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Hologramme sind nicht cool

Hoffentlich sind 3D-Projektionen wie von Michael Jackson und 2Pac nicht die Zukunft von Liveshows.

Es erinnert sich wohl noch jeder daran, als der Coachella Auftritt von Dr. Dre und Snoop Dogg vor zwei Jahren unumgehbar durch das Netz geisterte. 2 Pac sei auferstanden, 2 Pac erscheint auf der Bühne, das Coachella belebt 2 Pac wieder—um der Schlagzeile willen wurde die Sensation des Hologramms noch nach oben geschraubt. Allerdings war die Erscheinung von dem zu jung gestorbenen 2 Pac, der zusammen mit Raplegenden auf der Bühne stand, auch—egal wie sehr Karla Kolumna dieses Wort ausgelutscht hat—sensationell.

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Das Problem ist nur, dass Menschen Sensationen gerne mal aus dem Kontext reißen und sie ohne Ende ausschlachten. Denn egal wie alle Welt das 2Pac-Hologramm fand, ist die Idee, Musiker als Hologramme auftreten zu lassen, einfach nur bescheuert und pervers (besonders wenn es sich um Tote handelt) und hoffentlich nicht die Zukunft von Konzerten.

Bei den Billboard Awards hat ein Michael Jackson-Hologram den Song „Slave to the Rhythm“ von seinem neuen Album Xscape performt. Das Video des Auftritts auf der wohl langweiligsten Awardshow aller Zeiten ist natürlich überall im Netz zu sehen, aber so begeistert wie von dem 2Pac-Hologramm scheint keiner zu sein. Vielleicht liegt es an einer natürlich abnehmenden Faszination, vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Tod von Michael Jackson nun endlich bis zum Bluten ausgeschlachtet wurde. Anscheinend reicht es nicht, fünf Jahre nach dem Tod noch ein Album zu veröffentlichen, es muss zudem ein Auftritt von dem Künstler inszeniert werden, der perfiderweise damals im Zuge der Vorbereitungen seiner bevorstehenden Tour gestorben ist.

Und genau das scheint die Quelle des Problems zu sein. Wenn alle immer und immer mehr von ihren Stars sehen und hören wollen, egal wie, ist es kein Wunder, wenn irgendwann der bekannte Maschine-ersetzt-Mensch-Mechanismus einsetzt und Hologramme zur Regel und zur Zukunft der Konzerte werden, so wie es von vielen Seiten vorausgesagt wird.

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Wenn das passiert, sind wir noch einen Schritt weitergekommen, Menschen und ihre Musik zu degradieren. Wahrscheinlich hätte ein Michael Jackson in den letzten 20 Jahren nicht mehr so einen astreinen Auftritt hinbekommen, wie ihn jetzt alle Welt sehen kann, und besonders gestern bei der Awardshow war der Auftritt eh nicht möglich, Jacko ist schließlich tot. Und deswegen ist es auch in Ordnung, dass er nicht auftreten konnte. Diese—ursprünglich mal unumkehrbare—Tatsache muss nicht auf Biegen und Brechen geändert werden. Mit Sicherheit saß Lorde nicht im Publikum und dachte sich: „Wie toll wäre es, wenn Michael Jackson spielen würde.“ Warum leben wir nicht einfach in der Realität, anstatt Geister zu beschwören, und sehen uns lebende, echte (neue!) Künstler an, die eben in diesem Moment auch anwesend sind? Der Gedanke, dass du theoretisch auch in 20 Jahren mit Holographie noch mal eine Michael Jackson-Show, ein Beatles-Konzert oder die Yeezus-Tour sehen kannst, ist nicht cool, sondern bescheuert und unnötig, da es jedem Moment, in dem was Tolles auf einem Konzert passiert, das Besondere nimmt.

Wir leben schließlich nicht in einer utopischen Wunschwelt. Michael Jackson und 2Pac sind tot und können nicht mehr auf einer Bühne stehen. Wer in Erinnerungen schwelgen will, kann sich ein paar alte Videos ansehen, aber ich bestelle mir doch auch kein Ryan Gosling-Kissen in Lebensgröße, wenn ich herausfinde, dass er niemals mit mir zusammen sein wird.

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Hologramme für Konzerte zu benutzen, ist noch dazu vollkommen größenwahnsinnig. Wenn ein weltweit agierendes Unternehmen M.I.A. und Janelle Monae gleichzeitig auf der Bühne haben will, dann soll es die beiden doch einfach in die gleiche Stadt fliegen. Ich sehe das Problem nicht. Und wenn jemand Michael Jackson live sehen will, dann soll er weinen gehen. Wer weiß schon, wie Michael Jackson selbst oder alle anderen schon gestorbenen Musiker darüber denken würden, keine Kontrolle darüber zu haben, wie sie 2014 oder später wahrgenommen werden. Künstler entwickeln sich weiter und möglicherweise würde er sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass viele Jahre altes Material von ihm veröffentlicht wird oder er als Hologramm bei den Billboard Awards 2014 spielt.

Vielleicht haben die Billboard Veranstalter mit dem Hologramm sogar ein Schnäppchen gemacht. Das 2Pac Hologramm soll zwischen 100.000 und 400.000 Dollar gekostet haben, Michael Jackson zu kreiieren, wird wohl in einer ähnlichen Preisspanne gelegen haben. Wer weiß schon, wie viel der echte Michael zu diesem Zeitpunkt gekostet hätte, wenn er einen neuen Song performen sollte.

Aber ganz egal ob lebend (wie bei M.I.A. und Janelle Monae) oder tot, Hologramme sind für einmalige und die wenigsten Gelegenheiten in Ordnung, aber sollen bitte nicht als „Zukunft von Liveshows“ gehandelt werden. Es wäre traurig, wenn lebende Künstler anstatt zu kommen, projiziert würden, und es tritt an die Grenze der Geschmacklosigkeit, eine tote Person lebendig wirken zu lassen. „Danke Michael, dass du als Vorlage gedient hast, aber gestern haben wir einen fitten Mann gesehen, der eine Liveshow ohne Medikamenten hinlegen kann.“ Wen werden wir wohl als nächstes sehen?

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Ich tippe darauf, dass Liam Gallagher bereits mit einem Entwicklerteam zusammensitzt, um sich einen Noel-Hologramm auf die Bühne zu holen und so endlich O-A-S-I-S wieder zusammenbringen zu können. Und wahrscheinlich würden das auch noch alle feiern.

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