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Thump

Zu alt für den Scheiß: meine surreale Rückkehr in meinen ehemaligen Stamm-Club

Unser Autor, der ursprünglich aus Bielefeld, Deutschland, kommt hat sich nach zehn Jahren wieder in seinen ehemaligen Stamm-Club getraut.

Illustrationen von Julian Meinert

Für einen 16-Jährigen, der in einem Club in Bielefeld in Deutschland feiern will, gibt es Mitte der letzten Dekade nur zwei Möglichkeiten. Entweder bist du Schüler der Bonzenschule Ratsgymnasium und hast deinen Arsch schon seit du Vierzehn bist in irgendeiner Ecke im sogenannten Café Europa eingesessen und dir von den Eiswürfeln in den Vodka-Behältern einen Schnupfen geholt. Oder du bist in den GoParc nach Herford gefahren. Wie es der Zufall so wollte, kam Jack (Name marginal geändert, Anm. d. Verf.) in der Oberstufe auf unsere Schule—eine Feierlegende von besagtem Bonzengymnasium. Samstags feierte er weiterhin gediegene Exzesse im Cafe, aber freitags schleppte er mich immer in den GoParc. Lange dachte ich, dass er es einfach etwas ranziger, vielleicht sogar echter brauchte. Das war bestimmt so, doch Jack schätzte auch das Angebot, mit dem der GoParc jedes Wochenende aufwartete. Denn der Parc hatte immer was in petto. Bier zum halben Preis, zwei Cocktails zum Preis von einem und auch mal die ein oder andere Stripperin. Da kann keiner was dagegen sagen, besonders nicht ein 16-Jähriger mit schmalen Taschen, der sonst in keinen Club reinkommt und noch nicht so viele weibliche Geschlechtsteile aus einem Meter Entfernung gesehen hat. Mein goldenes Ticket war die Member-Card, mit der ich immer rein kam.

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Ich hatte viel Spaß an diesem magischen Ort, doch ich wusste immer, dass ich dem entwachsen werde. Und so kam es. Irgendwann öffneten sich die Tore der anderen Clubs für mich und ich wollte nicht mehr mit dem Publikum feiern, weil es auch einfach zu exzessiv war.

Eines sommerlichen Morgengrauens stand ich irgendwo auf einem Feld. Ich war nach einer GoParc-Nacht im Nachtbus eingepennt. Als ich aufwachte, stürzte ich wie wild an der nächsten Station heraus. Nachdem ich realisierte, dass ich in der völligen Pampa stand und mich noch der Postbote beleidigte, fragte ich mich, ob es das alles wert war. Ich entschloss, nie wieder in den GoParc zu gehen.

Heute weiß ich, dass es nicht seine Schuld war.

In den folgenden Jahren hatte ich grandiose Abende. Und als ich nach Berlin zog, auch großartige Berlin-Abende. Doch irgendwann begannen mich die Berlin-Abende zu langweilen, richtig anzuöden. „Was für ein arroganter Bastard", werdet ihr vielleicht sagen, weil ihr euren Ort so hasst und euch noch die Sagen und Mythen der nach Berlin Entflohenen im Ohr klingen. Aber wenn du unbedingt wie ein Untoter in einem dunklen Raum zu Minimal abvibrieren oder endlich mal guten Gewissens die Klimmzüge zu einer Trap-Party an den Mann bringen willst, dann schnapp dir Papas Kohle und komm nach Berlin. Bist bestimmt herzlich willkommen. Meins ist es nicht.

Vor ein paar Wochen war ich in der alten Heimat und während ich mit meiner Freundin über die Abendplanung sprach, sprang es aus mir heraus, ganz natürlich. „Lass uns in den GoParc gehen!" Ein Satz, wie ich ihn schon so oft gesagt habe und der praktisch nur in meinem Kleinhirn versteckt war. Keine vier Stunden später saßen wir bereits im Zug nach Herford. Und natürlich kaufte ich mir kein Ticket. Wenn schon GoParc, dann richtig.

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Im Vierer gegenüber von uns saßen vier Typen, die offensichtlich den gleichen Gedanken hatten wie wir. Kein Ticket aber angesoffen in den Parc. Merkwürdigerweise waren alle vier genau gleich gekleidet wie die Leute zu meiner Feierzeit. Halbwegs schicke Schuhe, Jeans und ein weiß-irgendwas kariertes Hemd.

Als wir dann ein paar Minuten später vor dem GoParc standen (ist nur 100 Meter vom Bahnhof entfernt, Herford hat nicht viel zu bieten. Nur noch eine Tupac-Statue.), war ich wieder richtig nervös. Vielleicht waren wir einfach zu alt und der Türsteher würde wissen wollen, was wir denn hier suchen.

Die Sache war—es war Freitag und die Pforten schon für die 16-Jährigen geöffnet. Glücklicherweise kamen wir ohne Probleme rein, doch ich musste gleich meine erste Enttäuschung des Abends einstecken—der GoParc-Geruch war weg. Es hatte immer eine ziemlich süßlich, cremige Note, irgendwas von Nebelkanone. Doch er war weg—Abfuck. Sie haben den Parc wohl ein paar Mal in den letzten Jahren umgebaut, hat mich bis hierhin nicht überzeugt.

Wir bekamen eine Karte, die aussah wie eine Kreditkarte, die die Kellner durchziehen würden. Kaum waren wir an der Garderobe vorbei, kam das Begrüßungskommando auf uns zu—ein Kleinwüchsiger und ein Mädel im Sekretärinnen-Outfit. Der kleine Mann checkte sofort meine Freundin aus, woraufhin die Sekretärin meinte: „Er ist verliebt in dich". Wäre es nicht so surreal, ich hätte ihm ins Gesicht gepinkelt. Aber ich war auch schon vorher im Busch.

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Ich hatte immer Probleme mit der Orientierung. Der GoParc hat vier Floors, in denen verschiedene Musikrichtungen gespielt werden. Es ist für jeden Geschmack was dabei.

Wir gingen zuerst in den Gold Club (ehemals Pharao)—der Raum, in dem HipHop gespielt werden sollte. An den Wänden hingen eingerahmte Gemälde von Beyonce bis Busta Rhymes. Hier waren wir also richtig. Also zack an die Bar, Getränk bestellt, die Karte fliegt durch den Schlitz—2 ganze Euro kostete mich ein Whiskey Cola. Nicht nötig zu erwähnen, dass ich am Ende des Abends sternhagelvoll sein würde. Es war erst halb 12, doch der Laden schon komplett voll. Die Kariertes-Hemd-Fraktion war hier eher in der Unterzahl, der urbane Jugendliche von Welt trägt HipHop-Klamotten. Im Prinzip wollte hier jeder aussehen wie Shindy und hätten manche mehr Bartwuchs, sie hätten es durchaus geschafft.

Ich hatte sehr gehofft, dass ich hier ein wenig den HipHop hören könnte, für den ich mich sonst vor anderen schämen würde—Chris Brown und Rita Ora bis die Ohren bluten. Doch was wir zu hören bekamen, war eine ganz komische Dancehall-EDM-Mischung, meist mit Trap-Elementen unterlegt, also so eine richtige musikalische Missgeburt. In diesem HipHop-Raum habe ich kein einziges Mal einen Rap mit Text gehört. Nicht zu fassen.

Meiner Freundin fiel sofort auf, dass kaum jemand billow gekleidet war, jeder achtete auf seinen Tanzstil und auch fast jeder konnte im Gegensatz zu früher tanzen. Was sich aber nicht geändert hat: Teenager stinken, wenn sie schwitzen. Ich frage mich, ob ich früher auch wie eine Zwiebel gestunken habe, damals ist mir das nicht aufgefallen.

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Wir gingen weiter in die „Main", einen riesigen Raum, in den auch Leute wie Kollegah oder Liont kommen um mal bei einem Club-Gig richtig abzusahnen. Das Motto an diesem Abend war Project G, angelehnt an den Abriss-Film Project X. Um die Bar herum wurde eine riesige Haus-Konstruktion gebaut, um das Feeling eines amerikanischen Vorort-Häuschens nachzuempfinden. Einen Grill hatte man auch hingestellt und einen Pool. Naja, der „Pool" war in Wahrheit ein zwei Quadratmeter großer Wassertank, in den die besoffenen Pumper reinsprangen. Lecker.

Wir gingen kurz ins Space, den Techno-Floor, warteten den ersten Drop ab und entschieden gleich mal wieder, das Weite zu suchen. Um rauchen zu gehen, muss man nach draußen in den „Garten" und durch den vierten Floor hindurch, den „Party-Stadl" (ehemals Trio). Hier schien sich nichts verändert zu haben, die KHF mit Weizen-Gläsern in der Hand und „1000 Mal berührt" schmetternd. Ich muss zugeben, dass mir ein nostalgisches Lächeln über die Wangen huschte. Draußen war ein Schaumbad und eine Hüpfburg hingestellt worden, aus denen komplett durchnässte Mädels mit Zahnspangen-Lächeln hervorgrinsten.

Der GoParc lässt sich einfach nicht lumpen. Auch nicht mit seinen Animateuren und Stripperinnen. Ich frage mich, ob das Jugendamt schon mal bei dem Laden vorstellig wurde, schließlich lichten sich hier 16-jährige Milchbubis mit fast nackten Plastik-Stelzen ab. Oder kann man das noch der Grauzone zurechnen, die man zwischen 16 und 18 definiert: Irgendwie darf man schon das Meiste, aber eigentlich auch nichts.

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Je länger sich der Abend hinzog und je mehr Red Cups ich mir mit Hochprozentigem füllen ließ, desto besoffener wurde ich offensichtlich, aber gleichzeitig auch gelangweilter. Denn wir gehörten einfach nicht dazu. Ich glaube nicht, dass zehn ältere Menschen an diesem Abend im Parc anwesend waren. So haben wir nicht mit der Meute gefeiert sondern haben sie beobachtet und sie wahrscheinlich uns. Irgendwie hatte es das Ziel verfehlt, ich konnte das Gefühl von früher nicht herstellen, auch wenn mir vieles vertraut vorkam.

Doch trotzdem hat es mir eine wichtige Erkenntnis gebracht: So eine Großraumdisco ist der perfekte Ort zum Vorsaufen. Nachdem ich um 2 Uhr besoffen raus stolperte (an den zehn Kanacks vorbei, die nicht reinkamen—manche Dinge werden sich wirklich nie ändern), sah ich, dass ich den ganzen Abend nur 18 Euro für mich und meine Freundin ausgegeben hatte.

Bald ist im GoParc wieder Project G, dann aber The Next Level!

Dieser Artikel ist vorab auf THUMP erschienen.

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