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So sexistisch ist die Clubszene

Das Nachtleben ist Dünger für Macho-Arschlöcher

Foto von Flickr; Die Grünen Linz, CC BY 2.

Für fast alle meine Freunde ist die Zürcher Clubszene Hauptbestandteil ihrer Kultur-Dosis. Gerade dieser Raum, der von Kreativität und Innovation lebt, sollte keine Diskriminierung zulassen, die seine Entwicklung stört und einschränkt.

Aber die Kreativindustrie-Sparte „Nachtleben“ wird von Männern dominiert und kontrolliert. Nicht alle diese Typen sind Idioten, aber die Szene gibt ihren Veranstaltern Macht, Geld oder einen gewaltigen Ego-Schub. Die Inhaltsstoffe, aus denen sexistische Arschlöcher gemacht sind.

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Eine Frau ist in ihren Augen ein sensibles, naives Wesen, das nicht verhandeln kann, sich übers Ohr hauen lässt, wenig Ahnung von Musik und Trends hat und nicht ernst genommen wird. Untauglich. Seit fünf Jahren bin ich hier unterwegs—zuerst als Promotorin und Veranstalterin, nun als DJ—habe jede Menge Klischee-Gender-Scheisse erlebt und noch nie eine Frau getroffen, die in der Szene wirklich etwas zu sagen hat. Woran das liegt, kann ich nur erahnen: Es ist sehr anstrengend, den zur Norm gewordenen Sexismus auf Dauer zu ertragen.

Foto von Flickr; Kecko; CC BY 2.0

Die Rolle der Promotorin wird Mädels noch zugestanden. Je heißer sie ist—je mehr Facebook-Freunde—desto mehr Leute, die ihr Party-Spam erreicht. Beim Eiervergleich unter Veranstaltern ist die Disziplin „Frauen-Anteil“ die Königin. Partys von Männern für Frauen stinken aber nach Schminktischen auf der Toilette und pinker Plüschdeko! Die Promotorin hat außer einer schönen Hülle auch ein funktionierendes Hirn und mehr Ahnung davon, was Frauen wirklich wollen.

Wenn der Veranstalter es zulässt, dass du deine Hirnzellen in seinem Team benutzen darfst, legst du so etwas wie einen heiligen Eid ab. Deine Ideen sind von nun an sein geistiges Eigentum. Du bleibst im Hintergrund. Zu Business-Treffen darfst du mit, deine Konzepte werden als seine vorgestellt und dein Charme (noch besser dein Ausschnitt) soll dabei helfen, einen besseren Deal herauszuschlagen.

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Als man mir gesagt hat: „Unsere Firma, unsere Family und sonst keine!“, da sind mir die sektenähnlichen Verhältnisse erst richtig bewusst geworden und ich bin gegangen.

Foto von Flickr; TivoliVredenburg; CC BY 2.0

Die Frau legt prinzipiell nur gut Make-up auf. Deine Karriere als weiblicher DJ ist ziemlich schnell zu Ende, wenn man dir unterstellt, deine Musik mittels Sex zu verkaufen, wie es nach dem Badewannen-Interview mit Nina Kravitz der Fall war. Nur wenig Mädels schaffen es als DJ so weit wie sie. Und sogenannte DJanes wie Micaela Schäfer stimulieren Vorurteile und legen Steine auf den Weg zum Ende des Sexismus.

Foto von Flickr; Thomas M, CC BY-ND 2.0

Richtig belächelt wurde ich, als ich begann, mich auf die Musik zu konzentrieren. Aber man liess mich machen. Früher oder später—allerspätestens wenn die CDJs nicht richtig verkabelt wären—würde ich sowieso an der Technik scheitern.

Ich bekomme ständig zu hören, dass es für mich als Frau viel einfacher ist, in der Szene wahrgenommen zu werden. Natürlich, denn Frauen sind eine Rarität hinter dem Mischpult. Die Skepsis der Szene ist dafür umso grösser. Du stehst unter Dauerbeobachtung und die Jungs warten nur auf einen holprigen Übergang, auf den sie sich dann stürzen können.

Wenn ich im Club spiele, stellen sich die Leute hinter mich, um sich zu vergewissern, dass ich keinen fertig abgemischten Mix laufen lasse. Am Zürich Open Air gratulierte mir ein Gast dafür, dass ich die Übergänge nicht verhauen hab, obwohl ich eine Frau bin. Was für ein Kompliment! Nach meinem Set werde ich von Pseudoveranstaltern, die mir ihre Ladies-Night schmackhaft machen wollen, auf Shots eingeladen. Meine Würde erhalte ich mir nur noch durch den kommentarlosen Abgang.

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Foto von Flickr; Michael Pollak; CC BY 2.0

Deine Optik ist ein energieraubender Balanceakt: Der Ausschnitt ist zu tief, deshalb wirst du gebucht. Wahrscheinlich bläst du sicher jedem Veranstalter einen, um dir weitere Bookings zu sichern. Und die bekommst du natürlich auch nur, weil die Männer dir dann auf die Brüste glotzen und sie’s nicht so mit Multitasking haben, was ihre Hörfunktion beeinträchtigt.

Wir Frauen sind nämlich unglaublich kalkulierend: Wir lenken Männer durch unsere Reize ab, machen sie zu Sklaven ihrer Triebe und mausern uns so zu gefragten DJs. DJ Kate Miller hatte die Nase voll davon, sich ständig zu rechtfertigen und dumme Anmachen zu ertragen. Kurzerhand hat sie sich eine Glatze rasiert.

Als DJ will man wegen seiner Musik wahrgenommen werden und nicht wegen dem Geschlecht. So weit, so gut. Trotzdem möchte ich als Mensch, der ich bin, meine Leidenschaft verfolgen können und respektiert werden. Sexismus in der Szene wird nicht dadurch verschwinden, dass wir Frauen all unsere weiblichen Attribute streichen und verstecken müssen, um akzeptiert zu werden. Auch eine langhaarige Kate Miller muss es nicht ständig über sich ergehen lassen, dumm angelabert und auf ihren fehlenden Penis reduziert zu werden. Können und weibliche Ästhetik bedingen sich nicht, aber schliessen sich ebensowenig aus.

Foto von Flickr; Llima Orosa; CC BY-ND 2.0

Sogar in der Rolle des Gastes im Nachtleben kommt man nicht um die Gender-Problematik herum. Nein, ein kurzer Rock ist keine Einladung zum Gratis-Grabschen. Die Frage ist nicht, wie ich mich für mein Outfit rechtfertige, sondern wieso sich Männer speziell in der Clubszene anmaßen, nach einer Rechtfertigung zu fragen.

Wie krank ist es, sich die Nägel mit Anti-Rape-Nagellack bepinseln zu müssen? Wenn du auf dem Nachhauseweg vergewaltigt wirst, wollen dir gewisse Arschlöcher immer noch weis machen, dass dein Minirock das Go gegeben habe. Wirklich arg ist einfach, dass man das Gerede um Sexismus satt hat und sich mit der Problematik im Nachtleben arrangiert.

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