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Es reicht dann mal mit Heldensterben

Wir müssen erkennen, dass diese Lichtgestalten am Ende des Tages auch nur ein Haufen organische Masse mit Ablaufdatum sind.

Foto via Flickr | Day Donaldson | CC BY 2.0

Ich kann mich noch lebhaft erinnern, als am frühen Morgen des 25. November 1991 mein Radiowecker losplärrte, um mich in einen weiteren Tag an der Werbeakademie zu schubsen. Wie immer kamen auch gleich die Nachrichten. „…der britische Rocksänger Freddie Mercury ist tot.“. Und ich schlagartig munter. Das war für mich das erste Mal, dass ich mich bewusst mit dem Dahinscheiden eines fast übermenschlichen Entertainers befasste. Einem Superstar, der seit ich denken konnte, immer da war, mich durch seine Musik mit so viel Freude erfüllt hatte und eigentlich auch dank seiner Physis und seines Charismas praktisch unzerstörbar wirkte.

Kurt Cobain, die Galionsfigur des Grunge, von dem ich zwar kein Riesenfan war—aber seinen Verdienst um die Rockmusik als Gegenpol zum Eurodance der frühen 90er wusste ich zu würdigen. Eazy-E. Tupac und Biggie. INXS’ unwiederbringlicher Michael Hutchence, den ich noch wenige Monate zuvor live bewundern konnte. Und das war nur der Anfang. Mit dem Tod des von mir hochverehrten Falco brach für mich die heimische Musikwelt zusammen. Unfälle, Morde, ja auch. Aber trotzdem zu früh.

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Die 2000er nahmen in der Hinsicht leider ordentlich Fahrt auf, alleine schon davon gekennzeichnet, dass in gut einem Jahrzehnt gleich alle vier Ur-Mitglieder der Ramones viel zu früh vom grimmen Schnitter geholt wurden. Ausgerechnet! George Harrison, der jüngste Beatle—jämmerlich mit 58 verstorben. Joe Strummer, grade mal 50. Der große Johnny Cash. Robert Palmer. Jeff Healey, Augenkrebs mit 41, come on! Das ist doch nicht fair!

Foto via Flickr | kentarotakizawa | CC BY 2.0

Flugzeugabstürze und Autounfälle mal nicht mitgerechnet, die uns zum Beispiel schon früh Riesentalente wie Aaliyah oder Lisa Lopes genommen haben, oder gar direkt oder indirekt durch Drogen oder Alkohol beschleunigte Ableben will ich hier auch gar nicht groß betrauern. Klar ist es schade um Michael Jackson, Whitney Houston, Amy Winehouse, Lane Staley und Scott Weiland (um nur einige zu nennen), aber letztendlich hatten sie es selbst in der Hand. Und, das ist der Punkt, sie wirkten außerdem auch nie so, als wären sie besonders für die Ewigkeit gebaut. Deal with it. Club 27 und so.

Doch dann kommt Weihnachten 2015, und alles ist anders. Lemmy, den man gemeinhin gemeinsam mit Keith Richards und Iggy Pop als die heilige Dreifaltigkeit der Unverwundbarkeit betrachtete, stirbt. Seit ich bewusst Musik höre, war diese laute, hässliche, saufende und Speed ziehende Maschine immer da, immer mit unverminderter Intensität. Und plötzlich Krebs, aus. Und noch bevor sich die Rock-Gemeinschaft davon erholen kann, geht David Bowie so unverhofft über den Jordan, dass man es gar nicht wahr haben will. Gut, auch er hatte seine ungesunden Zeiten, aber dennoch wirkte er im Gegensatz zur derben Lokomotive Lemmy eher wie ein altersloses Wesen, das aufgrund seines ätherischen Präsenz gar nicht sterben kann. Falsch. Und wieder: Krebs. Glenn Frey, ein stattlicher Rocker, stirbt mit 67 an einem Krankheitsbild, wie man es normalerweise auf dem Krankenblatt der Uroma sieht.

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Und dann auch noch Alan Rickman, der zwar als Schauspieler so gar nicht in die Auflistung passt, dessen Tod dennoch ähnliches Entsetzen auslöste. Aber warum gehen uns diese Tode so nahe? Ganz einfach: Weil diese Entertainer ganze Generationen von früh auf geprägt haben, von Anfang an präsent waren wie ein Orientierungspunkt, um sich auf dem Weg zu Erwachsenwerden an bereits Erwachsene halten zu können, denn die Eltern sind dazu nur bedingt geeignet. Lemmy stand immer für den Prototypen der unkaputtbaren Rampensau, quasi das Nokia unter den Rockern. Bowie war Zeit seines Lebens Gesamtkunstwerk und hat einen immensen Schatz an Musik hinterlassen, der für jeden von uns zu zumindest einer bleibenden Erinnerung den Song beigesteuert hat („Changes“ in meinem Fall, als ich von daheim ausgezogen bin). Die Eagles kann man mögen oder nicht, aber man kommt an ihnen nicht vorbei. Severus Snape war für ganze Jahrgänge wie eine Vaterfigur, ein moralische und autoritäre Instanz, der die Generation Potter wichtige Werte lehrte.

Foto via Flickr | Snape's True Love | CC BY 2.0 | Alan Rickman in Die Hard

Und diese Menschen—und eben alles, wofür sie stehen—sind nicht etwa 100-jährig von einem Blitz getroffen worden oder mit 89 so wie der große B.B. King sanft entschlafen, sondern mit um die 70 kläglich an Scheißkrebs oder ähnlich blöden Zivilisationskrankheiten verreckt. Der erbärmlichste, würdeloseste und unfairste Tod überhaupt, und selbst diese millionenschweren Stars mit Privatärzten und allem Pipapo konnten genau nichts dagegen tun. In einem Alter, in dem Otto Normalverbraucher gerade mal seit fünf Championsleague-Finali seinen Ruhestand genießt und nordicwalkend oder am Kamin Sherry trinkend dem Alterungsprozess ins Gesicht lacht.

Das ist es, was uns am Tod unserer Helden so bestürzt, fertig macht, beschäftigt. Das Erkennen, dass auch die vermeintlich von den Göttern geliebten Lichtgestalten am Ende des Tages auch nur ein Haufen organische Masse mit Ablaufdatum sind, das keiner von uns kennt.

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