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Interviews

OK Kid supporten keine Bands, die sie nicht feiern

Nix mit indiebasierten Beats. OK Kid machen seit acht Jahren ihr eigenes Ding.

Foto: Gergana Petrova

In einem Hotel mitten in Berlin sitze ich mit den drei Jungs von OK Kid an einem großen Rundtisch. Es ist 17.30 Uhr und mein Interview ist das erste an diesem Spätnachmittag. Moritz und Jonas halten ein schäumendes Glas Bier in der Hand, Raffi hat sich für eine Vodka-Mate entschieden. Das macht wenigstens wach. Wobei auch die beiden anderen alles andere als frisch aussehen, tingelt die Band doch zurzeit von Interview zu Interview. Das Interesse an ihnen ist groß. Nach dem erfolgreichen Debütalbum 2013 und ihrem Deal mit Four Music war nicht nur ich gespannt auf die heute erscheinende Grundlos EP.

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Noisey: Diesen Sommer spielt ihr auf vielen Festivals. Dort ist die Stimmung oft ausgelassen und fröhlich, ganz im Gegensatz zu euren Songs. Keine Lust, mal einen absoluten Partytrack zu schreiben?

Jonas: Wir wollen den schmalen Grat zwischen Zuhören, was unsere Musik ja auch ein Stück voraussetzt, mit dem totalem Ausrasten und Live-Erlebnis, was wir früher auf HipHop- oder Punkrock-Shows erlebt haben, kombinieren. Auf der Tour haben wir gemerkt, dass das ganz gut geht. Wir setzen Höhepunkte, die auch mal einen kollektiven Moshpit erzeugen. Dann gibt es wieder eher Songs zum Zuhören. Wir sagen nicht: Okay, lass uns einen fetzigen Song schreiben, bei dem die Leute abgehen. Wenn, dann soll das Ausrasten aus der momentanen Emotion hervorgehen.
Moritz: Wir haben jetzt nach den letzten Konzerten mit Leuten gesprochen, auch Leuten, deren Meinung uns wichtig ist. Sie meinten alle, dass es schon so viel Energie ist, dass sie gern mal durchatmen würden. Auf dem Album wirkt das eben anders.

Eure Musik ist nachdenklich und behandelt eher ernste Themen. Inwiefern fördern persönlich erlebte Tiefschläge und Probleme euer künstlerisches Schaffen?

Jonas: Von mir als Texter kann ich sagen, dass ich vielmehr inspiriert bin, wenn’s mir nicht gut geht. Ich habe dann den Drang, etwas auszudrücken. Es kann aber sein, dass ich einen Song schreibe, der unglaublich positiv ist. Eben, um mich selbst herauszuziehen. Ich glaube, das Wichtige beim Songschreiben ist, etwas zu erleben. Wenn ich reise oder wenn ich wirklich von Sachen runtergezogen werde, werde ich inspiriert. Momentan haben wir einfach eine supergute Zeit. Es gibt nicht so viel zu beklagen wie noch bei dem ersten Album. Vielleicht ist deswegen die EP ab der Hälfte auch recht positiv geworden.
Raffi: Von meiner instrumentalen Seite kommt immer was. Nach einer gewissen Zeit raste ich einfach aus, wenn ich keine Musik mache. Das muss irgendwann raus.
Moritz: Mich inspiriert es, viel Musik zu hören oder Live-Konzerte anzusehen. Es ist total motivierend sich unterschiedlichste Mucke reinzuziehen und Bock zu bekommen, was eigenes zu schaffen.

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Hilft Musik denn wirklich beim Verarbeiten schwerer Zeiten? Jonas: Das ist so verrückt. Auf der Tour haben wir echt so heftiges Feedback bekommen von Leuten, denen unsere Musik anscheinend sehr wichtig ist. Wir haben zum ersten Mal gemerkt, was für einen wichtigen Stellenwert die Musik im Leben der Fans hat. Einige Leute meinten, dass sie keinen Sinn mehr in ihrem Leben gesehen haben und sich umbringen wollten. Durch die Musik haben sie wieder einen Sinn und Hoffnung gefunden. Zum Beispiel wusste ein magersüchtiges Mädchen nicht mehr weiter und hat dann wegen unserer Musik und der Texte angefangen ein Buch zu schreiben und ist so aus der Abwärtsspirale rausgekommen. Solche Sachen müssen wir erstmal verarbeiten. Es gibt wirklich Fans, die in unsere Musik eintauchen und für sich da ganz viel rausziehen.

Fühlst du dich als Texter durch solches Feedback in eine bestimmte Rolle gedrängt?

Jonas: Nein. Wenn es so wäre, würde ich mich dagegen wehren. Ich bin derjenige, der die „Kunst” macht und muss es eben genau so durchziehen, wie ich es für richtig halte. Ansonsten wäre es ja auch fake. Dann würde ich Musik für die Fans machen. Das machen wir nicht. Wir machen die Musik so, wie wir sie haben wollen. Trotzdem finde ich es krass, wie sehr unsere Fanszene in der Materie drin ist. Das war uns vor der Tour nicht bewusst.

Im Song „Grundlos“ singt ihr davon, glücklich im Jetzt zu leben. Wie zufrieden seid ihr mit eurer jetzigen Situation?

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Raffi: Wir sind alle ziemlich happy. Unsere Entwicklung geht ja immer in kleinen Schritten weiter voran. Wir können alles nachvollziehen. Solch ein langsames Wachstum hat etwas Gesundes. Ich glaube, wenn man von null auf hundert in die Top10 einsteigt, verliert man ein wenig den Bezug zur Realität. Da sind wir noch ganz gut geerdet. Uns macht es halt Bock, immer größere Sachen zu spielen. Wir arbeiten viel und dann zu sehen, wie es im Kleinen weitergeht, macht Spaß.

Spätestens seit dem Erfolg von Marteria, Casper und Cro experimentieren viele Bands mit Rapmusik. Was macht eure Variante aus?

Jonas: Du sagst viele Bands machen das, aber welche Band macht das, was wir machen? Wir sind kein Rapper, der mit indiebasierten Beats oder Elektronik-Instrumentals seinen eigenen Sound findet. Wir sind seit acht Jahren eine Band. Das ist ein krasser Unterschied. Ich glaube, dass wir ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Musik haben. Wir sehen uns nicht ausschließlich in der Rap-Tradition. Es ist aber auch schwer sich selbst in dieser Sache einzuordnen.
Raffi: Das ist ja auch das Gute, dass wir das nicht machen müssen. Das machen andere für uns. Wir sagen ganz bewusst, dass es uns egal ist, in welche Schublade uns Leute stecken. Sollen die halt machen. Ist nicht unsere Aufgabe.

Ihr macht euer Ding.

Jonas: Natürlich ist es so, dass gerade diese Art Deutschrap für Labels funktioniert. Alles was die besagten Künstler losgetreten haben, ist der Grund, dass Rap heute ein anderes Image hat, aber äh…. Was wollt ich jetzt sagen? (lacht)
Moritz: Viele Künstler springen eben auf den Zug auf.
Jonas: Das wollt ich sagen!
Moritz: Die packen dann Gitarren zu ihren Instrumentals oder picken sich irgendwelche Beats, aber bei uns ist es eine gewachsene Bandgeschichte. Es wächst unabhängig von dem, was sonst noch so los ist, zusammen. Wir finden immer mehr unseren Sound.

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Ihr hättet also den gleichen Sounds, wenn es Marteria und Co. nie gegeben hätte?

Jonas: Vielleicht hätten wir keinen Plattenvertrag von Four bekommen. Natürlich denken die Majorlabels: Rap ist Hype und diesen „anderen“ Rap müssen wir jetzt auch machen. Dann gibts Acts, die das pushen, denen aber die Substanz fehlt. Die eben eine Kopie der Kopie sind. Da muss man aufpassen, dass der Rap-Hype nicht nur in der Quantität funktioniert, sondern auch der Inhalt in den Vordergrund gerückt wird.

In einem Interview mit dem Splash! Mag habt ihr angegeben, dass ihr für euer Debütalbum keine dummen Promoaktionen machen wolltet. Seht ihr das jetzt ein Jahr später im Zuge der neuen EP anders?

Jonas: Klar ist es wichtig Promo zu machen und mit Leuten wie euch zu reden. Das machen wir auch gerne. Wir wollen uns bloß aussuchen, mit wem wir reden. Beim Debüt haben wir sehr darauf geachtet, in welchem Kontext wir stattfinden. Wir haben einige Sachen nicht gemacht, zum Beispiel große Künstler zu supporten oder in jede Fernsehshow zu rennen. Natürlich, wenn ein Song ein Hit wird, wird er ein Hit. Das können wir nicht kontrollieren. Zumindest achten wir aber darauf, bei den Leuten in den richtigen Hals zu kommen und mit den Medien zu reden, mit denen wir reden wollen. Die können uns auch kritisieren und uns scheiße finden. Solange sie sich wenigstens mit dem Inhalt und der Sache auseinandersetzen.

Warum wollt ihr nicht Vorbands von großen Bands sein?

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Raffi: Es waren einfach Anfragen von Bands, die wir gar nicht feiern. Klar gibts immer die eine Stimme, die sagt, dass wir dann aber vor vielen Leuten spielen könnten. Wir kamen aber wirklich zu dem Schluss: Wenn wir die Band nicht feiern, wie sollen wir die dann supporten? Was soll das für einen Sinn machen, wenn wir lauter Fans aus einem Bereich haben, den wir selber nicht wollen? Dann haben wir zwar Fans, das sind dann aber Scheiß-… halt Fans, die wir nicht wollen. Das bringt uns selber ja auch nichts.

Seht ihr Werbedeals von Musikern mit großen Konzernen kritisch?

Jonas: Ich würde niemals über jemand anderes urteilen. Wenn der das für richtig hält und mit seiner Kunst vereinbaren kann, soll er das machen. Wenn er sagt, dass er in den nächsten zwei Jahren richtig Cash verdienen will, dass jetzt seine Zeit ist und er das durchziehen will, soll er das eben machen. Da bin ich nicht der Real-Keeper und sage: Mach das nicht!
Moritz: Das ist genau der Punkt. Wenn wir ein Schnacki-Projekt wären, dann würden wir auch jeden Scheiß mitmachen. Wir sehen unsere Musik aber nun mal nur in bestimmten Kontexten. Da werden wir drauf achten, dass das passt.
Jonas: Trotzdem sind wir auch bereit uns zu öffnen und Promosachen zu machen, die uns weiterhelfen. Ohne, dass wir bei dem ganzen Rummel mitspielen müssen. Wir sind keine Avantgardisten-Nerds, die ihre Musik im kleinen Kämmerlein machen.

Vor fast genau einem Jahr erschien euer Debüt, jetzt eine EP, nächstes Jahr dann ein weiteres Album?

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Raffi: Das können wir noch gar nicht sagen. Im Kopf sind wir noch voll bei der Grundlos EP. Für uns hat das den selben Stellenwert wie das Album. Es ist nicht nur eine EP, sondern für uns gerade der Shit. Jetzt kommt erstmal ein krasser Festivalsommer und danach werden wir uns erst mit einem Album beschäftigen. Das ist aber noch ganz weit weg. Könnte sein, dass es 2015 kommt, könnte aber auch nicht sein. Wir unterhalten uns gerade wieder darüber, dass wir mal wegfahren. Wie bei der EP, wo wir zwei Wochen in London und England waren. Einfach mal woanders hin.
Moritz: Es gibt nicht den Zehn-Jahres-Plan für OK Kid.

OK Kid's Grundlos EP erscheint am 06. Juni bei Four Music (Sony Music Entertainment). Hier könnt ihr die Limited Deluxe EP, die normale EP oder den Download kaufen.

OK Kid Festival Tour
17.07.14 Kultursommer (A) Conrad Sohm
18.07.14 Rock im Dorf - Kremsmünster (A)
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