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Drakes #IfYoureReadingThisItsTooLate wirft wichtige Fragen auf

Das ist nicht nur ein Geschenk an die Fans, es ist ein politisches Inferno, mit dem Drake sich im laufenden Streit mit Cash Money auf die Seite von Lil Wayne schlägt.
Ryan Bassil
London, GB

Für HipHop-Fans war es eine gute Woche. Kendrick Lamar hat die Welt mit „The Blacker the Berry“ beglückt, der zweiten Single seines bald erscheinenden Albums; Kanyes neue Platte, auf der Sia dabei ist und zu der Vic Mensa eine epische Hook beigesteuert hat, hat gestern auf der Fashion Week Premiere gefeiert; und dann hat Drake die Musikwelt mit seiner neuen Platte beschenkt. Wenn man dem Rap-Lexikon glauben schenken darf, dann wird es heute ein großes Fest.

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Nur wenige Künstler haben genug Feuer, um das Internet in Aufruhr zu versetzen und wenn Hashtags und voreilige Meinungen ein Maßstab sind, ist eine neue Platte von Drake monumental. Schon bevor du auf den Link klickst, weißt du, dass es heiß ist. Aber #IfYoureReadingThisItsTooLate bietet mehr als fehlende Interpunktion, eine erhöhte Herzfrequenz und die sich langsam legende Aufregung beim ersten Hören.

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Die Platte—die ursprünglich als Mixtape geplant war—wurde als normales Bezahl-Album veröffentlicht. Sie sollte angeblich laut Vertrag der letzte von vier Longplayern bei Cash Money werden. Ja richtig, Cash Money; wir reden hier von dem Label des Rap-Moguls Birdman, den Lil Wayne—Drakes Mentor und Idol—auf 51 Millionen Dollar verklagt hat.

Eins ist klar: #IfYoureReadingThisItsTooLate ist nicht nur Feuer für die Fans. Es ist ein politisch motiviertes Inferno, mit dem Drake sich im laufenden Streit mit Cash Money auf die Seite von Lil Wayne schlägt, und es gibt Drake die Möglichkeit, sein nächstes Album, 6 God, aus dem Einflussbereich von Cash Money zu lösen.

Drakes sich abzeichnete Abkehr von Cash Money wird nicht nur durch die Veröffentlichung deutlich, sondern auch durch den Inhalt des Albums, da er das Label textlich unter Beschuss nimmt. Sieh dir nur diese Zeilen aus „Star 67“, „Energy“ und „No Tellin“ an:

“Brand new berretta / can’t wait to let it go / walk up in my label like where the cheque go?” “I got niggas that’ll still try fuckin’ me over / I got rap niggas that I gotta act like I like / But my actin’ days are over, fuck them niggas for life, yeah” “Please don't speak to me like I'm that Drake from four years ago / I'm at a higher place”

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2011 hat Drake Take Care veröffentlicht, sein zweites Album, und 2012 ist ein Rechtsstreit entflammt, in dem ans Licht kam, dass Cash Money Drake keinerlei Erlöse aus den Albumverkäufen weitergegeben hat, obwohl sie über 5 Millionen Exemplare verkauft haben. Vier Jahre später und als Anführer des Rap-Triumvirats, das die gegenwärtige Fehde von Lil Wayne beäugt, scheint es, als würde er sich endlich befreien. Wie es in seinem neuen Track „Now and Forever“ heißt: „It's over yeah it's over yeah I'm leaving I'm gone”.

Der Titel, #IfYoureReadingThisItsTooLate, bestärkt die Trennungstheorie. Die Platte wurde ursprünglich auf Soundcloud veröffentlicht, bevor sie dann später über iTunes verkauft wurde, sie hätte also auch #IfBirdmansReadingThisItsTooLate heißen können. Es ist wahrscheinlich, dass Birdman eine Möglichkeit gefunden hat, jeden glücklich zu machen. Wenn Drake die Soundcloud-Tracks—die ursprünglich auf Octobers Very Own erschienen und über Drakes Blogspot vebreitet wurden—als richtiges Album rausbringt, verdient Cash Money Geld damit und Drake könnte aus seinem Vertrag raus. So einfach hat Birdman in seiner ganzen Karriere noch kein Geld verdient und das mit kaum Werbung, Radio-Airplay oder Marketing—er hat nur den Profit, aber keine Arbeit. Auch wenn ihn gerade Unmengen an Leute dissen, hat Birdman den gestrigen Abend damit verbracht, in Geld zu baden. Das ist viel deeper als Rap.

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IfYoureReadingThisItsTooLate kam mit einem handgeschriebenen Dankesbrief. Die Liste beinhaltet: Skepta, die Toronto Raptors, Riff Raff, Madonna, Genuwine, Travis Scott, Chief Keef, Freunde und ein Studio.

Allerdings stehen in der Liste weder Birdman noch Cash Money.

Aber lassen wir das Geschäftliche mal außen vor, die Platte festigt Drakes Position als lebendes Meme und geistigen Führer der Millenials. Während andere Rapper durch ihren Reichtum abgehoben und weltfremd werden, bleibt Drake mit einem weltweiten Publikum in Verbindung. Nike FuelBands, Uber, Frauen, „die nach dem WLAN-Passwort fragen, damit sie über ihre Timeline sprechen können“—mit jeder Referenz distanziert Drake sich weiter von den alten Formen des Rap; etwas, das er schon seit Beginn seiner Karriere macht.

„Preach“, bei dem PARTYNEXTDOOR dabei ist, ist im Einklang mit den Shooting-Stars von 2014—Makonnen, Rich Homie Quan, Young Thug—mit Gesang mit viel Vocoder und undurchsichtigen Violett-Tönen. Die Instrumental-Parts am Ende von „Legend“, „Now and Forever“ und „Company“ klingen wie die Art von Computer-orientierter Musik, die Soundcloud in den letzten paar Jahren überschwemmt hat; eine Mischung aus Jersey Club, trappenden Beats und PC Music.

An anderen Stellen siehst du, wie Drake sich regelmäßig als einen der führenden Rap-Künstler positioniert und es ist der letzte Track der Platte „6PM in New York“—ein Nachfolger von „5Am in Toronto“ und 9AM und Dallas“—der das stabilste Fundament für Drakes Anspruch bildet. Im Track finden sich folgende Lyrics:

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“The game is all mine and I'm mighty possessive / Lil Wayne could not have found him a better successor”

“I wanna prove that I'm number one over all these niggas / Bein' number two is just being the first to lose”

“Yeah, boy you rappin' like you seen it all / You rappin' like the throne should be the three of y’all”

Die Erwähnung von The Throne, dem gemeinsamen Projekt von Kanye West und Jay Z, impliziert, dass Drake sich nicht nur auf gleicher Stufe mit Lil Wayne sieht, sondern als den Imperator des Rap. An anderer Stelle findet man in dem Track aber auch scharfe Kritik am Geschäft. Tyga—der Drake in einem Interview gedisst hat–wird mit den Zeilen „I heard a lil lil homie talking reckless in Vibe / Quite a platform you chose, you shoulda kept it inside / Oh you tried, it's so childish calling my name on the world stage / You need to act your age and not your girl's age” abgestraft. Anschließend bekommen Rapper ihr Fett weg, die das Rampenlicht suchen („call the paparazzi to come and get ‚em”). Und Drake lässt sich über die Nutzung von Social Media im Zusammenhang mit Promi-Klatsch und Ferguson aus, indem er sagt, alles, was die Leute machen würden, ist, darüber zu twittern und RIP zu schreiben, um vier Wochen später „nicht mal mehr darüber sprechen“. Abschließend begegnet er den Anschuldigungen, dass seine Musik „seit Kurzem so aggressiv geworden ist“ nachdem er „0-100“ veröffentlicht hat. Der Track ist im Prinzip das Äquivalent zu „Tuscan Leather“ auf Nothing Was The Same oder „Over My Dead Body“ auf Take Care—Tracks, in denen Drake seine eigene Karriere bewertet und sich selbst bekräftigt.

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IfYoureReadingThisItsTooLate gleicht der Veröffentlichung von „5am in Toronto“, „The Motion“, „Girls Love Beyonce“, „Jodeci Freestyle“, „Versace“ und „Over Here“ vor Nothing Was The Same. Es befördert Drake wieder ins Rampenlicht—als Zeitpunkt hat er interessanterweise den gleichen gewählt wie P Diddy für den Live-Stream seines Konzerts auf Revolt TV, was die persönliche Fehde der beiden nach dem Zusammenstoß in einem Club in Miami weiter befeuert—und gibt den Fans die Chance, sich an einem Büffet aus neuem Material zu laben. So funktioniert Rap 2015. Die Tage von Lil Waynes Mixtape-Spiel mögen vielleicht vorbei sein, aber die, die an der Spitze stehen, wissen, wie sie das Feuer weiter am Brennen halten und die Veröffentlichungen von Kendrick, Kanye und Drake diese Woche sind allesamt Beweise dafür.

Das Wichtigste: Wird #IfYoureReadingThisItsTooLate für unbestimmte Zeit auf Repeat laufen? *Drake-Stimme*—Y’know it!

Ryan Bassil ist bei Twitter: @RyanBassil

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