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Interviews

Das pervertierte Böse antiker Dynastien: Ein Interview mit dem Black Twilight Circle

Außerdem gibt es zwei Songs von der neuen Tliltic Tlapoyauak-Compilation zu hören.

Der Black Twilight Circle ist in Südkalifornien ansässig und wird oft als die amerikanische Antwort auf das berühmt-berüchtigte französische Black Metal-Kollektiv Les Légions Noires gesehen, aus dem Bands wie Vlad Tepes, Mütiilation und viele andere hervorgegangen sind. Angeführt von Eduardo „Volahn“ Ramirez hat der BTC eine ganze Armada limitierter Tapes veröffentlicht, die zu den ungewöhnlichsten und interessantesten Black Metal-Veröffentlichungen der USA gehören. Da, wo sich andere Bands des Genres thematisch den Göttern der nordischen Mythologie widmen, dreht sich bei BTC alles um die vorkolonialen Kulturen der Azteken, Maya und anderer indigener Völker Mittelamerikas. Nicht Virtuosität sondern eine Punkattitüde dominiert die Musik und die Einflüsse reichen von den üblichen Verdächtigen über die Surfmusik Kaliforniens bis hin zu den traditionellen Klängen Mittelamerikas. Die einzelnen Bands setzen sich in unterschiedlicher Konstellation aus den Mitgliedern des Kollektivs zusammen—was besonders auffällt, wenn man eine BTC-Show besucht—aber dennoch klingt jedes der Projekte für sich eigenständig.

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Volahn ist das sehr persönliche Hauptprojekt von Ramirez—getrieben von Hass, der Geschichte seiner Vorfahren und seiner Vorliebe für Melodien. Arizmenda, eine andere Band des BTC, widmet sich hingegen mehr der gequälten, depressiven Seite des Black Metal. Axeman wiederum schielt, wie der Name schon andeutet, mit zwei Augen in Richtung Crustpunk. Blue Hummingbird on the Left treten martialischer auf und sind live einfach nur überwältigend. Als The Haunting Presence bewegt eine Person mit dem Namen Ghastly Apparition den musikalischen Output des Kollektivs wiederum in Richtung Death Metal, bleibt dabei aber der klanglichen Ästhetik des BTC treu. Dies sollte reichen, um einen groben Ausblick über den vielfältigen Output des Kollektivs zu bekommen. Das, was all diese Projekte, abgesehen von den Überschneidungen der Bandmitglieder, miteinander vereint, ist die Tatsache, dass sie alle genau das tun, was Black Metal immer noch am besten kann: Sie transportieren dich mithilfe deiner Kopfhörer oder deiner Stereoanlage in ein abgeschiedenes Paralleluniversum. Der Circle ist beides, ein Beleg für die globale Ausbreitung und Adaption von Black Metal und eine Kriegserklärung an die Selbstgefälligkeit.

Am 2. September wird BTC die Tliltic Tlapoyauak-Compilation auf LP und CD über das Label Ajna Offensive veröffentlicht, auf der neue Songs etablierter BTC-Bands und Material von komplett neuen Gruppen des Kollektivs zu hören sein werden. Hör dir die Songs von Axeman und Blood Play hier unten an und lies, was Ramirez über den BTC und die Compilation zu sagen hat.

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Noisey: Wie ist die Compilation zustande gekommen? Wonach hast du die Tracks ausgewählt, die dafür in Frage kamen?
Eduardo Ramirez: Tliltic Tlapoyauak wurde kreiert, um unsere neuen Bands und unsere neue Richtung vorzustellen. Jede Band hat einen Song dazu beigesteuert, der im Black Twilight Studio von mir mithilfe einiger Mitglieder des Circles aufgenommen wurde. Tliltic Tlapoyauak—Black Twilight auf Nauhatl—wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Ich hatte Black Twilight ursprünglich ins Leben gerufen, um uns von dem Rest der damaligen Black Metal-Szene abzugrenzen. Egal, wer uns interviewt oder wer unsere Musik hört, wir werden unsere Absichten unbeirrt weiter verfolgen und keinerlei Kompromisse eingehen.

Was war/ist das Kriterium, das man erfüllen muss, um eine Black Twilight-Band zu werden? Gibt es so etwas wie einen Initiationsritus?
Wir haben nie Demos akzeptiert, da wir nur im Verborgenen operieren. Es geht nicht einfach nur darum, Musik zu machen. Wenn wir im Studio sind oder auf der Bühne stehen, meinen wir es mit dem, was wir tun, sehr ernst. Unsere absolute Hingabe hat es möglich gemacht, unsere Musik unabhängig zu veröffentlichen und unabhängig Touren zu organisieren. Es wird von jedem Teil des Kollektivs erwartet, dass er sich vernünftig um seine eigenen Sachen kümmert. Diese Tatsache hat auch schon zum Rausschmiss eines ehemaligen Mitglieds geführt. Musikalische Erleuchtung kam über Aufopferung und Momente der Isolation—eine Herangehensweise, die uns das Verständnis dafür vermittelt hat, Musik natürlich entstehen zu lassen.

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Nicht gerade wenige BTC-Bands sind deine persönlichen Projekte oder du bist in irgendeiner Weise involviert. Bei euch ist es relativ normal, dass sich die Besetzungen der einzelnen Bands miteinander überschneiden. Woher kommt der Bedarf für verschiedene Projekte einerseits und eine eng zusammen stehende Einheit andererseits?
Die ganzen verschiedenen Bands rühren einfach von dem Bedürfnis her, verschiedene musikalische Ideen und lyrische Themen auszudrücken. Jedes Individuum in unserem Zirkel hat sein eigenes Soloprojekt. Die Auseinandersetzung mit den einheimischen Elementen in unserer Musik hat den Anstoß gegeben, eine engverwobene Bruderschaft zu gründen. Ein großer Einfluss waren dabei Xibalba aus Mexiko. Ich hatte einmal die große Ehre, sie persönlich zu treffen, was dazu führte, dass wir uns gegenseitigen Respekt für unsere Arbeit aussprachen. Es gibt hier auch Bands, die fremde Einflüsse wie die Ästhetik/Ideologie des 2. Weltkriegs verwenden, um pre-hispanische Kultur zu repräsentieren. Ich möchte hier und jetzt darauf hinweisen, dass wir mit derartigen Verrätern nichts zu tun haben und auch nicht mit diesen in Verbindung gebracht werden wollen.

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Volahn ist schon immer dein Hauptprojekt. Welche Bedeutung hat es für dich?
Volahn ist mein persönliches Soloprojekt und existiert seit dem 6. April 2003. Heute ist der Pfad Volahns einer, der tief in den vergangenen Dynastien der Cakchiquel und Quiché verwurzelt ist, ein Pfad, der zurück reicht bis zu den Kultstätten Bonampaks, Tikals, Palenques, Quiriguás, Chichén Itzás Yaxchiláns, Teotichuacáns, Tenochtitlans, Tollans und den Ruinen von San Bartolo. Der persönliche Stellenwert dieses Projekts liegt für mich darin, dass es jede Fassette meines Daseins musikalisch, lyrisch und visuell ausdrückt. Die intensivsten Momente von Volahn stehen uns aber noch bevor.

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Die Texte von Volahn sind in Spanisch gehalten, was sehr ungewöhnlich für amerikanische Black Metal Bands (oder Black Metal Bands überhaupt) ist. Wie wichtig ist das für deine Kunst?
Spanisch war meine erste Sprache und durch die Kolonialisierung sprechen die meisten unserer Nachfahren nur noch Spanisch. Ich gebe die Traditionen unserer Kultur auf Spanisch an meine Leute weiter, die von der modernen spanischen Gesellschaft geradezu sterilisiert worden sind.

Neben ein paar Tracks von Arizmenda und Volahn ist diese Compilation das erste Lebenszeichen des BTC seit längerer Zeit. Was war der Grund für die lange Pause?
Es hat einfach sehr lange gedauert, Tililtic Tlapoyauak aufzunehmen, und wir haben sehr viel Zeit in alle Aspekte dieser Veröffentlichung gesteckt. Ich würde sagen, das Tliltic Tlapoyauak zu diesem Zeitpunkt unsere größte Leistung darstellt. Es hat all die Jahre harter Arbeit und Aufopferung, die nötig waren, um diese historische Veröffentlichung zu realisieren, ins rechte Licht gerückt.

Wurde der BTC, zumindest im Geiste, von Les Lègions Noires beeinflusst?
Unsere musikalischen Einflüsse liegen in der norwegischen Black Metal-Szene der frühen 90er Jahre, den LLN, BBH, der polnischen Szene, dem australischen Southern Tyrants Circle, der griechischen Szene, der brasilianischen Szene und vielen okkulten Black/Death-Metalbands der 80er und 90er Jahre. Wir haben die Ansätze der verschiedenen Gruppierungen eingefangen und sie zu unserer eigenen Vision materialisiert. All diese Einflüsse waren Wegbereiter, die uns dorthin geführt haben, wo sich Black Twilight klanglich heute befindet. Als ich zusammen mit Yagian (Odz Manouk) Ashdautas in Long Beach, Kalifornien, erschuf, setzten wir uns beide auf eine Klippe mit Blick auf den Ozean und schrieben dort zusammen das Songmaterial. Ich erinnere mich auch noch daran, wie ich täglich mehr als acht Stunden Gitarre spielte, um mir beizubringen, wie man esoterische Musik schreibt. Musik ist universal. Auch wenn ich mit der Ideologie einer Band nicht übereinstimme, kann sie mich dennoch musikalisch beeinflussen.

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Axemen ist in meinen Augen eins der Projekte des BTC, das musikalisch etwas heraussteht. Wie man ja schon am Namen erkennt, ist es stark von Crust/D-Beat beeinflusst. Was ist der Ursprung dieses Projekts gewesen? Planst du noch weitere Sachen in dieser Richtung?

Amebix ist natürlich ein großer Einfluss. Ich habe Axeman als Fortführung des Amebix-Stils mit unseren eigenen Mitteln gegründet. 2015 werde ich das Axeman-Album im Black Twilight Studio aufnehmen.

Bei Axeman gibt es auch diese abgefahrenen Gitarren-Leads, die auf einzelnen Tönen basieren. Wie hast du das hinbekommen?
Ich habe diese Soli einfach direkt an Ort und Stelle aufgenommen. Ich habe im Vorfeld nur einige Passagen vorbereitet, um daran dann das Solo aufbauen zu können. Ich wollte es auch unbedingt so 80er-mäßig klingen lassen. Die Töne, die ich auf der Gitarre kreiere, finden in den universal-chaotischen Elementen ihren Nachhall.

Blue Hummingbird on the Left gehört zu beeindruckendsten BTC-Bands—vor allem Live. Wo ist diese Band im BTC angesiedelt?
BHL ist in unserem Kollektiv eine eigenständige Instanz, die sich über Warmetal und ihre lyrische Ausrichtung dem Kriegsgott der alten Mexica verschrieben hat. BHL führt die alten Traditionen von Tenochtitlan fort und wird sich bald in einer Split EP mit Volahn und einem eigenen Album manifestieren. Allein die Möglichkeit, mich zusammen mit meinen Brüdern von BHL mit den Lehren unserer Mexica-Vorfahren auseinandersetzen zu können und diese ehrwürdige Doktrin mit größtmöglichem Respekt ausdrücken zu dürfen, bedeutet mir mehr als alles andere in meinem Leben. Visionäre und Helden der alten Mexica wie Cuauhtémoc, der bis zu seinem Tode dafür gekämpft hat, seine Leute von parasitären Konquistadoren zu befreien, erfüllen uns mit der Ehre und Stärke, die wir brauchen, um unsere Kultur auch heute in gleicher Weise hochzuhalten. Mexica Tiahui!!!

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Auf der Compilation findet sich auch Material von neuen Projekten wie Acualli, In Lakech Ala Kin, Blood Play und Cempopoloah. Was kannst du uns über sie sagen?
Diese neuen Bands führen die Tradition des BTC mit ihren eigenen Ansätzen fort. Acualli ist die erste Black Twilight Band, die von einer Frau gegründet wurde. Acatlán Coatlicue hat das Konzept für Acualli entworfen und schreibt die Musik. Auf Nahautl bedeuet Acualli Das pervertierte Böse. Blood Play ist eine Metal Band, im traditionelleren Sinne, die sehr von den großartigen Bethlehem beeinflusst worden ist, dabei dem BTC-Sound aber treu bleibt.

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BTC verfügt auch über Verbindungen in die Hardcore- und Punkszene—Ich erinnere mich noch daran, 2011 und 2012 einige BTC-Bands auf dem Chaos in Tejas-Festival gesehen zu haben. Wie hat euch die Punk/Hardcore-Szene aufgenommen?
Über die Jahre habe ich schon viele Bands persönlich kennengelernt oder mit ihnen zusammen auf der Bühne gestanden: Amebix, Bastard, Deviated Instinct, Disclose, Doom, Crow, Riistetyt, Varukers, Forward, Subhumans, Isterismo, etc. Wir verfügen über eine große Gefolgschaft im Underground. Framtid sind für mich lebende Legenden. Sie erschaffen ein Ungetüm aus Noise und Wahnsinn, das die Barrieren extremer Musik einreißt.

Teil des Vormarschs von BTC war auch das Revival der Tapekultur. Was bedeutet es für dich, Material lediglich auf einer limitierten Stückzahl von Tapes rauszubringen? Ist diese Compilation als Einstieg in einen Teil der Metalszene gedacht, der sonst eher schwer zugänglich zu sein scheint?
Wir haben die Stückzahl unserer Tapes schon immer limitiert und werden das auch in Zukunft so halten. Da unsere Einflüsse vor allem aus dem Bereich extremen Metals stammen, haben wir Bands geschaffen, die diese Einflüsse weiter hoch halten.

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Was hat BTC dir über die Jahre bedeutet? Ist es dein Lebenswerk?
Der Black Twilight Circle hat mir die Gelegenheit gegeben, mein Leben voll und ganz der Musik zu verschreiben. Wenn ich keine Musik mache, studiere ich die einheimische Kultur. Das hat mir meine Identität gegeben. Nur durch unsere zahlreichen Unterstützer ist es uns möglich, das zu tun, was wir tun. Ohne unsere Fans wären wir nichts. Es hat mir mehr Erleuchtung gebracht, mich mit meinen Brüdern fürs Leben zu umgeben und dabei Musik zu erschaffen, als ich durch ein normales Leben jemals erreicht hätte. Tliltic Tlapoyauak ist mein Lebenswerk, aber keineswegs das Ende. Ein klares Ziel vor Augen und der Ehrgeiz haben mein spirituelles Reich in all seiner Pracht kultiviert. So kann es auch fortbestehen, lange nachdem ich diese Welt schon wieder verlassen habe. Die Monumente (die Songs), die ich erschaffen habe, werden für immer im Kosmos nachhallen, während die Dämmerung der Nacht aus der Finsternis emporsteigt, um das Licht unserer heiligsten Gottheit auszulöschen

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