals die einzige Möglichkeit, über unsere eigene Arbeit die Kontrolle zu behalten. Am Ende wurde unser Verhältnis mit den großen Labels wirklich seltsam. Sie haben uns etwa vorgeschlagen, dass wir doch mal versuchen sollen, etwas mehr so auszusehen wie andere populäre Bands, die damals eben etwas mehr Erfolg als wir hatten. Darauf hatten wir aber keine Lust, also entschlossen wir uns dazu, die Welt der Majorlabels zu verlassen. Wir versuchten erst ein eigenes Label aufzuziehen, das hat aber nicht geklappt. Mit Distiller Records haben wir dann ein gutes Zuhause gefunden und die Zusammenarbeit läuft wunderbar.

Ihr seid aus Wales. Kannst du uns ein bisschen was darüber erzählen, wie es war, dort aufzuwachsen? Beeinflusst das eure Musik?
Wales und vor allem die Valleys sind ein bizarrer Mikrokosmos. Ich weiß nicht, ob es irgendeinen vergleichbaren Ort gibt. Ich selbst komme aus einer mittelgroßen Stadt namens Maesteg und ich war einer von ungefähr zwei Leuten, die Hardcore Punk gehört haben. Alle meine Freunde hörten damals nur Nu Metal. Das gefiel mir nicht. Aber Nu Metal war nicht das Schlimmste. Die meisten meiner Schulkameraden hörten beschissene Dancemusik und machten Sport. Ich war also eher ein Außenseiter. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, inwiefern mich das alles beeinflusst hat, aber ich mag meine Heimatstadt wirklich sehr. Obwohl die meisten meiner Freunde es nicht erwarten konnten, sie zu verlassen. Maesteg ist wirklich malerisch, aber wie die meisten Städte in South Wales auch sehr arm.

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Wie siehst du die momentane Entwicklung der Musikindustrie?
Heute ist es total einfach, mal schnell ein Album in seinem Schlafzimmer aufzunehmen und es dann online zu veröffentlichen. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute oder schlechte Sache ist. Viele Bands heute scheinen die „Live-spielen-und-sich-seine-Sporen-verdienen-Phase“ zu überspringen und wollen direkt ins Rampenlicht. Doch ich glaube, es ist schon wichtig, sich erst mal live selbst zu finden. Andererseits denke ich, dass sehr talentierte Musiker heute von der Plattenindustrie ignoriert werden, weil sie nicht zu der Vorstellung passen, was gerade populär ist. Gut ist das auf lange Sicht nicht. Was mich auch ein bisschen nervt, ist Autotune. Es ist schon manchmal nützlich, aber wenn du zu sehr darauf fixiert bist und damit alles bearbeitest, dann hast du danach ein total künstliches Ergebnis. Darauf habe ich keinen Bock.

Was ist denn das Krasseste, was euch jemals auf Tour passiert ist?
Es sind ein paar sehr seltsame Dinge passiert in den letzten Jahren. Aber gerade fällt mir vor allem Folgendes ein: Einmal, als wir mit Story of the Year auf US-Tour waren, drosselte unser Busfahrer an einer Kreuzung die Geschwindigkeit, um abzubiegen. Doch auf einmal hatte er das Lenkrad in der Hand. Zum Glück fuhren wir nicht schnell und es ist nichts passiert, aber wir haben uns dumm gelacht deswegen. Das erste, was uns einfiel, war ein Foto mit dem Lenkrad zu machen…bescheuert.

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Ihr hattet über die Jahre recht viele Wechsel in der Band. Ich frage mich manchmal, wie sich so etwas anfühlt.
Um ehrlich zu sein, habe ich darüber noch nie viel nachgedacht. Jeder, der uns verlassen hat, hatte seine Gründe. Meistens war das familiärer Natur. Kris und ich haben deswegen nie ans Aufhören gedacht. Wir haben uns immer so gefühlt, dass wir noch etwas zu sagen haben, noch etwas künstlerisch ausdrücken wollten, noch ein paar Missstände mehr ansprechen. Für mich war es eher immer so, als ob wir mit den neuen Mitgliedern besser würden. Damit will ich keinesfalls sagen, dass die früheren Mitglieder schlecht waren. Es entwickelte sich einfach immer besser weiter. Es hat zudem auch gedauert, bis wir genau wussten, was diese Band für uns ist und was wir von ihr wollen. Das ist es auch, was uns über die Jahre zusammengehalten hat.

Auf eurer Homepage werdet ihr als „one of the last remaining bastions of the British hardcore scene“ beschrieben. Stirbt die Szene denn ohne euch?
Die Szene ist permanent im Wandel. Sie verändert sich ständig und auch der Sound ändert sich natürlich dadurch. Viele Aspekte, die mir wichtig sind, sind immer noch ein wichtiger Bestandteil der Szene. Es gibt vor allem immer noch viele Leute, die die Sache wirklich ernst nehmen und für die es um mehr geht als nur um Fashion. Für mich war es immer mehr als das. Ich habe immer diejenigen bewundert, die die Szene dafür genutzt haben, ihre Ideen auszudrücken, ob politischer Natur oder nicht. Damit werden auch die Grenzen der Vorstellung erweitert, was eine Musikszene sein und ausdrücken kann. Es geht ja nicht nur um die Mosh Parts und wie man sich da bewegen darf und wie nicht oder darum, wie viele Moves du in den Breakdown packen kannst. Die Hardcore-Szene soll ein Ort der Gleichberechtigung sein, frei von Sexismus, Rassismus und Ungleichheit. Das ist meine Szene und dafür liebe ich sie. Mir passt es gar nicht, wenn manche elitär und engstirnig denken. Aber ich habe Vertrauen, dass die Szene größtenteils immer offen für alle und einladend sein wird.

Was ist für dich Musik?
Musik ist Ausdruck unserer Befindlichkeit.

Chapter & Verse erscheint am 23. Januar bei End Hits Rec. (Cargo Records). Holt es euch bei Amazon oder iTunes.

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