Skateboarding ist immer noch ein Verbrechen, aber ein gesellschaftsfähiges

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Skateboarding

Skateboarding ist immer noch ein Verbrechen, aber ein gesellschaftsfähiges

Über den Generationswechsel und den Zugzwang einer Sportart. Mit den amerikanischen Skate-Pros Curren Caples und Eric Koston.

Skateboarding ist Rebellion. Auf hochfrequentierten Bürgersteigen oder Museumsvorplätzen, die seit der Jahrtausendwende zum Weltkulturerbe gehören. Eine aktive Auseinandersetzung mit der Straße und die sportliche Interpretation betonierter Architektur. In speziell dafür angelegten urbanen und gesellschaftlichen Räumen ist Skateboarding jedoch angekommen. Ja, gern gesehen und akzeptiert. Von draufgängerischen Familienvätern, die ihren Sechsjährigen das „Mongo-Pushen" verbieten, weil sich mit dem richtigen Stil auf vier Rollen mittlerweile lukrative Karrieremöglichkeiten eröffnen, die vom trainierenden Erziehungsberechtigten nicht gänzlich ausgeschlossen werden möchten. Skateboarding ist dabei, eine richtige Sportart zu werden, obwohl es in solider Jeans und aufgeknöpftem Oxford-Shirt immer noch schwierig scheint, wirklich schwitzend und agil zu wirken.

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Getragen wird diese Veränderung von einem Generationswechsel, in dem das Alte zwar zur respektablen Marke gemacht wird, sich aber im Zugzwang neuer Innovationen und Einflüsse gesellschaftlich öffnet. Zwei Skater, die diese sportliche Fleischwerdung vom Lehrling bis zum Meister definieren, sind die amerikanischen Skate-Pros Curren Caples und Eric Koston. Beide trennen 21 Jahre und die skatende Sozialisierung ihrer Zeit. Zwei Generationen, in denen versucht wird, die gleiche Sprache zu sprechen. In denen die jungen Wilden den Meilensteinen und ihren Legenden den Respekt entgegenbringen, der von ihnen verlangt wird. Obwohl sie heutzutage die weitaus schwereren Tricks machen, ohne dabei die Entwicklung zu vergessen, die dafür notwendig war.

Der Skater von heute sieht gut aus und achtet auf seinen Körper. Er wirkt sensibel und gebildet im zugeknöpften Oxford-Shirt. Er arbeitet an Stil und einer Nische, in der er selbstverwirklicht definiert, was Skateboarding für ihn und seine Sponsoren bedeutet. Natürlich surft Curren Caples. Aufgewachsen im Surf- und Skate-Shop seines Vaters gehört es zum guten Ton, beide westamerikanischen Leidenschaften zweigleisig zu fahren. Nicht nur aus Gründen freizeitlicher Beschaffungsmaßnahmen, sondern auch, um sich körperlich fit zu halten. Denn eines verbietet die Stilpolizei des Skateboarding: Training. Sportspezifische Stabilisierungsübungen, Sprunggelenkstraining und Verletzungsprävention sind inkompatibel mit einer Subkultur, die sich klar von verheirateten Jogging-Exzessen an einem heiteren Sonntagvormittag abgrenzen möchte. Doch was passiert, wenn die Legenden unseres Sports zu Familienvätern werden? Wenn die Marlboros zwischen den Sessions weniger werden und die Rockstars des Sports nicht mehr verkatert, sondern mit Spinat-Smoothie auf unseren Skateparks erscheinen? Nichts!

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Denn so etwas nennt sich Wandel und das, was der 41-jährige Eric Koston in seinen Knien spürt, vielleicht Arthritis. Deswegen ist Eric vielleicht schon so lange dabei, fast wissenschaftlich, in Zusammenarbeit mit seinen Sponsoren, Produkte zu entwickeln, die sich mit sportlichen Erfordernissen auseinandersetzen. Skateschuhe mit TÜV-geprüften Stoßdämpfern oder Sonnenbrillen, die im Falle eines Sturzes weder brechen noch platzen können. Was ist also falsch daran, sich vor Beginn einer Session ausreichend warm zu machen oder Skateboarding endlich als erwachsenen Sport zu begreifen? Im Surfing und Snowboarden ist dieser Übergang gelungen, wenn auch mittlerweile Coaches und Ernährungspläne den Alltag der Athleten bestimmen. Dennoch ist es unmöglich, mit Mitte 40 noch das zu leben, was Skateboarding in jungen Jahren diktiert. Außer man sitzt gerne mit angerissenen Außenbändern im Großraumbüro seiner Werbeagentur und wird von kombifahrenden Kollegen mit „Baby on Board" belächelt und für nicht erwachsen empfunden.

Eric Koston; Foto: Oakley

Skateboarding muss sich öffnen, um im Zeitlauf des Lebens nicht den Anschluss zu verlieren und sich endlich als kulturell hochwertiger Sport begreifen. Das haben Surfing und Snowboarding auch geschafft. Nur fallen wir bei jeder Session, jedem Schwierigkeitsgrad auf Asphalt und nicht in lauwarmes Salzwasser und sahnigen Tiefschnee. Also etwas Respekt bitte. Damit Skaten uns auch nach der großen 30 dabei hilft, die brünette Barbesucherin davon zu überzeugen, die Mutter unserer Kinder zu werden.

Eric Koston und Curren Caples definieren die Grenze und den Maßstab von Zukunft und ihrer Vergangenheit. Einer ist und der andere wird die Stilikone seiner Zeit. Eric gilt als der Skater mit der höchsten medialen Aufmerksamkeit und das, obwohl er seit kurzem einige Pilates-Kurse besucht. „Ich mache eigentlich kein spezielles Training. Aber durch das Älterwerden fühle ich mich nach Sessions schlechter und schlechter. Trotzdem versuche ich, so viel zu skaten, wie ich kann, und hin und wieder ein paar Dehnübungen zu machen", so Koston.

Curren zählt zu den feinfühligsten Park-Maschinen der Gegenwart, bei denen die Frisur selbst nach kopfhohen Kickflip-No-Grabs über dem Coping bereit ist für ein „Drei Wetter Taft"-Shooting. Er trägt keine schwarzen Lederjacken oder Nietengürtel und das, obwohl sein Skaten genau dafür steht: „Ich liebe es, schnell zu skaten. Deswegen bin ich kein Fan von langsamen Techniktricks oder Ledges. Ich schmeiße mich einfach gerne über große Hips und versuche, so schnell wie möglich zu fahren."