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Leave Popfest alone! vs Man muss auch granteln dürfen

Darf man undifferenziert über das Popfest schimpfen? Wir haben zwei unterschiedliche Meinungen dazu.

Die Ente des Anstoßes. Foto: Simon Brugner (They Shoot Music)/Popfest

WENN IHR SCHIMPFT, DANN BITTE RICHTIG

Nicole Schöndorfer war für Noisey das gesamte Popfest über im Einsatz. Ein Text über die Veranstaltung hat sie besonders geärgert.

Österreichischer Popmusik geht es nicht unbedingt gut—das wissen wir nicht erst seit Elke Lichtenegger. Dass da unverblümt darüber geredet werden muss, ist mittlerweile auch schon fast allerorts durchgedrungen. Die jüngste Auseinandersetzung darüber gab es im Rahmen des Popfests vergangenes Wochenende. Allerdings nicht nur während der Panels am Samstag- und Sonntagnachmittag, sondern permanent. Das komplette Fest fungiert ja als eine Auseinandersetzung mit österreichischem Pop.

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Es ist eine Werkschau, es soll einer breiten Öffentlichkeit—ja, mehr als 60.000 Besucher kann man als solche bezeichnen—zeigen, was Österreich an Musikerinnen und Musikern außerhalb vom Mainstream-Pool, in dem Christina Stürmer (no offense) und Andreas Gabalier (ein bisschen offense) schwimmen, zu bieten hat. Dieses Jahr waren es mehr als 60 Künstlerinnen und Künstler. Ausgesucht wurden sie in einem langen Prozess vom Kuratorenduo Violetta Parisini und Wolfgang Schlögl. Ihre Kompetenz braucht nicht in Frage gestellt zu werden. Auch nicht die von Patrick Pulsinger (2013) und Robert Rotifer (2010-2012). Alles Auskenner, Experten und selbst Musikschaffende, die sich bemühen, ein gescheites, schön zwischen Unterhaltung und Avantgarde eingependeltes, Programm zu gestalten.

So. Jetzt denken sich vielleicht manche, äh, ja, eh?

Manche haben das aber nicht verstanden. Das Popfest ist nicht nur das aufgeblasene gelbe „Quietsche-Entchen“ im Teich. Es ist zwar eine witzige Sache und ich persönlich machte mir auch mehr als einmal Gedanken darüber, da es mich einerseits irritierte, dass es zwischendurch immer wieder verschwand und es andererseits ein guter Treff- und Sammelpunkt für verloren geglaubte Freunde war. Nun braucht es aber sicher keine zwei Absätze in einem vier Absätze umfassenden Text über den ersten Tag des Fests. Ein Text, in dem sich in den restlichen Zeilen hauptsächlich ausgekotzt wird. Die gute Laune und das schöne Wetter außerdem—igitt, furchtbar. Nicht, dass besagter Text überraschend kam.

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Es ist ja eigentlich auch vollkommen wurscht, wenn einem keine einzige Band gefällt, was—Entschuldigung!—unmöglich ist bei der Menge an Konzerten aus allen nur erdenklichen Genres und Subgenres. Da muss man schon ein arger Troll sein. Nach dem letzten Act auf der Seebühne am Samstag bedankten sich die Veranstalter und freuten sich irrsinnig über alles und wollten die Welt umarmen. Also? Lassen wir sie doch, bitte. Ich bin auch kein Hippie, aber so ein Fest erfolgreich auf die Beine zu stellen, ist nun einmal ein Grund zur Freude. Get over it.

Ich bin offensichtlich ein Fan der Veranstaltung, schätze österreichischen Pop und fand trotzdem bei Weitem nicht alle Konzerte super. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung. Kuratierung funktioniert halt stellenweise großartig, stellenweise okay, stellenweise nicht. Das ist die Natur der Sache.

Wenn ihr schon schimpft, dann bitte richtig. Fundierte Kritik yay, bitterböse Trollerei nay. Um auch das billigste Argument noch anzubringen—es ist ja eh gratis. Und freiwillig. Danke und Bussi.

Foto: Mona Hermann

SCHLECHTE TEXTE SIND BESSER ALS IRRELEVANTE TEXTE

Jonas Vogt ist ein grumpy man (fast) mittleren Alters. Wenn er das nicht ist, ist er Chefredakteur von Noisey.

Gelegentlich kommt man dann doch nicht drumherum, über den rosa Elefanten im Raum zu reden. Beim Popfest gab es am Wochenende gleich zwei rosa Elefanten.

Der eine war eine gelbe, aufblasbare Ente. Dieses „Quietsche-Entchen“, ein Werbemittel des Hauptmedienpartners FM4, hat nicht jedem gefallen. Aber die Quietsche-Ente muss man auch mal verteidigen. Es gibt vielleicht stilvollere Werbemittel, aber grundsätzlich ist es gut sichtbar und auffällig. Eine Eigenschaft, die Werbemittel haben sollten, sonst hat man das Geld für sie unnötig herausgeworfen. Ganz allgemein gesagt: Ich kann ehrlich gesagt die Art, wie sich Branchenkenner über Overbranding, T-Shirt-Verkauf oder Brandwagen aufregen, nicht wirklich verstehen. Gratisfestivals sind ohne Sponsoren in dieser Größe nicht möglich. Man kann sie natürlich kleiner machen. Man kann aber auch einfach akzeptieren, dass viele Leute lieber mit ihrer Aufmerksamkeit als Konsument zahlen, weil sie es anders nicht wollen oder können. There is no such thing as a free lunch.

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Der andere rosa Elefant war der Text vom geschätzten Kollegen Schachinger im Standard. Auf dem Popfest war er das gesamte Wochenende immer wieder mal Thema. Gut, zumindest bei Leuten, die in Backstageräumen herumhängen und tagsüber Texte über das Popfest lesen.

Es wird jetzt vielleicht ein bisschen verwundern, aber ich fand den Text großartig. Ja eh, er war oasch, grantig, bewusst uninformiert und lustlos. Aber Leute haben das ganze Wochenende über ihn geredet. Er war schlecht, aber zumindest relevant—das ist mehr, als man über manche Popkritik sagen kann.

Ein gewisser Grant ist den Pop-Schreiberlingen ohnehin zu Eigen. Das ist eh verständlich: Man geht auf ein Konzert, ist unter tausenden Menschen, die gerade dasselbe machen. Da muss gelegentlich Distinktion her, damit man weiter der Klügste im Raum ist. Jüngere Schreiberlinge granteln für uns auf Neil Young-Konzerten (hier), ältere Schreiberlinge granteln für den Standard (hier) und die Presse (hier) auf dem Popfest. Dass man damit das Kernpublikum und die Veranstalter ärgert, liegt in der Natur der Sache. Man sollte versuchen, so etwas nicht zu ernst zu nehmen, auch wenn Emotion drin ist. Es gilt immer: Gute Popkritik ist wahr, ebenso aber auch ihr Gegenteil. (Dieser Satz ist übrigens nicht nur schön, sondern ein bisschen geklaut.)

Man kann den Autoren auf Twitter folgen. Nicole unter @nicole_schoen, Jonas unter @L4ndvogt

Mit diesem Meta-Text beschließen wir unsere Berichterstattung vom Popfest 2014. Hier gibt es den Rest zum Nachlesen:

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Wienerlied und Sauerstoff(mangel)—Fotos vom Popfest, Tag 3

Wir werden müde und brauchen heiligen Sauerstoff—Popfest, Tag 3

Nackte Oberkörper und viele Anzüge—Fotos vom Popfest, Tag 2

Konfettiregen, Berserker und MAH!, die Guzzis—Popfest, Tag 2

Sägen als Instrumente und ein großer, kleiner Nazar—Fotos vom Popfest, Tag 1

Wir sind grundlos grumpy, können aber besänftigt werden—Popfest, Tag 1

Ein Interview mit den Popfest-Kuratoren