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Hier kommen die Rebecca Blacks 2.0

Vermisst ihr auch Rebecca Black? Keine Sorge, hier ist eine ganze Handvoll neuer perfekt produzierter Youtube-Sternchen.

Erinnert ihr euch noch halbwegs an 2011, damals, als Rebecca Black und ihre mittlerweile schon ikonische Aufzählung aller sieben Wochentage unsere Herzen eroberte? Keine Sorge, eure Durststrecke betreffend enthusiastischem Beschreiben alltäglicher Dinge in halbwegs musikalischer Form ist hiermit offiziell beendet! Denn wir präsentieren euch gleich mehrere Rebecca Blacks 2.0!

Das Ganze haben wir Patrice Wilson zu verdanken, dem etwas pummeligen Rapper aus einem der „Friday“-Autos. (Falls ihr es schon vergessen habt: Autos sind ein essentieller Bestandteil des Videos, weil Rebecca sich ja wiederholt die Frage stellt, ob sie vorn oder hinten sitzen soll.) Patrice, der sich für seine Rapeinlagen auch „Pato“ nennt, ist nämlich nicht nur mit supergeilen Skillz am Mic ausgestattet, sondern auch noch Produzent und Autor von „Friday“. Dank Rebeccas Song hat er nun einen Weg gefunden, in sehr kurzer Zeit sehr viele Youtube-Klicks zu generieren—und scheint daraus ein Business gemacht zu haben. Immer mehr kleine Mädchen, deren Eltern genug Geld haben, werden durch die Song-Video-Maschinerie seines Labels ARK Music Factory geschleust und können sich am Ende über eine vollgetrollte Youtube-Kommentarleiste freuen.

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Das Überraschende daran: Die neuen Rebecca Blacks sind tatsächlich nicht mal so untalentiert. Sie kommen mit sehr viel weniger Autotune aus und ihre Tanzeinlagen können es auch locker mit Rebeccas unsicherem Rumgewackel aufnehmen. Da aber Patrice Wilson ihre Songs produziert hat, sind hier wohl einige zukünftige Popkarrieren einen frühen Tod gestorben. Aber seht selbst:

Nicole Westbrook—It's Thanksgiving

Hier präsentiert uns Patrice das Prequel von Friday. Es geht um einen Donnerstag. Einen ganz bestimmten, um genau zu sein: Thanksgiving. Um eine erneute Wochentagaufzählung zu vermeiden, erklären Patrice und Nicole uns diesmal, dass ja noch im Dezember Weihnachten und im April Ostern war. Kinder, wie die Zeit vergeht.

Aber Nicoles Lieblingsfeiertag ist eindeutig Thanksgiving. Deswegen bedankt sie sich im Video auch wiederholt mit einem inbrünstigen „Thank you, thank you!“ (Wem genau sie dankt, ist nicht ganz klar. Den Ureinwohnern Amerikas? Der Existenz von Kartoffelbrei und Truthahn?) Ihre Liebe für die traditionellen kulinarischen Genüsse des amerikanischen Feiertags geht so weit, dass sie zum Ende hin in eine Truthahnkeule singt. Das ist wahre Hingabe, Freunde!

Ellie Soufi—Hysterical

Diesmal präsentiert Patrice uns die britische Version von Rebecca Black. Das wird gleich zu Anfang mit einem Shot auf den Buckingham Palace und einem obercoolen „Yeah, Britain representin'“ angekündigt. Damit wir auch in den vier Minuten nicht vergessen, dass Ellie aus Großbritannien kommt, sind Union Jacks auf so ziemlich allem, was nicht niet- und nagelfest ist: Ellies Tasche, ihr T-Shirt, Patrices T-Shirt und natürlich die Motorhaube von dem Auto, vor der mal wieder hin- und hergesprungen werden muss. Wahrscheinlich eine schlaue Entscheidung, lenken die Fahnen doch davon ab, dass das Wetter ein bisschen zu gut für Britain ist und die Straßen ein bisschen zu sehr nach LA aussehen.

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Hier solltet ihr euch auf jeden Fall, wenn ihr euch schon nicht das ganze Ding reinzieht, zumindest Anfang, Ende und Minute 3.33 ansehen. Da kann man sich nämlich Patrice Wilsons Vorstellung von der Queen ansehen: um einiges jünger als die echte und um einiges mehr eine mit rosafarbenen Strasssteinen dekorierte Plastikkrone tragend. Auch schön der Refrain, in dem Ellies Wunsch nach „Icecream, icecream, icecream“ Erinnerungen an Nicoles „Thank you, thank you“ hervorruft.

Baylee Valentine—I Need a Hero

Nein, Patrice hat hier nicht die nächste Bonnie Tyler produziert. Stattdessen kommt uns zunächst eine Emo-Gang entgegen, die so gar nicht nach Rebecca und Konsorten aussieht. Die Lyrics allerdings sind ähnlich einfallsreich wie die der anderen Wilson-Produktionen. Es geht um irgendetwas Trauriges, also wird mit Schlagworten wie „sorrow“, „pain“, „misery“, „struggling“ etc. um sich geschmissen. Das Highlight des Videos: Eine rußverschmierte Baylee, die uns vor einem rauchenden Auto und brennenden Haus eindringlich ansingt. Die Flammen sehen mehr aus wie rote Papierfetzen, auf die gerade jemand einen Fön hält, aber hey, ihr pain is real.

Keine Sorge, das Ganze hat ein Happy End. Denn zum Schluss kommt die rußverschmierte Emo-Baylee an den Strand—wo natürlich alles besser ist, weil da die Sonne scheint—und trifft auf Happy-Baylee, die man an ihrem weißen Kleid und sauberem Gesicht erkennt. Und während Emo-Baylee, umringt von ihren Emo-Freunden, so in den Sonnenuntergang schaut, schafft sie sogar so etwas wie ein Lächeln. Scheint also alles wieder gut zu sein. Allerdings wissen wir am Ende nicht ganz: Ist jetzt Patrice ihr Hero, also der, der sicher gestellt hat, dass sie atmet oder wurde sie am Ende von ihrem anderen Selbst im weißen Konfirmationskleid gerettet? Aber so ist das mit anspruchsvoller Metaphorik, das kann man eben nie ganz auflösen.

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Tweenchronic—Skip Rope

Es ist langsam echt nicht mehr lustig, wie jung diese Mädchen werden. Aber vielleicht ist genau das ihr Glück, denn anstatt wie Ellie und Baylee einen (höchstwahrscheinlich in beiden Fällen männlichen) Helden anschmachten zu müssen, dürfen die beiden hier sich noch mit Seilspringen beschäftigen. Allerdings Seilspringen auf höchstem Swag-Niveau. Damit den beiden auch genug Street Credibility zugemutet wird, bekommt das Video noch eine Drogengeschichte verpasst. Also es geht nicht um echte Drogen, sondern um Süßigkeiten. Auf jeden Fall gehen die Kids voll drauf ab und die Klamotten von den beiden Rapperinnen/Sängerinnen von Tweenchronic, Alison und Stacey, wechseln gerne mal psychedelisch die Farben. Möglicherweise soll das Ganze eine Warnung vor zu viel Zuckerkonsum für Kinder sein. Ich weiß es nicht.

Auch immer wieder überraschend ist, wie konsequent Patrice Minderheiten rassistisch darstellt. Während er noch in „It's Thanksgiving“ sich selbst zeigt, wie er Truthahn in sich reinstopft (Geflügel essende Afro-Amerikaner sind ein ziemlich problematisches Bild in den USA), geht er diesmal auf die lateinamerikanische Gemeinde los. Kleines, braunes Kind mit angeklebten Schnurrbart, das vermeintlich zweifelhafte Geschäfte an der Straßenecke abwickelt? Alter, echt nicht cool. Da Patrice aber selbst schwarz ist, bin ich mir nicht ganz sicher—ist das zu meta für mich oder ist der Typ einfach ein Idiot?

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