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How To Dress Well findet seine Texte selber schwer verständlich

Tom Krell ist so durchdacht wie emotional impulsiv, was ihn zu einem der interessantesten Künstler der Zeit macht.

Bevor ich Tom Krell von How To Dress Well kennenlernte, war ich davon überzeugt, dass er nur irgendein ziemlich trauriger Typ ist, der mit einer unglaublichen Ladung Melancholie in seiner sanften Stimme versuchen würde, Frauen dazu zu bringen, sich bei seinen Shows auszuziehen. Ein Milchbubi. Natürlich hatte ich vor unserem Interview viel zu viel Hatorade getrunken und lag mit meiner Vermutung absolut falsch. Tom ist so ein korrekter Typ, dass ich mittlerweile ein schlechtes Gewissen habe, ihn bereits vor unserem Treffen als Emo abgestempelt zu haben.

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Dass er ein unglaublich durchdachter Künstler ist, merkt man, sobald man fünf Stunden braucht, um ein 30-minütiges Interview abzutippen und den vielen Worten das Künstlers auf vier Seiten Sinn zu geben. Denn Tom ist ein Denker. Das hat weniger damit zu tun, dass er Philisophie studiert hat, sondern mehr damit, dass er sich im Leben nicht damit zufrieden gibt, während eines Gespräches irgendetwas vor sich hinzufaseln, ohne sich vorher sowohl über die Frage, als auch über die Antwort gründliche Gedanken gemacht zu haben. Und da Tom bald sein drittes Studioalbum What Is This Heart? veröffentlicht, will er sich nicht mehr darüber unterhalten, wie man sich ordentlich kleidet. Tom hat andere Prioritäten.

Noisey: In deinem neuen Album steckt ein Gefühl von Hoffnung, was meiner Meinung nach deine früheren Werke nicht hatten—die waren einfach nur sehr traurig.
Tom: Sagen wir mal so: Das neue Album hat extreme, schwungvolle Wechsel. Es enthält hoffnungsvolle Songs, aber auch die zärtlichsten und traurigsten Songs, die ich jemals geschrieben habe. Ich glaube, „2 Years On (Shame Dream)“, der erste Song auf dem Album, ist der traurigste Song, den ich jemals geschrieben habe.

Wie bewertet man denn die Traurigkeit seiner Songs?
Keine Ahnung. Der Song ist einfach ein richtig direkter, langsamer, arschtrauriger Song.

Wie kommt es, dass Traurigkeit so anziehend auf dich wirkt, obwohl viele andere Menschen eher darunter leiden?
Ich glaube nicht, dass Menschen darunter leiden. Und was Musik angeht: Die ist größtenteils einfach traurig. 95% der Songs, die jemals geschrieben wurden, handeln von Herzschmerz.

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Warum, glaubst du, ist das so?
Weil Leute keinen Song schreiben, nachdem sie einen Cheeseburger bei McDonalds gegessen haben. Du bist nicht ohne Grund emotional bewegt, sondern stößt manchmal auf Dinge, die du in deinem alltäglichen Leben nicht verarbeiten kannst.

Also lösen Dinge, die du nicht verarbeiten kannst, bei dir diesen kreativen Prozess aus?
Kreative Äußerung, ja. Wenn niemand jemals ein Problem hätte, dann würde niemand jemals etwas sagen. Menschen sprechen nur über Dinge, weil sie die Dinge nicht verstehen. Wenn du nichts brauchen würdest, wenn dir an nichts fehlen würde, wenn du niemals durcheinander oder traurig wärst, dann würdest du niemals etwas sagen.

Du machst keine fröhlichen Pop-Songs, aber…
…aber was ist denn ein fröhlicher Pop-Song?

Viele Leute würde sagen, dass „Happy“ von Pharrell ein sehr fröhlicher Pop-Song ist.
Dieser Song ist so traurig, das ist der hinterhältigste Song überhaupt. Dieser Song ist so abgefuckt.

Interessant, dass du das sagst. Wieso siehst du das so?
Weil es so offensichtlich ist, dass dieser Song nur dafür da ist, um so viel Geld wie möglich einzuspielen. Der Grund, warum sich so viele Menschen von dem Song angezogen fühlen, ist, weil sie unglücklich sind. Wir leben in einer allgegenwärtigen Situation, die aus Arbeitslosigkeit und Einschränkungen besteht, Volkswirtschaften scheitern, Reiche werden reicher, Arme werden ärmer—und diese ganzen Leute auf der Welt sitzen zu Hause und machen einen auf „Because I’m Happyyyyyyy“. Schlimmer geht es nicht.

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Meinst du, dass viele Leute deine Meinung teilen würden?
Ja, viele Leute schreiben über den Song und beschreiben ihn als den traurigsten Song, der jemals geschrieben wurde.

Hast du dich denn jemals gefragt, warum deine Gedanken in diese Richtung gehen? Schließlich würden viele das Befürfnis haben, zu denken „Geil, lass uns tanzen und feiern!“, sobald „Happy“ läuft.
Ich habe auch Songs, die sehr Pop-mäßig sind wie „& It Was U“. Aber das Leben ist einfach viel komplizierter als „Happy“ von Pharrell. Punkt. Menschen sterben, Menschen hungern, das Leben ist nicht „Happy“ von Pharrell. Menschen hungern weltweit, verdammt noch mal.

Du machst also nicht immer nur super traurige Songs, machst aber auch nicht Musik, die einem Song wie „Happy“ ähnelt—ist das der Grund, warum du deine Musik damals als eigenartig bezeichnet hast?
Nein, meine Musik ist eigenartig, weil sie nicht langweilig ist.

Und wie schaffst du es, keine langweilige Musik zu machen?
Indem ich unkonventionelle Produktionsentscheidungen treffe und andere Einflüsse habe als der Rest der Leute.

Welche Einflüsse machen deinen Sound denn „eigenartig“?
Na ja, wenn ich an einem Popsong arbeite, baue ich auch Elemente aus experimenteller und Independent-Musik ein. Oder ich arbeite an einem Popsong und baue ziemlich Tracy Chapman-artige Vocals ein—solche unerwarteten Kleinigkeiten eben. Ich mag Dinge, die Menschen eventuell überraschen. Zum Beispiel eine Akkustik-Ballade als ersten Song auf mein neues Album zu platzieren. Das hätten viele nicht erwartet, weil sowas nicht üblich ist.

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Stimmt es eigentlich, dass du am Anfang deiner Karriere komplett anonym bleiben wolltest?
Ja und nein. Das kam teilweise einfach nur deshalb, weil es kein Bild von mir in der Presse gab und ich einfach ein Typ war der Musik gemacht hat. Ich habe mich aber stark gegen diese typische Idee des Sängers/Songschreibers gewehrt, der den Menschen seine Autobiographie beichtet.

Was war dann deine Vorstellung von Musik und ein Sänger zu sein?
Dass es um gemeinsame Erfahrungen geht, die wir als Menschen miteinander teilen, um das Leben, dass wir als gleiche Kreaturen leben. Nicht um mich. Ich würde es hassen, wenn jemand meine Songs hört und dabei denken würde „Oh, armer Kerl“, weil es mir wirklich darum geht, ein Erlebnis der Sympathie und Zärtlichkeit zu teilen. Ich hasse Kunstwerke, bei denen man denkt „Das ist ein cooles Gemälde. Schön für sie“. Ich mag Kunstwerke, die den Maler außen vor lassen und mir etwas präsentieren und mir etwas offenbaren, das mich berührt. Deshalb wollte ich nicht, dass sich alles um mich dreht, weil ich dem Hörer genug Freiraum lassen wollte, persönlich durch meine Arbeit berührt zu sein. Ich wollte dieses narzisstische Bild des Sängers vermeiden.

Und trotzdem ist auf dem Cover deines neuen Albums nichts anderes zu sehen als dein Gesicht…
Was natürlich total gewagt ist, klar. Aber es ging mir wirklich um die Frage, ob ich mein Gesicht auf das Cover machen und den Leuten damit beweisen kann, wie unglaublich persönlich das ist. Es soll in keinem Fall um den narzisstischen Sänger gehen, der etwas durchgemacht hat, womit sich kein anderer identifizieren kann.

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Vielleicht werden das aber ein paar Leute denken, sobald sie das Cover sehen. Warum also das Gesicht?
Gesichter sind für mich unglaublich interessant. Einerseits ist dein Gesicht dein Gesicht und niemand wird jemals das gleiche Gesicht haben wie du. Andererseits offenbart dir jedes Gesicht, was du mit jeder anderen Person teilst: Menschlichkeit. Jedes Gesicht, das du siehst, sollte in dir ein Gefühl der Sympathie auslösen. Gesichter sind einzigartig, weil sie erstens das Persönlichste sind, das Menschen haben und, weil sie eine Gemeinsamkeit sind, die alle Menschen miteinander teilen.

Deine Lyrics sind oft schwer zu entziffern. Wird das auf What Is This Heart? auch so sein?
Ich denke schon. Das liegt wahrscheinlich da dran, dass sie immer sehr impressionistisch und eigenartig sind. Ich setze mich nicht hin und schreibe einfach Lyrics, sondern fange an, Musik zu entwickeln. Sobald die Musik mich bewegt, freestyle ich. Nach zwanzig Minuten frage ich mich, was dieser Song in mir auslöst und worum es in dem Song gehen könnte. Ich versuche, nicht zu viel Überlegung reinzustecken. Meine Lyrics sind nur ein ganz bisschen weniger schwer für mich zu verstehen, als sie für die anderen sind. Ich weiß manchmal gar nicht, worum es in meinen Lyrics geht und manchmal brauche ich sechs Monate und denke „Oh shit, darum geht es also“. In London habe ich vor Kurzem den Song „Shame Dream“ gespielt, der die gleiche Struktur hat wie „Suicide Dream 1“. Zwei Jahre habe ich an „Shame Dream“ gearbeitet, was er bedeutet, ist mir aber erst letzte Woche klargeworden.

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What Is This Heart? erscheint heute bei Domino Records (Goodtogo). Bestellt es bei iTunes oder Amazon.

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