Fünf Strategien, um dein wahres Selbst zu finden – von Genesis Breyer P-Orridge

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Fünf Strategien, um dein wahres Selbst zu finden – von Genesis Breyer P-Orridge

Lebenshilfe von der legendären Industrial-Pionierin und Künstlerin.

Foto mit freundlicher Genehmigung von PAN. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP US erschienen

Der Sonntagabend ist typischerweise prädestiniert dazu, seinen Existenzängsten mal wieder freien Lauf zu lassen: Was mache ich mit meinem Leben? Warum überhaupt zur Arbeit gehen? Was soll das alles eigentlich? Depressive Schübe vorprogrammiert. Wenn du diese Sinnfragen allerdings nicht alleine erörterst, sondern eine Stunde lang zuhörst, was die Industrial-Pionierin, Okkultistin und "pandrogyne" Künstlerin Genesis Breyer P-Orridge dazu zu sagen hat, wird diese Tortur plötzlich zu einem Privileg.

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Und genau das durfte ein vollbepackter Saal aufmerksamer Zuhörer am 26. Februar im New York MoMa PS1 erleben. Unter einer großen Projektion ihrer eigenen psychedelischen Kunst sitzend gab P-Orridge eine inspirierende Lesung. Sie sprach über alles: ihren Weg zur Androgynität, ihre Meinung zu Krieg, Evolution, Gott, Politik, kommerzielle Kunst, die Erkundung des Weltalls und mehr. Die Veranstaltung war der dritte Teil der MoMa PS1-Reihe Between 0 und 1: Remixing Gender, Technology and Music, zu der wichtige Personen aus der Musik- und Kunstwelt zu diesen Themen sprechen. In der Beschreibung des MoMa sollte P-Orridges Vortrag "darstellen, wie ihre Zerstörung der Zweigeschlechtlichkeit mit ihrem Aufstieg in der experimentellen Musik einherging."

Neben ihrem musikalischen und künstlerischen Schaffen ist Genesis Breyer P-Orridge berühmt dafür, sich gemeinsam mit ihrer verstorbenen Partnerin, Lady Jaye, mehreren plastische Eingriffe unterzogen zu haben, um sich optisch anzugleichen. Über ihr "Pandrogynitäts-Projekt" sagte P-Orridge vor dem MoMa-Publikum, dass Pandgroynität "positive Androgynität" und der ultimative Ausdruck ihres Selbst sei. Für sie ist die Existenz beider Geschlechter in einem Körper der ursprüngliche Daseinszustand des Menschen.

Der Werdegang von P-Orridge, die hier großgewachsen, mit wasserstoffblonden Haaren und dick aufgetragenem Eyeliner vor dem Publikm spricht, ist außergewöhnlich – sowohl in seinen Ambitionen, als auch in seiner Originalität. Aus ihren eigenen Erfahrungen sprechend, gab sie den Menschen Rat, wie man sein wahres Selbst hervorholt.

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"Hab keine Angst", wiederholte P-Orridge mehrmals. "Hab keine Angst", zu entdecken, wer du wirklich bist. Hier sind Genesis' fünf Ratschläge, wie du dein wahres Selbst findest:

Transmenschen und Drag-Queens sind die Sturmtruppen der Zukunft.

Lös dich vom Einfluss der Gesellschaft

Zu Beginn der Erkundung ihrer Geschlechtsidentitäten trat P-Orridge einer Kommune bei, "um das Selbst rigoros zu de-programmieren." Wie P-Orridge solltest du versuchen, die externen Kräfte zu verstehen, die dich formen. Dann kannst du damit beginnen "Gewohnheiten und übernommene Konditionierungen abzustreifen."

Überlege, wie sehr Geschlecht deine Beziehung zur Welt bestimmt

Die gesellschaftliche Norm, die P-Orridges Kunst und Transformation am meisten beeinflusste, war ihr angeborenes Geschlecht. Mit Blick auf patriarchale Dominanz, Krieg und Ungleichheit erkannte Genesis, dass "männlich zu sein, in gewisser Weise bedeutete, eine Verbindung zu allen Schrecken dieser Welt zu akzeptieren." Als Männer Macht über das Kinderkriegen ausüben wollten, "ging die ganze Scheiße los."

Für P-Orridge ist Geschlecht eins der Hauptmittel, um Spaltung zu erzeugen – ein "Entweder/Oder", wie Genesis es nannte. Ein kritischer Blick darauf, wie Geschlechterrollen Menschen auseinanderbringen, ist nur ein Weg, um die Illusion des Entweder/Oder aufzulösen. Das Entweder/Oder ist die Trennung von Mann und Frau – der Sündenfall, wie P-Orridge mit Verweis auf das alte Testament sagt. Die Neuinterpretation des Ersten Buch Mose, Genesis, war so prägend für P-Orridge, dass sie sich danach benannte. Mit einem kritischen Blick auf Geschlecht können wir auch andere falsche Trennungen erkennen und ablehnen. "Es geht nicht um Geschlecht", sagte P-Orridge. Ihre Identität sei "Genesis" und weder Mann noch Frau. "Es geht darum, wie weit du damit gehen willst, das Entweder/Oder abzulehnen."

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Der Körper ist formbar

P-Orridge fand in den Stars und Sternchen der 1990er eine unerwartete Inspirationsquelle. Als Menschen begannen, immer offener über kosmetische Eingriffe zu sprechen, erkannte P-Orridge für sich, dass "der Körper formbar ist. Wir müssen nicht mehr dem Programm unserer DNA folgen." Das gab P-Orridge die Freiheit, ihre theoretische Erkenntnis über Geschlecht als spalterische Norm auch in die Praxis umzusetzen. Über ihre Operationen und die körperliche Transformation zur Androgynität sagte sie: "Es geht nicht um Genitalien, es geht um die Vorstellung, dass wir die Welt verändern wollen."

Etabliere deine eigenen Prinzipien

"Du entscheidest selbst, wie du dich verhältst", sagte P-Orridge. "Du solltest niemals die Normen anderer akzeptieren."

Als sie anfing, sich vom Einfluss der Gesellschaft zu lösen, Geschlecht und binäres Denken zu hinterfragen, sowie ihren Körper zu verändern, begann sie damit, ihr eigenes Denken zu etablieren. "Wir entwarfen uns unser eigenes Leben", sagte sie.

Aber P-Orridge erkannte auch, dass das leichter gesagt als getan ist. Ihr Rat lautet, sich selbst zu vertrauen, da "du der einzige bist, der jede Sekunde deines Lebens dabei ist." Wenn du dein Leben gestaltest, solltest du dich "vor allem nach dir richten." Natürlich ist es schwer, gegen den Strom zu schwimmen. Sie selbst hatte beobachtet, "wie leicht du dazu verleitet bist, deine eigenen Prinzipien zu verraten." Gleichzeitig wiederholte P-Orridge wieder und wieder: "Hab keine Angst."

Erklär mit Kunst dem Status Quo den Krieg

"Es ist die Aufgabe von uns allen, unser wahres Selbst zu erkennen und einzufordern", sagte P-Orridge gegen Ende ihrer Lesung und schwor das Publikum darauf ein, das Entweder/Oder abzulehnen. Mit einem Verweis auf den aktuellen Streit um die freie Toilettenwahl in den USA und die generelle politische Lage reflektierte P-Orridge, dass "ein Krieg zwischen dem Status Quo und dem Drängen nach Veränderung schwelt." Für sie findet dieser vor allem in den Bereichen Geschlecht und der Ablehnung der männlichen Vorherrschaft statt: "Transmenschen und Drag-Queens sind die Sturmtruppen der Zukunft." Im Zentrum dieses schwelenden Konflikts steht die Angst: "Sie fürchten sich so sehr davor, die Männlichkeit vor ihren Augen dahinschwinden zu sehen. Hoffen wir, dass es bald so weit ist."

Wie können wir also diesen Krieg gegen den Status Quo und das Entweder/Oder führen? Genesis' Antwort ist Bewusstsein, Optimismus und Kunst. "Uns bleibt nur eine bestimmte Menge Zeit und dann sind wir weg. Was machen wir mit dieser Zeit?", fragte sie in den Raum, nur um gleichzeitig daran zu erinnern, dass "jeder Tag, den wir bekommen, großes Glück ist." Mit dem Wissen über die Endlichkeit der Natur und den außergewöhnlichen Umstand des Lebens auf der Erde, muss du dich fragen, was du bewirken willst. "Was willst du der Welt wirklich sagen?", fragte Genesis das Publikum. Unsere Macht besteht darin, dass diese Message auch gehört wird. Unsere Hauptwaffe ist unsere Handlungsmacht und Kreativität. "Du bist also plötzlich hier in dieser Welt", sagte Genesis. "Und du hast keine echte Macht, außer deiner Vorstellungskraft." Dabei ist die Fähigkeit, sich zu überlegen, wer wir wirklich sind und was wir sagen wollen, die stärkste Waffe von allen.

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