Drogen

Die 7 grössten Hürden für die Cannabis-Legalisierung in der Schweiz

Über das Kiffen wird wohl diskutiert, seit es Kiffer gibt. Ist Cannabis eine Einstiegsdroge? Ist es ein kriminalisiertes Heilmittel? Fakt ist: Jeder dritte Mensch in der Schweiz hat bereits gekifft und über 200.000 konsumieren regelmässig. Damit ist Cannabis nach Alkohol die am weitesten verbreitete Droge – und trotzdem verboten.

Der Umgang mit Cannabis hat sich aber gewandelt: Noch 2008 wurde die Legalisierung vom Stimmvolk abgewiesen. Heute, lediglich zehn Jahre später, kannst du gefühlt an jeder Ecke CBD kaufen und Kiffen wird in manchen Kantonen nicht härter bestraft als Falschparken. So sprechen sich laut der aktuellsten repräsentativen Studie 66 Prozent der Bevölkerung für die Legalisierung aus, wenn dabei der Jugendschutz eingehalten wird.

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Trotz dieser Ausgangslage, die dafür spricht, dass 2018 das beste Jahr für Kiffer in der Schweiz werden könnte, hat die aktuell laufende Initiative zur Legalisierung von Cannabis grosse Hürden zu nehmen – in der Politik, aber auch bei den Befürwortern selbst. Hier sind sieben Personen und Dinge, die sich einer Legalisierung in den Weg stellen könnten.

1. Andrea Geissbühler

Nationalrätin, Dachverband Drogenabstinenz

Foto: parlament.ch

“Es darf nicht sein, dass der Staat zum Drogendealer wird”, schreibt der Dachverband Drogenabstinenz auf seiner Webseite, “und die Süchtigen in ihrem Suchtverhalten unterstützt, statt ihnen abstinenzorientierte Ausstiegshilfe anzubieten.” Hinter dem Dachverband steckt unter anderem die Berner SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler. Andrea Geissbühler rühmt sich damit, dass sie es in die Top 3 der Nationalräte mit den wenigsten Absenzen schafft. In ihrer politischen Arbeit gegen die Cannabis-Legalisierung hat ihr das bis anhin aber wenig gebracht: Keines ihrer etlichen seit 2007 eingebrachten Anliegen hat es bislang durch National- und Ständerat geschafft.

Doch Aufgeben scheint der ehemaligen Berner Kantonspolizistin fern zu liegen – ihr aktuellstes Anliegen trägt den Titel: “Transparenz bezüglich Ursachen von Gewaltverbrechen und Unfallverursachung sowie Drogenkonsum herstellen”. In der Drogenpolitik hat sie dementsprechend wenig Einfluss, ist aber – wohl dank ihrer extremen Ansichten – immer wieder in den Medien präsent. Es ist dementsprechend anzunehmen, dass Geissbühler nicht so schnell damit aufhören wird, Konferenzen zur Gefahrenminderung für Drogenabhängige als “internationale Tagungen der Drogenlegalisierungslobby” zu bezeichnen. Und im Kampf gegen Drogen alle verfügbaren Kräfte einzubinden, sogar Scientology-Ableger.

2. Die Kiffer selbst

Obwohl jeder Dritte in der Schweiz bereits Cannabis konsumiert und sich damit strafbar gemacht hat, sind die Kiffer kaum organisiert. “Es gibt meines Wissens keine andere Gruppierung in der Schweiz, die Hunderttausende von Betroffenen hat und über keine starke Lobby verfügt”, schreibt Nino Forrer von der Cannabis-Initiative auf Anfrage von VICE. Einige Hundert Personen seien Mitglied im Verein Legalize it! und einige Hundert im medizinischen Pendant, dem Medical Cannabis Verein Schweiz. “Hier gibt es sicher noch Luft nach oben”, lautet Nino Forrers Fazit. Im Gegensatz zu anderen politischen Organisationen, die für eine Initiative Unterschriftenbögen an ihre zahlreichen Anhänger versenden oder Unterschriftensammler bezahlen können, arbeitet die Lobby für die Cannabis-Legalisierung mit simplen Mitteln. Die Kosten von 100.000 Franken, mit denen die Initianten für das Sammeln von Unterschriften rechnen, mussten sie über ein Crowdfunding eintreiben. Und mit diesen Mitteln müssen sie nun auch gegen sämtliche Hürden ankämpfen, auch jene auf Seiten der Kiffer selbst. Als 20 Minuten titelte, dass das Crowdfunding zu scheitern drohe, zitierte die Zeitung Nino Forrer mit den Worten: “Durch den CBD-Boom glauben jetzt viele, dass eine Legalisierung von Hanf mit hohem THC-Gehalt automatisch kommt.” Dies sei ein Trugschluss, von allein passiere nichts. Und ohne organisierte Lobby eben auch nicht.

3. Verena Herzog

Nationalrätin, Verein Jugend ohne Drogen

Foto: parlament.ch

“Die Drogenhanf-Messe Cannatrade muss verboten werden”, forderte die SVP-Nationalrätin Verena Herzog im Nationalrat. Die Messe sehe explizit den Verkauf von “Energieschleudern und Gerätschaften” für den Indoor-Anbau von “illegalem Drogenhanf” vor. Mit Andrea Geissbühler verbindet Verena Herzog nicht nur die Mitgliedschaft im Dachverband Drogenabstinenz und dass bisher keines ihrer repressiven Anliegen im Nationalrat durchkam, sondern auch, dass sie in den Medien präsent ist. Der Blick bezeichnet sie als “No-Drug-Herzog” und sie fordert schon mal das Verbot von CBD-Hanf: “Wenn jemand beispielsweise fünf Stück rauche, wird er vermutlich auch benebelt sein. Deshalb sei das Hauptargument der CBD-Befürworter nichtig”, wird sie vom Blick zitiert – und findet mit ihrem Anliegen Unterstützer in der FDP und CVP.

Wieso das Ganze? “Mir geht es vor allem um den Jugendschutz”, sagt Verena Herzog und präsidiert passenderweise den Verein Jugend ohne Drogen, einen der aktivsten Anti-Drogen-Vereine. Im Gegensatz zu Andrea Geissbühler lehnt es Verena Herzog dementsprechend jedoch nicht komplett ab, Cannabis zu medizinischen Zwecken zu verwenden, fordert aber wissenschaftliche Untersuchungen zu den Neben- und Langzeitwirkungen. Den Begriff “medizinisches Cannabis” lehnt sie jedoch ab. “Mit der Verwendung dieses Begriffs wird in der Bevölkerung bewusst Verwirrung gestiftet, um aus ideologischen und weiteren Gründen Cannabis sativa baldmöglichst legalisieren und regulieren zu können”, schreibt sie 2017 in einer von ihr und ihrem Vereinssekretär Jean-Paul Vuilleumier unterzeichneten Pressemitteilung.


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4. Jean-Paul Vuilleumier

Verein Jugend ohne Drogen

“Das Drogenproblem […] sei von den Linken geschaffen worden, um die bürgerliche Gesellschaft in den Ruin zu treiben”, zitiert der Tages-Anzeiger aus dem Argumentarium der 1993 zustande gekommenen Volksinitiative Jugend ohne Drogen. Die Initiative forderte “gesetzgeberische Massnahmen zur Reduktion von Nachfrage und Konsum, zur Heilung der Abhängigkeit, zur Verminderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden und zur Bekämpfung des Handels.” An vorderster Front mit dabei war Jean-Paul Vuilleumier, damals Sekretär des Initiativkomitees, heute Sekretär des Vereins Jugend ohne Drogen. Der Verein entstand nach dem Zustandekommen der Initiative aus Anhängern der Psychosekte VPM und widmet sich unter anderem dem Verbreiten von “sachgerechter Information”, um Kinder und Jugendliche vor “Rauschgift” zu schützen.

Die Initiative aus den 90er Jahren scheiterte grandios und auch heute hat der Verein mit Verena Herzog zwar einen direkten Draht ins Parlament, der bislang jedoch kaum Früchte trug. Obwohl sich Jean-Paul Vuilleumier bereits jahrzehntelang als Anti-Drogen-Aktivist engagiert, hält er sich im Hintergrund. Man sieht ihn im Gegensatz zu seinen politischen Mitstreiterinnen kaum in den Medien und auch online ist bis auf ein paar Foreneinträge wenig von und über ihn zu finden. Bemerkenswert: Obwohl sich der Verein Jugend ohne Drogen dem Kampf gegen jegliche “Rauschgifte” von Cannabis bis Heroin widmet, erwähnt er Alkohol in seinen Forderungen kaum.


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5. Cannabis ist (k)eine Einstiegsdroge

Im Journalismus ist es üblich, Pro- und Contra-Seite eines Argumentes in einen Text einfliessen zu lassen. Vielfach unabhängig davon, welche dieser Meinungen durch wissenschaftliche Fakten gestützt wird. Nino Forrer von der Cannabis-Initiative sagt dazu: “Wenn Partei A sagt, die Erde ist rund, und Partei B, die Erde ist eine Scheibe, dann titelt die Zeitung: Gestalt der Erde umstritten.” Das kann dazu führen, dass bei dir als Leser nicht das Wissen zu den wissenschaftlichen Fakten hängen bleibt, sondern dass die wissenschaftlichen Fakten als Meinungen wahrgenommen werden. “Wenn zum Beispiel ein Artikel erscheint und ich darin sage, die Theorie der Einstiegsdroge sei unwahr, und ein Gegner sagt, die Theorie sei wahr, dann denkt der Leser, die Einstiegsdrogentheorie sei eine Meinung”, sagt Nino Forrer. Man könne an diese Theorie glauben oder nicht. “Dabei ist es ein Fakt, dass die Einstiegsdrogentheorie nicht stimmt”, führt Nino Forrer aus und wird dabei unter anderem von Erkenntnissen von Sucht Schweiz unterstützt.

6. Sabina Geissbühler-Strupler

Berner Grossrätin, Verein Eltern gegen Drogen

Foto: Grossrat Bern

“Menschenversuche mit 12-prozentigem Drogenhanf”, “von den Medien inszenierte Propagandawalze”, “das grosse Drogenproblem der kommenden Zeit” – Zurückhaltung gehört kaum zu den Stärken des Vereins Eltern ohne Drogen. Mit diesen Worten beschreibt der Verein in der ersten Ausgabe seines Info-Bulletins 2018 nicht etwa den nahenden Untergang der westlichen Zivilisation, sondern den derzeitigen Umgang mit Cannabis. Sabina Geissbühler-Strupler ist Präsidentin des Vereins und passend zum Vereinsnamen auch die Mutter von Andrea Geissbühler, die den Dachverband Drogenabstinenz präsidiert. Eltern ohne Drogen ist neben Jugend ohne Drogen der wohl aktivste Verein im Dachverband Drogenabstinenz.

Auch im Berner Grossrat nimmt die SVP-Abgeordnete kein Blatt vor den Mund. In einem Vorstoss aus dem Jahr 2017 empört sie sich über die geplante regulierte Abgabe von Cannabis in Berner Apotheken für Forschungszwecke. “Was für eine Ethik hat eine Ethikkommission, wenn sie solche Menschenversuche bewilligt?”, fragt sie sich. Beim Bundesrat scheint ihre Frage nicht angekommen zu sein: Im Februar 2018 sagt dieser Ja zur Cannabis-Abgabe zu Forschungszwecken und bringt die Idee so vor das Parlament.

7. Die Meinungsvielfalt

Es ist einfach, Cannabis zu verteufeln und repressiv zu behandeln. “Salopp könnte man sagen: Die Gegner haben mit ihrem Schwarz-Weiss-Denken (‘Cannabis ist schlecht, fertig’) natürlich keine Probleme, ihre Personen zu organisieren. Wir haben es da schon um einiges schwerer”, erzählt Nino Forrer von der Cannabis-Initiative. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Cannabis legalisiert werden könnte. Wie soll der Jugendschutz aussehen? Wie wird die Abgabe geregelt? Fragen wie diese führen selbst bei Leuten zu Meinungsverschiedenheiten, die grundsätzlich für die Legalisierung sind. Je mehr Meinungen es gibt, desto schwerer wird es, einen Kompromiss zu finden, der für alle passt.

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