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Interviews

Braids werden immer schneller

Bevor die kanadische Band weiter an dem neuen Album arbeitet, spielt sie heute Abend noch schnell auf unserer Noisey-Bühne auf dem First We Take Berlin Festival.

Braids haben Großes vor. Die drei Kanadier Raphaelle Standell-Preston, Austin Tufts and Taylor Smith haben soeben ihr zweites Album veröffentlicht, touren nun um die Welt und freuen sich darüber, endlich ein Musikvideo veröffentlicht zu haben, das ihnen gefällt. Genauso, wie sie sich erst daran gewöhnen mussten, ihre Musik in die Hände anderer zu legen und ihnen zu vertrauen, mussten sie sich halt an Musikvideos als Kunstform gewöhnen. Da sie nun aber mit all dem cool sind, kann es losgehen und der Bekanntheitsgrad in die Höhe schnellen—ihr Tempo haben sie schon mal angepasst. Wir tragen gern dazu bei und freuen uns darüber, dass sie heute Abend auf unserer Noisey-Bühne auf dem First We Take Berlin Festival spielen werden. Wer von euch zwar Zöpfe flechten kann, aber diese Band noch nicht kennt, der sollte jetzt dieses Interview lesen und am besten heute Abend ins Berliner Lido kommen.

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Noisey: Ihr habt nach eurem Debütalbum immer wieder EPs veröffentlicht, warum kommt das zweite Album erst jetzt?
Austin: Wir haben immer am Album gearbeitet. Zum Beispiel haben wir bei der Zusammenarbeit mit Max Cooper nur unsere Vocals vom ersten Album rausgegeben und er hat daraus Songs gemacht. Wir haben nichts getan, das hat also keine Zeit beansprucht. Das war nur eine sehr interessante Kollaboration für uns.
Raphaelle: Und die anderen EPs waren Arbeit für das Album, zwei Singles für die Platte und zwei B-Seiten aus unserer Sammlung.
Austin: Damals war das Album schon komplett fertig. Wir haben nach einem einjährigen Experiment 15 Songs gehabt. Zehn davon sind auf dem Album und die Übriggebliebenen wollten wir so verwerten. Wir wollten unser Publikum schon mal auf uns einstellen. Wir waren innerhalb eines Jahres mit Schreiben, Aufnehmen, Mischen und Mastern fertig. Das war sehr schnell für uns.
Raphaelle: Ja, normalerweise brauchen wir viel länger.Aber es hat auch lange gedauert, das richtige Label zu finden.
Austin: Es ist wirklich schwer, als Künstler dein Werk jemandem in die Hände zu geben. Wir haben mit so vielen Labels gesprochen. Wenn du fest bei einem Label bist, kannst du viel schneller Alben veröffentlichen. Aber für uns war es anders. Wir mussten erst suchen und das dann ihn ihren Zeitplan reinquetschen.
Raphaelle: Die nächste Platte wird bestimmt schneller gehen, denn wir haben einen längeren Vertrag.

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Ihr werdet also ständig schneller.
Ja, ganz genau.

Welche Bedeutung gebt ihr heutzutage einem Album?
Austin: Es ist sehr wichtig, Alben als ganzes Werk aufzunehmen. Ich hasse es, wenn Leute nur eine Single anhören. Du musst dir definitiv das ganze Paket ansehen. Es ist unmöglich, eine Band nur durch eine Single zu verstehen.
Raphaelle: Es ist, wie wenn du dir nur eine Ecke von einem Gemälde anguckst. Man versteht nicht das ganze Konzept.
Austin: Alben sind auf jeden Fall sehr wichtig. Aber in der heutigen Zeit ist es auch enorm wichtig, dass du dich schon mit wenigen Tracks gut positionieren kannst. Das war wirklich schwer bei unserer Platte. Unser Album ist so vielfältig. Wir drücken über die ganze Länge so viel aus. Es gibt nicht einen Song, der das Album zusammenfassen könnte. Alle sind Stücke eines Kuchen.

Welche Bedeutung gebt ihr Musikvideos? Ihr habt nicht besonders viele.
Das stimmt.
Raphaelle: Aber wir machen gerade zwei Musikvideos, eins für „In Kind". Ich habe mich mit diesem Medium bis vor Kurzem eigentlich nie beschäftigt. Es schien mir eher wie ein Marketingwerkzeug, das die Verkäufe steigern soll, nicht wie ein künstlerischer Ausdruck.
Austin: Wir haben uns dann aber wegen unserer Freundin Emily mit Musikvideos beschäftigt. Sie hat eins für Grimes und Grizzly Bears gedreht.
Raphaelle: Sie hat uns eine ganz andere Sicht auf Musikvideos gegeben.

Und sie dreht jetzt eure Musikvideos?
Austin: Nein, wir können sie nicht mehr kriegen. (lacht)
Raphaelle: Vielleicht kriegen wir sie in den nächsten Jahren mal. Jetzt arbeiten wir mit Angus Borsos. Er ist ein toller Regisseur. Wenn du die Regisseure von Musikvideos triffst und plötzlich feststellst, wie intelligent, charmant und bemüht sie sind, und dass sie eine Vision haben, schätzt du diese Kunstform viel mehr. Sie sind genauso Künstler. Jetzt denke ich auch, dass Musikvideos eine Kunstform sind und dass es um mehr geht, als nur um das Verkaufen. Ich gebe mir jetzt mehr Mühe, ein Musikvideo zu bekommen, auf das wir stolz sind. Beim letzten Video war es eher so, dass wir eins machen mussten und es uns egal war.
Austin: Lass uns einen Typen finden, der es billig machen kann.
Raphaelle: Das neue In Kind-Video war ein hartes Stück Arbeit, der Dreh ging nur einen Tag, aber ich habe selten so hart gearbeitet. (lacht) Es hat mir das Gefühl gegeben, dass ich arbeite. Normalerweise fühle ich mich nicht so, als ob das hier alles ein Job wäre.

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Du spielst also im Video mit?
Austin: Wir mögen keine Menschen in Videos.
Raphaelle: Wir finden es nicht so gut, wenn wir im Video sind, aber er wollte ein Snippet, wie ich singe. Ich musste früh morgens aufstehen, zu ihm fahren, ein Outfit suchen, lange fahren und dann um fünf Uhr morgens in einen sehr kalten See steigen. Wir wollten den Sonnenaufgang einfangen. Also stand ich ewig da, bis wir das richtige Licht hatten. Da es sehr teuer ist, stellte er sicher, dass alles perfekt ist.
Austin: Beweg dich nicht. Den Kopf weiter links. Und die ganze Zeit im kalten Wasser.
Raphaelle: Ich habe also zehn oder zwölf Stunden gearbeitet. Aber es sieht richtig gut aus.

Habt ihr mitgeredet oder alles dem Regisseur überlassen?
Wir haben ihm alles überlassen. Wir versuchen, Leute zu finden, denen wir vertrauen können.

Gibt es jemand, dem ihr gerne mal vertrauen würdet?
Emily. Sie ist wirklich brillant. Sie hat auch das neue Majical Cloudz-Video gemacht. Es ist unglaublich. Ich konnte es nicht fassen.

Wenn man euren Namen bei YouTube eintippt, kommen nur Tutorials, wie man richtig Zöpfe flechtet. Ihr müsst unbedingt ein paar Musikvideos drehen.
Raphaella: Ja und die haben 13 Millionen Klicks. Das müssen wir erst mal schaffen, um als erstes in der Suchanfrage zu erscheinen.
Austin: Wir müssen sehr berühmt werden, um den französischen Zopf schlagen zu können.

Das ist doch mal ein Ziel.
Ja, oder?

Ihr scheint, auch nicht besonders viele Musikvideos anzuschauen, außer die von Emily. Gibt es denn noch welche, die euch faszinieren?
Raphaelle: Ich komme gerade erst rein. Ich dachte, es wäre ein sehr langweiliges Medium. Viele Musikvideos töten auch die Songs.
Austin: Es gibt ein paar Videos, die ich liebe, aber ich kann gerade nichts nennen.

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Was habt ihr euch bei der Sphäre in eurem Artwork gedacht?
Raphaelle: Das musst du unseren Designer fragen.
Austin: Auch dieses Mal, wir vertrauen dieser Person vollkommen. Er kam mit dieser unglaublichen Ästhetik. Das Cover ist ein dunkle Sphäre, innen ist noch ein Cover, das im Prinzip das Gegenteil ist. Es ist eine glühende weiße Sphäre. Es gibt also eine Dualität in unserem Artwork. Diese Seite ist Perish, und die schwarze Sphäre ist Flourish. Beide Seiten sind gleich vertreten.

Es scheint, als hättet ihr nun vertrauenswürdige Personen gefunden.
Austin: Deswegen hat aber auch alles so lange gedauert.
Raphaelle: Ja, absolut. Ich glaube, ein Künstler zu sein, heißt nicht nur, die Kunst zu machen, sondern andere zu finden, die genauso denken wie du.
Austin: Wir kontrollieren unsere Komponente einhundertprozentig. Wir schreiben, produzieren, mischen alles selbst. Aber die Präsentation ist nicht unser Spezialgebiet, also finden wir Leute, die uns helfen können und denen wir vertrauen können. Apropos Schreiben, hast du ein Idol?
Raphaelle: Ich mag gute Schreiber, wie Leonard Cohen, Neil Young, Bob Dylan. Tatsächlich gibt es wenige weibliche Texter. Björk hat sehr interessante Lyrics, vielleicht Fever Ray.

Hörst du auch lieber männliche Stimmen als weibliche?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt einfach mehr männliche Schreiber, die mich beeinflussen, als weibliche. Es ist aber auch nicht mein Ding, extra weibliche Schreiber zu suchen, nur weil ich eine Frau bin. Ich habe das Gefühl, dass viele Frauen das machen. Abgesehen davon versuche ich einfach, gut zu schreiben. Ich habe in letzter Zeit wenig gelesen, nur Musik gemacht und Interviews gegeben. Ich will das wieder mehr machen. Mein Kopf ist schon ganz matschig. Im Studio kann ich mich gehen lassen, ich fühle mich immer erleichtert nach einem Tag im Studio. In den Shows kann ich das auch ein bisschen rauslassen, aber nicht wirklich. Jedenfalls habe ich das mit diesem Set noch nicht geschafft. Es ist schwer und ich fühle mich noch nicht so wohl damit. Ich kann mich nicht so auf meine Performance konzentrieren, sondern muss ständig darauf achten, dass ich alles richtig mache. Ich bin noch nicht so emotional. Vielleicht nehme ich auf die nächste Tour eine Gitarre mit.
Austin: Unsere Musik ist sehr computerbasiert.
Raphaelle: Er macht wahrscheinlich gerade Musik. (zeigt auf das dritte Bandmitglied Taylor, der am Computer sitzt). Nee, doch nicht, er schaut etwas an.
Austin: Es ist recht witzig. Wir tragen alle InEars und sitzen vor dem Computer. Wir haben quasi ein tragbares Studio. Das ist sehr interessant, denn wir setzen uns ins Hotel, können alles aufbauen, bis auf die Live-Drums, und können proben. Ohne Lärm. Es ist verrückt.
Raphaelle: Es ist echt lustig, das einzige, das du hören kannst ist Lalalala.

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Kennt ihr Silent Disco?
Ja! Das ist so bescheuert.
Austin: Oh ja, das ist witzig.
Raphaella: Ich war mal da und ich habe es zwei Sekunden durchgezogen, danach habe ich die Kopfhörer runtergenommen und habe gesagt, ich kann das nicht.
Austin: Ja, aber genauso ist es bei uns.

Hast du schon mal einen Song geschrieben, der einfach zu persönlich war und du ihn dann nicht veröffentlichen wolltest?
Nein. Ich spucke immer alles aus.
Austin: Ihre Lyrics sind aber auch sehr abstrakt. Sie spricht über alle ihre persönlichen Probleme und Gefühle, aber sie versteckt sie hinter Poesie.Manchmal muss sie es sogar uns erklären.

Erklärst du das gerne?
Raphaella: Ja, klar. Ich habe nichts zu verstecken. Ich schäme mich nicht dafür. Natürlich habe ich schon mal seltsame Dinge gemacht, aber das hat ja jeder. Auf der nächsten Platte werden die Lyrics noch viel deutlicher und offensichtlicher.

Ihr schreibt schon daran?
Austin: Ja, wir haben schon sieben Songs.

Ihr werdet eben immer schneller.
Ja, ich denke, wir werden tatsächlich immer schneller. (lacht)

Das Album Flourish // Perish ist bei Full Time Hobby erschienen.

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