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Warum der 1.Mai der furchtbarste und beste Tag des Jahres zugleich ist

Den „Tag der Arbeit" feiert man mit Nicht-Arbeiten. Und da fängt die Bipolarität des 1. Mais erst an.

Am Freitag ist es so weit. Ein traditionsgeschwängerter Tag, mindestens genauso wichtig wie die Weihnachtstage—schon unsere Eltern und Großeltern sind in der Wiese gelegen und haben sich über die ersten Sonnenstrahlen gefreut. Laut der neuen Statistik, die Österreich im EU-Vergleich auf Platz 3 der Alkoholaffinität befördert, waren auch sie ziemlich sicher besoffen. Egal ob betrunken oder nicht: Wir feiern den „Tag der Arbeit“ mit Nicht-Arbeiten. Vielleicht ist es dieser bipolare Ausgangspunkt, der aus jedem Vorteil des 1.Mais, gleichzeitig seinen größten Nachteil macht. Oder es ist meine Wiener-Suderei, die ich mir so im Zuge der Integration angelernt habe. Ganz egal was es ist: Am Freitag erwartet mich der beste und beschissenste Tag des Jahres gleichzeitig, aus exakt denselben Gründen. Dieser Umstand macht, dass sich alle zwei Stunden meine Gefühlslage bezüglich Freitag ändert. Von „Yeah“ zu „Geht’s doch scheißen.“

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Das Wetter

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Yeah: Es ist nicht besonders wahrscheinlich, dass es am 1. Mai schneit. Dieser Umstand macht den Tag wirklich ziemlich perfekt und zu einem wundervollen Vorboten für den Sommer. Weil, auch wenn es schüttet oder windet: Es schneit einfach nicht. Irgendwo zwischen Oktober und April besteht in Österreich das Fragezeichen-Wetter. Es ist unmöglich zu sagen, ob eine Woche „oasch“ ( =kalt) oder „schee“ (=nicht kalt) wird. Das deprimiert den Durchschnitts-Österreicher, weil man sich so nicht darauf einstellen kann, welche Laune die Woche vorherrschen wird. Das geht so weit, dass auch schönes Wetter im April argwöhnisch betrachtet wird und man sich aus Vorsichtsmaßnahmen lieber nicht zu früh freut. Am 1.Mai wird es nicht schneien und die nachfolgenden Tage auch nicht. Wir feiern also den Sommer und das Wegfallen einer der größten „oasch“-Wetterkomponenten.

Geht’s doch scheißen: Wenn der 1. Mai ein Mensch wäre, dann hätte er sich aus Burn-Out Gründen schon vor Jahren selbst umgebracht. Die Ansprüche von -zig tausenden Menschen an seine Person wären zu hoch. „Schee“ soll das Wetter nämlich sein. Das Maibaumaufstellen und in die Wiese kotzen funktionieren nicht so gut, wenn es regnet und windet. Tut es das am 1. Mai, spürt man in jeder Indoor-Location und in jedem Bierzelt die kollektive Enttäuschung. Der Tag ist nämlich nicht wie Weihnachten, Silvester oder die übrigen Feiertage—losgelöst vom unberechenbaren Wetter—sondern ist mehr als alle anderen vom Schönwetter abhängig.

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Die Veranstaltungen

Yeah: Ein Wort für die Jugend: Open-Airs. Ein Wort für die Jugend und Ex-Jugend: Maibaumaufstellen. Ein Wort für die Jugend und Kinder: Rummelplätze. Egal ob in Bad Oaschloch oder einer österreichischen Modemetropole—es ist überall etwas los. Jeder feiert den 1. Mai und an keinem anderen Tag hat man so viele Möglichkeiten seinem Alkoholkonsum zu frönen und keine gesellschaftliche Ächtung zu spüren. Sogar der abstinente Bevölkerungsanteil in Österreich—also Kinder—kommen auf ihre Kosten. Nationale Besäufnisse sind in anderen Ländern, sehr, sehr selten bis gar nicht vorhanden. Deshalb grenzt es an Volksverrat nichts zu unternehmen. Glaubt mir, ich komme aus der Slowakei, da wird der 1. Mai im Gegensatz zu Österreich sehr vereinzelt gefeiert und auch sonst ist alles maximal eine regionale Angelegenheit.

Geht’s doch scheißen: Du hast keine Lust am Freitag etwas zu unternehmen? Viel Spaß mit deinem unerfüllten Gefühl tagsüber. „Fear of missing out“—die Angst davor etwas zu verpassen, ergreift nämlich so gut wie jeden Daheimgebliebenen. Du kannst nämlich davon ausgehen, dass deine Familie, deine besten Freunde, deine Bekannten und jeder den du hasst, eine Gaude haben werden. Während du zu Hause sitzt und dir einredest, dich gesellschaftlichen Regeln nicht unterwerfen zu müssen. Der 1. Mai bedeutet obligatorisch rausgehen zu müssen und ist somit direkt verwandt mit Silvester. Profi-Tipp: Gehe heute einfach nicht auf Facebook und Instagram.

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Die Menschen

Yeah: Nichts da, mit „zu zweit“. Auch der introvertierteste Mensch, sitzt heute in einer Gruppe und lächelt gequält. Es ist der Tag des glücklichen Hippie-Daseins, der Tag, an dem man seinen Menschenhass abzulegen hat. Und das fällt auch gar nicht so schwer, wenn man bedenkt, dass Fremde nur noch-nüchterne Freunde sind, die man nicht kennt. Spätestens um drei Uhr nachmittags sitzt man gut gelaunt und angesoffen zwischen seinen vielen neuen und alten Freunden, unterhält sich mit Babsi aus der Volksschule oder trifft seinen seriösen Onkel beim Obstler bestellen. Beziehungsweise kuschelt man unverhofft in der Toilettenschlange mit dem Ex oder mit dem Lehrer aus dem Gymnasium. Das alles ist möglich am 1. Mai, ganz egal ob man das Ortsfest oder eine hippes Open-Air besucht—an dem Tag ist man nicht alleine.

Geht’s doch scheißen: Menschen. Egal wo—überall sind Menschen. Was bedeuten Menschen? Wartezeiten. Überfüllung. Platzangst. Sollte uns an dem Tag eine Zombieapokalypse bevorstehen, ist Österreich in drei Sekunden voll mit angesoffenen Zombies. Menschenmengen sind eine gute Sache, wenn es sich im moderaten Rahmen hält. Am „Tag der Arbeit“ ist nichts moderat, überall lauern nur noch mehr Menschen, mit noch mehr Alkohol intus. Vorteil: Dank der gesellschaftlichen Akzeptanz von 3,3 Promille um zwölf Uhr mittags, ist es in der Nacht deutlich leerer. Nur bis dahin muss man es mal selber schaffen.

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Das eigene Selbst

Yeah: Ab geht’s.

Geht’s doch scheißen: Egal wie es dir in der Früh geht, du bist bald betrunken, entspanne dich also. Sollte die Laune wirklich bei „Geht’s doch scheißen“ sein, hier der ultimative Profi-Tipp: Schnapp dir am Vorabend deine besten Freunde und gehe fort. Fülle sie richtig ab. Richtig, richtig ab. Sie werden mit dir zuhause die Katerstimmung genießen wollen, wenn du es schaffst, dass jede Bewegung schmerzt. Nachteil: Am Tag vor dem 1.Mai fortzugehen, ist aber leider keine grenzgeniale Idee die du alleine hast. Siehe Punkt „Menschen“.

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Egal wo, auf jeden Fall ist Fredi auch hier am 1.Mai: @schla_wienerin

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