Getrieben von der Angst vor Hepatitis C erließ die Stadt New York 1961 ein Gesetz, das Tätowieren illegal machte. Erst 36 Jahre später, 1997, sollte das Verbot aufgehoben werden. Durch den Bann entstand jedoch eine florierende Tattoo-Kultur im Untergrund, die den markanten New York City-Stil herausbrachte. Diesem unverkennbaren Stil hat es NYC zu verdanken, dass es berechtigterweise als Geburtsort des modernen Tattoos gefeiert wird. In einer neuen Ausstellung Tattooed New York beleuchtet die New York Historical Society nun die Geschichte der Tintenkunst in New York, angefangen von den amerikanischen Ureinwohnern bis hin zur modernen Tattoo-Kultur.
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Die sorgfältig kuratierte Ausstellung verfolgt die Geschichte der Tätowierung bis zu ihren indigenen Ursprüngen zurück. Die Irokesen in New York nutzten Tattoos als Schutzsymbole und wegen ihren vermeintlich medizinischen Eigenschaften. Die Ausstellung zeigt die Entwicklung der Tätowierung vom rituellen Symbol bis hin zum Zeichen der Unabhängigkeit oder der Erinnerung – mit Porträts von den tätowierten Oberkörpern von Frauen, die den Brustkrebs besiegt haben und die "never forget"-Slogans von 9/11-Überlebenden.
Obwohl jeder Bereich der Ausstellung eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, fügen sie sich doch zu einer großen Saga zusammen, die mehrere Jahrhunderte umspannt. Der Besucher wird so Augenzeuge des Aufstiegs der Tattoos: Die Seefahrer, die die Tätowierungen zuerst bei den amerikanischen Ureinwohnern sahen, machten das rituelle Symbol zu ihrer eigenen Tradition. Schnell entwickelten sie ihre eigenen Symbole: Schwalben für zurückgelegte Seemeilen (eine Schwalbe entsprach 5.000 Meilen, zwei Schwalben 10.000 und so weiter) und der Anker für Sicherheit. Die Ausstellung hebt auch Frauen heraus, die in der Tätowierkultur eine Chance zur Emanzipation sahen und ihre komplett tätowierten Körper auf Jahrmärkten zur Schau stellten – aber auch die Damen aus der gehobenen Gesellschaft, deren Tattoos der Öffentlichkeit verborgen blieben.
Mit prominenten New Yorkern von Theodore Roosevelt bis hin zu Dorothy Parker unterstreicht Kurator Christian Panaite, dass Tattoos in der Metropole schon immer beliebt waren. Bis heute hat New York City einen großen Einfluss auf die globale Tätowierbranche, wie Panaite gegenüber Creators erklärt: „Künstler aus der ganzen Welt kommen hierher um die Tattoo-Kunst zu erlernen und Tätowierer aus New York bereisen die ganze Welt und bringen von ihren Reisen neue Ideen in die Stadt zurück; es ist ein ständiger künstlerischer Austausch." Wie in so vielen anderen Bereichen ist New York City auch in Sachen Tattoos ein Trendsetter.
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New Yorks Vorreiterrolle wurde vor allem in den langen Jahren geprägt, in denen die Kunstform sich nur im Untergrund entfalten konnten. Die Zeiten des Tattoo-Verbots gehören für Panaite zu den Highlights der Ausstellung: „Mich persönlich faszinieren vor allem die Erzählungen über illegale Tattoo-Studios, die in dieser Zeit in privaten Apartments betrieben wurden und als eine Art heiliger, sicherer Ort zur Kunstschaffung angesehen wurden. New Yorker aus allen Teilen der Gesellschaft – darunter Polizisten, Geschäftsleute und sogar Mitglieder rivalisierender Biker-Gangs – trafen in diesen Studios aufeinander und mussten sich allesamt an die Spielregeln des Künstlers halten." Ganz im Stile der Alkoholprohibition in den 1920er Jahren suchten sich die New Yorker eigene Wege, um die Tattoo-Kultur am Leben zu halten.
Durch dieses eigenwillige Durchhaltevermögen wurde ein ganz eigener Stil geboren: das unverkennbare „New York" Tattoo, mit kräftigen Farben, dicken schwarzen Linien und einfacher Symbolsprache. „Heutzutage", erklärt Panaite „betrachten viele Künstler den New Yorker Stil als globalen Stil, da er von der ganzen Welt beeinflusst wurde und umgekehrt Einfluss auf die ganze Welt hatte." Die Tattooed New York Ausstellung bietet einen umfangreichen Überblick über die bewegte Geschichte der Tätowier-Kunst in New York, die sich auch heute nach wie vor großen Beliebtheit erfreut.
Tattoed New York wird vom 3. Februar bis 30. April 2017 in der New York Historical Society ausgestellt. Weitere Informationen zu der Ausstellung findet ihr hier.