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Wer ist schuld, wenn sich jemand in deinen Cyborg-Arm hackt?

Ein italienischer Sicherheitsexperte warnt vor Hackern, die deine Robo-Gliedmaßen als Geisel nehmen und aus der Ferne kontrollieren könnten.
Bildausschnitt von Military Arm / FlickR | CC BY 2.0

Nach acht Jahren harter wissenschaftlicher Arbeit hatte DARPA vor wenigen Wochen einen schönen Triumph zu verkünden: Ihr DEKA-Arm wurde von der Arzneimittelzulassungsbehörde der USA als sicher genug für die Verwendung bei armamputierten Soldaten eingestuft wurde.

Dabei hat des Forschungsinstitut des US-Verteidigungsministeriums jedoch vergessen zu erwähnen, dass es für Hacker wohl recht einfach möglich sein wird, sich in den Robo-Arm zu hacken und ihn zu übernehmen. Sicherheitsexperte Marc Weber Tobias warnt jetzt vor möglichen Hacker-Attacken auf den Roboterarm und den juristischen Problemen, die eine solche Attacke und Geiselnahme von Gliedmaßen aufwerfen könnte.

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Der DEKA-Arm wurde in Anlehnung an Luke Skywalkers Roboterarm in Star Wars auf den Namen „Luke" getauft und ist eine der ersten prothetischen Gliedmaßen, die komplett durch die Gehirnwellen des Trägers gesteuert werden. Der DEKA-Arm verbindet Elektromyogramm-Elektroden mit noch bestehenden Muskeln und reagiert nach seiner Installation auf Impulse, die das Gehirn über noch verbliebenes biologisches Gewebe übermittelt.

„Warum sollte sich jemand in einen Roboterarm hacken?", stellt Marc Weber Tobias eine eher rhetorisch gemeinte Frage. Er unterichtet in Italien auch als Dozent zu Fragen körperlicher Sicherheit und Unversehrtheit, und sieht in diesem Feld in nicht allzuferner Zukunft einige neue Szenarien und Herausforderungen für polizeiliche Ermittlungen auftauchen:

„Kann man den Arm übernehmen und ihn etwas machen lassen, was er gar nicht will? Ganz ehrlich, ich glaube, das ist gar nicht so unwahrscheinlich."

Laut Marc ist es auf jeden Fall möglich sich in den Arm zuu hacken. Dazu kommt noch, dass das Ganze ein gutes Ziel für Hacker darstellt, die sich ja immer gerne an neuer Technologie probieren.

Es ist kein Geheimnis, dass das Internet der Dinge Hackern ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Von roboterhaften Gliedmaßen bis hin zu Herzschrittmachern könnte alles zum Ziel von Angriffen oder kriminellen Organisationen werden—Arm- oder Beinprothesen als Geiseln und Mittel zur Erpressung scheinen da gar nicht soweit hergeholt. Die realen Gefahren der Zukunft führen wiederum zur kollektiven Paranoia und bewährten Argumentationsmustern von den allseits beliebten Sicherheitsindustrie-Typen: Sie sagen, dass alles, was du hacken kannst, von Terroristen verwendet werden wird.

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Mein Arm ist schuld—nicht ich.

Das Hacken von medizinischen Geräten ist keine komplett neue Vorstellung. Bei der McAfee FOCUS 11-Konferenz vor drei Jahren demonstrierte der im vergangenen Sommer verstorbene neuseeländische Hacker Barnaby Jack zum ersten Mal, wie er sich in Insulinpumpen hackte. Er erlangte komplette Kontrolle darüber, wie viel Insulin aus den Pumpen kommt, ohne dabei zuvor detaillierte Informationen über das Produkt gehabt zu haben. Die Dosen konnten auf ein tödliches Level erhöht werden. Und sogar Dick Cheney ließ schon den WLAN-Anschluss seines Herzschrittmachers aus Angst vor einem Attentat entfernen.

Obwohl der DEKA-Arm durch elektrische Signale der Muskelkontraktion gesteuert wird, ist immer noch ein winziger Computer im Arm eingebaut, der abfangbare Signale der echten Muskeln empfängt. Der DEKA-Arm kann sogar so gebaut sein, dass er kabellose Sensoren verwendet, die quasi überall am Körper der Träger angebracht werden können, sogar in den Sohlen ihrer Schuhe.

„Der Arm muss auch von aussen gesteuert werden können, falls etwas schief geht", erzählte Marc Weber Tobias:

„Die Ironie dabei ist, dass diese Steuerung von aussen jetzt die Sicherheit des Arms gefährdet. Du kannst nur über ein kabelloses Netzwerk—vergleichbar mit einem Bluetooth-System—mit den in den Körpern implantierten Maschinen kommunizieren. Aber selbst die beste und mit großem Aufwand verschlüsselte Technologie kann von jedem gehackt werden, der sich wirklich Zugang zum Computer verschaffen will."

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Für Weber Tobias ist der beunruhigendste Faktor des DEKA-Arms die fehlende strafrechtliche Verantwortung im Falle eines schweren Verbrechens. „Wenn der Arm gehackt wurde, kann jeder mit Zugang zur Prothese den Arm machen lassen, was er will. Von einem legalen Standpunkt aus ist das ein schlimmes Szenario", sagte er. „Wenn du nicht rausfindest, wer schuld ist, dann kannst du auch nicht entscheiden, wer strafbar ist." Mit anderen Worten: ‚Mein Arm ist schuld, nicht ich' könnte eine neue—und glaubhafte—Verteidigungstaktik in den Gerichtssälen der Zukunft sein.

„Nehmen wir einmal den Fall Oscar Pistorius her", sagte Weber Tobias. „Hätte er einen hackbaren Roboterarm, würde der Fall von seinem Verteidigerteam ganz anders angegangen werden. Es wäre nicht nur viel schwieriger zu belegen, dass er die komplette Kontrolle über seinen Arm hatte, es wäre auch unendlich schwieriger, die Tötungsabsicht zu beweisen."

Weber Tobias ist der Meinung, dass die jüngste Freigabe durch die Arzneimittelzulassungsbehörde ein weiteres Problem in Bezug auf die körperliche Sicherheit darstellt. In einem Forbes-Artikel beharrt er darauf, dass die Behörde nicht die Fähigkeiten und das Wissen besitzt, die potenziellen Cyber-Sicherheitsrisiken der medizinischen Implantate oder Geräte ausreichend zu untersuchen.

Die DARPA hat den Arm noch nicht für die Zivilbevölkerung zugänglich gemacht. Stattdessen werden aus dem Krieg zurückkehrende Veteranen mit der Roboterprothese ausgestattet. Trotzdem ist der altbekannte Weg von Militärtechnolgie zum Konsumprodukt ziemlich kurz und auch die Öffentlichkeit wird früher oder später den DEKA-Arm erwerben können.

Tausende vernetzte DEKA-Arme sind für Weber Tobias eine komplizierte Vorstellung und er prophezeit eine Menge neuer rechtlicher Fragen rund um die robotischen Gliedmaßen. Er betont bei seiner Gefahrenanalyse nicht zu übertreiben: Wenn Hacker ins Pentagon oder ins Weiße Haus eindringen können, dann können sie sich sicher auch „in einen kleinen Computer im Arm hacken", sagte er. „So einfach ist das."