FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Darknet: Was macht die Polizei?

Wir wollen von der Polizei wissen, was sie gegen den Onlinedrogenhandel unternimmt.

Hey, ich bin Hermann Zwiebel. Ich bin zwar kein Polizist, aber Strafverteidiger, und deshalb so gut vernetzt, dass ich euch über die neuesten Trends in Sachen Polizei auf dem Laufenden halte. Diesmal geht es um den Drogenhandel im Internet und das, was die Polizei auf diesem Gebiet unternimmt.

Vor gar nicht allzu langer Zeit, da schwadronierten die jugendlichen Gedanken noch darum, wie es eigentlich wäre, wenn die Kumpels auf ihrem Hollandtrip einfach mal ein paar Gramm Gras aus Amsterdam heim nach Fürth oder Birkenfeld schicken würden. Während der Steffen eine Freundin aus Frankfurt hatte, bei der das schon x-mal super funktioniert hat, wusste der Matze, dass, wenn man das Zeug in einem Kondom in ein Duschgel steckt, die Drogenhunde nichts riechen würden. Gemahlener Kaffee war auch immer hoch im Kurs.

Anzeige

Letztlich wurde dann aber irgendwie immer mehr drüber diskutiert, wie es denn nun klappen könnte, als dass es jemals wirklich versucht worden wäre. Bis jetzt. Denn wie ihr gelesen habt, haben sich die Zeiten geändert und das Deep Web macht es einem recht einfach zu bestellen, worauf man gerade Lust hat. Plötzlich hängt das ganze Vorhaben nicht mehr an der Motivation der bekifften Kumpels, sondern an der eigenen. Tor laden, Bitcoins tauschen und los geht's. Doch was bedeutet das für das scheinbar niemals enden wollende Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Drogenindustrie?

In meinem letzten Beitrag hatte ich euch davon berichtet, wie ich damals während meiner Ausbildung bei der Drogenfahndung miterlebt habe, wie schwer sich die Behörde schon mit der alltäglichen Szene auf den Straßen tut. Die Dealer in den U-Bahnen sind immer einen kleinen Schritt schneller und richtige Erfolge wollen sich für die Ermittler nicht einstellen. Und nun kommt da das bei korrekter Anwendung vollständige Anonymität versichernde Deep Web daher, obwohl noch nicht einmal die videoüberwachten Bahnsteige frei von Dealern sind.

Im Grunde gibt es ja zwei verschiedene Umgangsformen des Staates mit Rauschmitteln. Auf der einen Seite die Prävention, also das Verteilen von Keine-Macht-den-Drogen-T-Shirts in der Hoffnung, damit auch nur wenigstens einen einzigen Teilnehmer der Bundesjungendspiele vom Ausprobieren abzuhalten. Auf der anderen Seite die harte Hand der Strafverfolgung. Denn einen Mittelweg gibt es nicht. Das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) will es so, dass, sobald eine darin aufgeführte Substanz irgendwie in der realen Welt in Erscheinung tritt, irgendjemand sich bereits strafbar gemacht hat.

Anzeige

Denn bestraft wird nach § 29 BtmG, wer „Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft", oder „wer sie auch nur besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein."

Daneben aber auch noch, wer „einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet", oder „wer einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt."

Im Ergebnis bedeutet das: Außer dem tatsächlichen Konsum, also dem Rauchen, Ziehen, Schlucken oder Spritzen, ist alles unter Strafe gestellt, was in irgendeiner Art und Weise mit Drogen zu tun hat. Natürlich nur sofern es nicht medizinischen Zwecken dient oder einem Hilfsprogramm für Süchtige geschuldet ist.

Aus diesem Grund ist es auch seit ein paar Jahren nicht etwa „erlaubt", so und so viel Gramm Marihuana dabei zu haben, vielmehr verzichtet der Staat bei kleinen Mengen lediglich auf die sonst übliche Strafverfolgung. Logisch oder konsequent ist das natürlich nicht. Aber was erzähl ich euch, weiß ja eh jeder, dass da was nicht stimmt im System.

Anzeige

Größte Probleme bereiten den Ermittlern heute immer noch die technologische Revolution der gefühlten Steinzeit: Der Mobilfunk. Früher musste man nur den Hauptbahnhof oder das Rotlichtmilieu beschatten. Telefonanschlüsse und -nummern konnten nicht wie Unterhosen gewechselt werden. Wie soll heute denn auch die Polizei einen Drogenhändler erwischen, wenn er sich unter der Nutzung von Codewörtern und einem Pre-Paidhandy mit den Kunden verabredet und der Verkauf dann geschützt in der Käuferwohnung stattfindet? Telefon abhören? Fragt sich nur welches. Manchmal hat man sogar eine Person im Verdacht, aber dann muss man erstmal an die Telefonnummer kommen, um es abhören zu können. Hierfür gibt es dann den sündhaft teuren ISMI-Catcher, mit dem man das auf umständlichen Wegen zwar könnte, der in Berlin aber meistens kaputt oder zur Reparatur in England ist. Irgendwie schafft man es dann trotzdem, den ein oder anderen zu verhaften. Sei es durch einen Tipp eines Konkurrenten, weil er unachtsam war, oder einfach nur durch Zufall. Der eigenen Schwäche bewusst hat der Gesetzgeber einen Paragraphen geschaffen, der es den Fahndern ermöglichen soll, an die Hintermänner heranzukommen: § 31 BtmG erlaubt es dem Richter, die Strafe zu mildern oder sogar ganz auf eine Bestrafung zu verzichten, wenn der Täter fröhlich ausplaudert, wo er das Zeug eigentlich herhatte.

Ich selbst betreute den Fall, bei dem einer bei der Übergabe von einem Gramm Kokain von einem Kurier erwischt wurde. Aus Angst vor einer hohen Strafe erzählte er gleich drauf los, wie er im vergangen Jahr die ganze Zeit bei der gleichen Dealerclique bestellt hatte, und gab dabei ehrlich alles preis, was er wusste. Am Ende stand er aber dann nicht wegen des Kaufs des einen Gramms vor Gericht, sondern wegen des Kaufs von circa 100 mal einem Gramm im Laufe des letzten Jahres. Diese Strafe durfte der Richter nun mildern, weil er brav so viel geplaudert hatte. Na toll. Als Strafverteidiger empfehle ich daher: Sagt erstmal gar nichts, denn ihr müsst nichts sagen. Erst recht nicht, wenn ihr euch damit selbst belastet. Redet lieber erstmal mit einem Anwalt. Zum Beispiel mit mir, ich möchte auch was an dem ganzen Irrsinn verdienen!

Anzeige

So langsam fragt ihr euch, warum ich euch das alles erzähle, es geht doch hier um den Verkauf von Drogen im Internet.

Ganz einfach: Bisher war eine Vielzahl von Leuten darin involviert, das Rauschgift vom Schiff im Hafen in die Zelle des Gehirns zu befördern. Und das sind alles Straftäter. Und damit alles potentielle Singvögel, wenn sie geschnappt werden. Das umgeht der Online-Drogenhandel. Dort wird direkt vom Großhändler geliefert. Handelsstufen ausschalten, größere Gewinnmarge für den Händler bei günstigeren Preisen und höherer Qualität für den Endkunden. Das klassische Modell jeder Online-Handelsbranche. Sieht man den Drogenhandel als Großes und Ganzes, dann wird er dadurch um Dimensionen sicherer und unangreifbarer. Denn es steht ja niemand mehr zwischen dem Großverkäufer und dem Endkunden und seinem Briefkasten. Keine Autobahntransporte, keine Übergaben, keine Mitwisser. Und vor allem auch keine Kleinstdealer mehr mit einem Handy voller SMS und Telefonnummern. Selbst wenn unwahrscheinlicherweise mal ein Brief abgefangen werden würde, wen soll ich denn verpfeifen? Dope-D89 aus Netherlands?

Aber was, wenn dann doch plötzlich die Polizei in der Wohnung steht? Wenn ihr das Briefchen schon ausgepackt und die Nase reingesteckt habt, dann sieht es eher schlecht aus. Denn wie ihr dem Paragraphen oben entnehmen könnt, ist schon das Besitzen verboten.

Wenn der Brief aber noch zu ist, ihr also gar keinen Herrschaftswillen über das habt, was in dem Brief drin ist—denn ihr hattet ja nie damit gerechnet, dass euch jemand etwas Verbotenes schickt—dann ist es auch kein Besitz. Letztlich wird es darauf ankommen, welches Wissen um die Sendung euch nachgewiesen werden kann. Sollte man euch sogar die Bestellung nachweisen können, etwa weil sich da noch der Mailverkehr auf dem Rechner befindet, oder der Dealer selbst erwischt wurde und seine Dateien nicht gelöscht hat, dann hilft euch das Leugnen natürlich nichts und ihr erfüllt den Tatbestand des Kaufens.

Ich kann euch leider nicht sagen, wie groß die Anstrengungen der zuständigen Stellen beim LKA wirklich sind, um an einen Online-Verkäufer ranzukommen. Dass jedoch ein verdeckter Ermittler einer deutsche Behörde sich durch monatelange Bestellungen bei einem Dealer dessen Vertrauen erkauft, um dann irgendwann den Versuch zu starten, ihn zu überreden, von der sicheren Variante der Bitcoin-Bezahlung eine Ausnahme zu machen (Dealer: „Die Polizei kauft auch auf dem „Black Market Reloaded" und der „Silk Road"ein. Wahrscheinlich sogar ziemlich viel und im ganz großen Stil.), halte ich aus Kostengründen, und vor allem aber wegen der mangelnden Erfolgsaussichten für eher unwahrscheinlich. Das erscheint mir eher nach einem US-amerikanischen Projekt zu klingen, oder aber sogar nur nach einer Urban-Dealer-Legend. Bisher ist in Deutschland noch kein Verfahren bekannt geworden, in dem sich ein Online-Drogenhändler oder Endkunde vor Gericht verantworten musste. Und die „Silk Road" gibt es ja nun schon einige Jahre.

Vorbei sind allerdings die Zeiten von Kondomen im Duschgel. In der modernen Händlerdependence steht eine handliche Vakuumiermaschine und ein Fläschchen medizinischer Alkohol zum Verwischen der Spuren.

Da nicht absehbar ist, dass sich der Staat die Herrschaft über diesen enormen und enorm gefährlichen Wirtschaftszweig etwa durch eine kontrollierte Legalisierung zurückholt, bleibt mir nur übrig, euch den effektivsten aller Tipps zu geben, um eine Strafe zu vermeiden: Lasst die Finger von Drogen, das ist vor allem auch viel gesünder!