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Staiger vs das Elend der modernen Welt

K.I.Z. vs. DIE WELT—Die Angst vor dem kommenden Aufstand

Ein Artikel in DIE WELT stellte kürzlich die Frage, ob K.I.Z. mit ihrem neuen Song zum Terrorismus anstiften wollen. Zu Recht.

Oha, da ist einem nicht mehr ganz so wohl in seiner Haut, wenn er am Schluss seiner ausgewogenen Rezension die Frage stellen muss, was denn noch politische Meinung sei und was schon Anstiftung zum Terrorismus. „Hahaha, was haben wir gelacht über KIZ.—Was? Die meinen das plötzlich ernst?“ Ja, da kann einem dann schon mal das Kaviarbrötchen oder der Hipsterbrillen-Latte Macchiato im Hals stecken bleiben. Das verträgt nicht jeder.

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Zugute zu halten ist Felix Zwinschner von DIE WELT, dass er auch dann noch nach der Ironie im neuen K.I.Z.-Song „Boom Boom Boom“ sucht, wo schon längst keine mehr ist. Der Satz von den Party-Patrioten, die halt Leute vom Schlauchboot treten lassen und damit nicht besser sind als die Hakenkreuzidioten, die selber Asylantenheime anzünden gehen, ist so wahr, dass es der Felix gar nicht verstehen kann, wie man so sauer sein kann. Dabei könnte ihm ein Blick in die gestrige Ausgabe des Blatts, für das er arbeitet, durchaus die Erkenntnis liefern, dass die Ideengeber wahlweise fürs vom Schlauchboot treten, wie fürs Häuser anzünden, bei ihm auf der Etage sitzen. Dirk Schümer, forderte nämlich exakt genau das, als er in DIE WELT-Kolumne feststellte, dass Europa zu Recht eine Festung sei und das gefälligst auch zu bleiben habe. Europa als Ort des Wohlstands, des Rechts und der Sicherheit, inmitten chaotischer Zeiten, gefolgt von einem zitternden—„noch“.

Ach, wo sind die Terroristen, wenn man sie wirklich mal braucht, möchte man mit Maxim von K.I.Z. einstimmen, doch das geht dann wiederum dem Herrn Zwinschner zu weit, der immer wieder darauf hinweist, dass das Video zu „Boom Boom Boom“ doch sehr nach IS und Ku-Klux-Klan und Nazis und RAF und allem Schrecklichen zur gleichen Zeit aussehen würde. Ja, wenn sie gekonnt hätten, dann hätten KIZ bestimmt auch noch ein paar Flugzeugträger und Flächenbombardements und chirurgisch, präzise Luftschläge aus Nato-Kampffliegern mit ins Video eingebaut, um das mit der Brutalität nochmal so richtig zu verdeutlichen. War wohl finanziell nicht drin, weswegen man sich auf die Darstellung von rustikaleren Methoden beschränkt hat. Für die Vorführung klinisch reiner und auch guter Gewalt im Auftrag der Menschenrechte ist ohnehin eher N24 mit ihren Militaria-Dokumentationen zuständig—sind ja nur Bomber. Die wollen nur spielen. Die tun nix.

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Was an dieser Art der Weltsicht ärgert, ist, dass Zwinschner genau wie Schümer tatsächlich davon ausgehen, dass das, was hier passiert, einfach so und vollkommen friedlich zu haben ist. Die Festung Europa ein sanftes Lothlorien, das sich gegen blutrünstige Orks schützen muss. Der Mittelstandskapitalist, der seiner Tochter den neuen Lamborghini kauft, während er die überflüssigen Arbeitstrottel gerade auf die Straße gesetzt hat—hey normal, der macht doch nur seinen Job—dafür muss man ihm ja nicht gleich den Kopf abschneiden. Wer will angesichts von Massenarbeitslosigkeit schon von Gewalt sprechen. Felix Zwinschner ahnt es, will es aber nicht wirklich aussprechen, doch das hässliche Wort vom Klassenkampf ist zurück.

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Noch versucht er „Boom Boom Boom“ als Scherz abzutun und hofft, dass das Ganze, zwar etwas geschmacklos, auf die K.I.Z.-Party-Diktatur unterm Kalaschnikow-geschmückten Notenständer rauslaufen würde. Tut es aber nicht, genauso wenig wie der Song auch wirklich keine politische Meinungsäußerung mehr ist, die sich einfach nur damit begnügt, eine Meinung zu sein. K.I.Z. zeigen in „Boom Boom Boom“ nämlich auf, wo die Interessengegensätze verlaufen und das ist etwas, was die Herren von DIE WELT wahrscheinlich erst dann verstehen werden, wenn die alte Losung „Enteignet Springer“ in die Tat umgesetzt worden ist.

Interessengegensätze haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, sich nicht durch politische Meinungsäußerungen lösen zu lassen. Interessengegensätze gehen nämlich so: Die einen, die Geld haben und andere Leute für ihr Geld arbeiten lassen, wollen, dass du für sie und ihr Geld möglichst lang und für möglichst wenig Geld arbeitest, damit sie am Ende noch mehr Geld haben. Die anderen, die für ihr Geld arbeiten gehen müssen, wollen genau das Gegenteil. Ein Blick auf deinen Terminkalender und dein Bankkonto könnte dir darüber Aufschluss geben, auf welcher Seite du stehst und wer in dieser Frage gerade am Drücker ist. Genauso verhält es sich mit der Frage, die der gute Herr Schümer beleuchtet: Die einen, die ihren Reichtum und ihre Sicherheit und ihre Glückseligkeit aufgrund der Ausbeutung des gesamten Erdballs angehäuft haben, wollen diesen verteidigen, die anderen wollen da rein, um daran teilzuhaben und auch hier ist relativ leicht festzustellen, wer da seine Interessen gerade besser vertritt—diejenigen, die im Mittelmeer treiben sind es nicht.

In diesem Sinn ist „Boom Boom Boom“ tatsächlich mehr als ein lustiger Song mit bitterbösem Humor und auch mehr als eine einfache freie Meinungsäußerung. Es ist eine Botschaft und man muss annehmen, dass zumindest Herr Zwinschner die Botschaft durchaus gehört und verstanden hat. Trotzdem versucht er noch tapfer zu lächeln—„Hey Jungs ist doch nur Spaß, oder?“ Nö. Ist es nicht.

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