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Neun komische Musikgenres, von denen du (vielleicht) noch nie gehört hast

Bronycore und Frog House sind nur die Spitze des Eisbergs.

Dank des Internets leben wir heute in einem beschleunigten Zeitalter. Zyklen des Hypes, die früher Jahre brauchten, um aus der Mode zu kommen – zum Beispiel die Dauer einer ganzen Künstlerkarriere – halten heute nur noch einige Wochen. Nur wenige Teile der Welt sind so bemüht auf dem Laufenden zu bleiben, wie wir in der 'Musikindustrie' mit unserem unstillbaren Durst nach dem nächsten großen Ding. Ein Anzeichen für den beschleunigten Lifestyle ist die endlose Ausbreitung von irrsinnigen Subgenres: refreshe deinen SoundCloud-Newsfeed und du wirst wahrscheinlich neue Bezeichnungen wie Fluffstep, Pookeydonk oder Chungleblink dort finden. Wie die bescheuerten Genrebezeichnungen längst vergangener Jahrzehnte, werden auch diese der Zeit zum Opfer fallen. Ich würde nun gerne die Gelegenheit nutzen, ein paar meiner Favoriten der 90er und 00er Jahre zu gedenken, bevor sie komplett aus der Zeit fallen – von absurden Insiderwitzen bis zu ernstgemeinten Lieblingen.

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Blog House

Dieses von den Medien eingeführte Genre geisterte von ungefähr 2007 bis 2009 im Internet herum, was mit der damals zunehmenden Verbreitung von Musikblogs und unverschämt niedrigen Bitraten zusammenfiel. Amerikanische College-Studenten gingen vom Akustikgitarre spielen und Indierock hören zum bonbonfarbene Windbreaker tragen und Crossover-Bands wie The Teenagers, Digitalism, Justice und Crystal Castles hören über. Das überschnitt sich außerdem zeitlich mit dem Konsum-Höhepunkt alkoholhaltiger Energymixdrinks in den USA. Zufall? Du entscheidest. Die voll Dröhnung Blog House bekommst du bei HipsterRunoff.

Fidget House

Was als Insiderwitz zwischen Diplos früherem Produzentenpartner und Gründungsmitglied von Major Lazer – Switch – und Techhouse-Produzent Jesse Rose begann, wurde schnell zu einer 'Sache', als Künstler wie Hervé, Jack Beats, Crookers und Fake Blood versuchten, ihre ADHS-getränkte Art von Electro-House zu vermarkten. Die Bezeichnung fing 2008 an sich zu verbreiten und verschwand so schnell wieder, wie du mit den Augen blinzeln kannst – was bedeutet … sehr, sehr schnell. Wenn du dich an den Crookers-Remix von Kid Kudis "Day n' Night" erinnern kannst, dann kennst du den bedeutendsten (und vielleicht letzten) Moment dieses Mikrogenres.

Donk aka Scouse House

"Put a donk on it!" Vielleicht erinnerst du dich an diesen prägnanten Befehl aus dem gleichnamigen Musikvideo der Blackout Crew von 2008. Falls das nicht der Fall ist: Ein 'Donk' ist eine Bassline, die "ein wenig wie ein nasses Abflussrohr klingt, auf das wiederholt mit einem schweren Gummihammer gehauen wird"; so umschrieb es zumindest der Guardian. Zu seiner Hochzeit in den mittleren bis späten 00ern, fand man den Donk meistens in cartoon-artigem Hochgeschwindigkeitstechno. Seine Ursprünge hat er im Nordwesten Großbritanniens, wo Arbeiterklasse-Typen (die mit einem Liverpooler 'Scouse'-Akzent sprechen) Schnellfeuer-Rapstrophen mit Happy Hardcore-Rhythmen verbanden.

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Frog House

OK, gut: Frog House bestand eigentlich nur aus einem einzigen Duo, einem frühen Mad Decent-Signing mit dem Namen Toadally Krossed Out. Ihre neueste Single ist eine Hardcore-Electro-Rap-Hymne, bei der dein Lieblings-Drogendealer-Troll Riff Raff mitmacht. Aber ihr erster Vorstoß in die Blogosphäre war "Toads Theme" von 2009, bei dem sowohl Froschgeräusche als auch die Cowboy Bebop-Titelmelodie gesampelt wurden. Es gab Gerüchte, dass das Ganze ein anonymes Nebenprojekt zweier weltbekannter DJs sei, und weil man weder ein Interview mit noch Fotos von ihnen findet, auf denen sie keine Froschmasken (oder T-Shirts) tragen, werden wir die Wahrheit wohl nie erfahren.

Drill'n'Bass

Stell dir Drum'n'Bass vor, nur mit einer noch sorgfältigeren Hingabe für winzige Modulationen beim programmieren des Drumcomputers. Füge eine Menge krachiger Distortion-Effekte und hohe Tempi hinzu und du bewegst dich am Rande puren Chaos. Unter dem Namen Plug hat Luke Vibert mit Drum ‘n‘ Bass for Papa 1997 auf Trent Reznors Nothing Records ein Doppelalbum herausgebracht, das ein wirklich gutes Beispiel für den Sound ist – obwohl auch ein paar eher Breakbeat-orientierte Sachen von Squarepusher, Venetian Snares und Aphex Twin zu der Bezeichnung passen. Die Bewegung fügte sich in Stile mit so schrecklichen Namen wie Intelligent Dance Music und Intelligent Drum & Bass ein, die elektronische Musik im Prinzip ihrer Tanzbarkeit beraubten, sodass Informatikstudenten nicht ihre Adidas-Schlappen ausziehen und in den Club gehen mussten.

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Yardcore

Wenn wir schon beim Thema beängstigender Jungle-Mutationen sind, sollten wir auch über Yardcore sprechen, jenes Subgenre, das die Dancehall-Aggression der mittleren 2000er mit Industrial-Klängen und Hochgeschwindigkeits-Breakbeats vermischt hat. Wenn der jamaikanische Dancehall-Meister Sizzla zornig und wütend ist, ist das schon einschüchternd genug. Wenn dann noch Leute wie Bong-Ra, Enduser oder Aaron Spectre Blastbeats mit 200 BPM unter diese harten Texte legen, hast du dein Rezept für pure, unverfälschte Wut. Wenn deine Freunde 2005 immer noch Pig Destroyer und Agoraphobic Nosebleed gehört haben, konntest du gegenüber diesen Weicheiern die Nase rümpfen und dich einem noch härteren Sound zuwenden.

Schaffel

Oh mein Gott, gibt's das wirklich? Was passiert wenn du das schiebende „Umpa-Umpa“ bayerischer Folklore nimmst und es mit den steifen Rhythmen eines 909-Drumcomputers kombinierst? Schaffel! Genau, das ist die Eindeutschung von ‚Shuffle‘ und während manches davon einfach wie Oldschool-Techno der etwas schlafferen Gangart klingt, gibt es auch viele Kracher, die tatsächliche Retro-Polka-Klassiker sampeln – Blechblasinstrumente und so! Hör dir unbedingt die Schaffelfieber-Compilations an, die vom Technolabel Kompakt um die Jahrtausendwende herausgebracht wurden. Du brauchst was zeitgemäßeres? Bei Die Vögel bist du auch gut aufgehoben. Umpa-Umpa-Umpa-Umpa …

Vaporwave

Laut Michelle Lhoog und ihrer definitiven Geschichte von Vaporwave "ist das 'Chillwave für Marxisten', 'Post-Fahrstuhlmusik', 'Corporate-Smooth-Jazz-Windows 95-Pop' und 'besser als dieser Witchhouse-Scheiß'." Dieses bizarre Internetgenre verwandelt die zu vernachlässigenden Sounds der Muzak in kitschigen, abgefuckten Dancepop für eine "nahe Zukunft, die in filmischem HD glitzert", wie es Musikjournalist Adam Harper in Dummy formulierte. Es kam 2012 auf, als Künstler wie INTERNET CLUB, James Ferraro und Fatima Qadiri auf den Plan traten, und es scheint noch nicht vollends an Wirkung verloren zu haben. Bravo, Vaporwave!

Bronycore

Wenn du dir etwas vorstellen kannst, dann wird es das schon irgendwo im Internet geben. Und wie der politische Theoretiker Malcolm Harris in einem kürzlich erschienenen Cluster Mag-Artikel beschreibt, "schätzt der Brony-Herd-Zensus die Zahl der Anhänger in den USA auf 7-12 Millionen, was Bronies verbreiteter als Juden macht." Oh, was – du weißt nicht was Bronies sind? Das sind erwachsene Männer, die die Fernsehsendung My Little Pony vergöttern und irgendwie denken, es wäre in Ordnung, zu My Little Pony-Treffen zu gehen und das ganze Erlebnis für die kleinen Mädchen, für die die Sendung eigentlich gemacht ist, zu ruinieren. Natürlich hat also der Versuch, durch die 'Bronycore'-Googlesuche weitere absurde Subgenres zu finden, ein ganzes aufkeimendes Subgenre von Cosplay-Typen, die Dubstep machen, hervorgebracht. Bronies, warum müsst ihr alles kaputt machen?

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