MUNCHIES Guide to Supermarktweine

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MUNCHIES Guide to Supermarktweine

Damit du in Zukunft nicht mehr russisches Roulette vor dem Weinregal spielen musst.

Die Regale sind lang, die Auswahl ist riesig und eigentlich will man sofort wieder raus. Ein Supermarkt, das ist die betonierte Überforderung. Wein im Supermarkt zu kaufen kann eine Qual sein. Vor dir türmt sich eine Wand voller Flaschen aus allen Teilen der Welt und in allen Farben. Du musst dich entscheiden, und zwar richtig. Und schnell. Und es muss so aussehen, als sei man ein Kenner. Denn du willst nichts anderes, als die beste Flasche in diesem Regal zu finden, natürlich zum besten Preis. Damit du künftig nicht mehr russisches Roulette spielen musst, gebe ich dir einige Tipps, die dein Risiko für einen Fehlkauf im Supermarkt deutlich reduzieren werden. Am besten wäre es natürlich, beim Weinfachhändler um die Ecke einzukaufen, denn dort wirst du gut beraten und kannst alle Weine probieren, bevor du sie kaufst. Aber diese Option hast du jetzt nicht, da müssen wir durch.

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Toutes les illustrations sont de Lucile Lissandre.

Alle Illustrationen von Lucile Lissandre

Lesen hilft

Damit du im Weinregal nicht danebengreifst, musst du wissen, was dir schmeckt. Vor allem im Supermarkt, denn anders als beim Weinhändler wird dir nur in den seltensten Fällen jemand die Flasche öffnen und dich kosten lassen. Dennoch gibt es Anhaltspunkte, die dabei helfen, nicht völlig danebenzuliegen: zum Beispiel die Etiketten. Es lohnt sich, die Vorder- und Rückseite der Flasche genauer unter die Lupe zu nehmen, denn dort findest du detaillierte Infos zur Herkunft, zum Weingut und zu den Rebsorten. In Supermärkten, die Wert auf ihr Weinsortiment legen, findest du diese Infos auch auf kleinen Schildern direkt am Regal. Dabei ist es erst mal nicht so wichtig zu wissen, dass Rioja und die Mosel Weinregionen oder Merlot und Riesling Rebsorten sind. Viel wichtiger ist zu wissen, ob du in der Vergangenheit beispielsweise einen Riesling von der Mosel getrunken hast, den du mochtest.


Weinflasche gekauft, aber den Korkenzieher vergessen? Du brauchst diesen Life-Hack:


Für alle, die sich so etwas nicht merken können oder einfach keine Lust darauf haben, gibt es die App Vivino. Sie ist so was wie das persönliche Weingedächtnis. Die Etiketten der getrunkenen Flaschen werden abfotografiert und die Weine bewertet. Mit der Zeit erstellt die App ein persönliches Trinkerprofil, und es kristallisiert sich heraus, was man wirklich gerne trinkt. Ein hilfreiches Gadget. Denn mit Wein verhält es sich im Grunde wie mit Musik: Hat man eine gute Platte, also einen guten Wein gefunden, kann man sich daran orientieren. Das Label, die Band und das Album sind als Pendant zur Weinregion, zum Weingut und zu den Rebsorten beziehungsweise zur Appellation oder Lage zu verstehen. Vivino ist sozusagen das Spotify der Weinwelt.

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Noch etwas am Rande: Bei deutschen Weinen geben die Bezeichnungen trocken, halbtrocken und lieblich einen Hinweis darauf, wie süss der Wein ist. Trockene Weine sind am sauersten, liebliche am süßesten.

Tiefer in die Tasche greifen

Man muss kein Vermögen ausgeben, um eine ordentliche Flasche Wein zu bekommen. Aber für etwas mehr als zwei Euro – das ist der durchschnittliche Supermarkt-Flaschenpreis in Deutschland – lässt sich kaum ein Wein produzieren, der mehr als nur „irgendwie trinkbar" ist. Überleg dir nur mal, wie so ein Regalpreis zustande kommt. Da sind die Glasflasche, das Etikett, der Korken, der Transport sowie die Margen für den Supermarkt, Zwischenhändler, Importeur. All das muss gedeckt sein, und am Anfang der Kette steht noch ein Weinproduzent, der ebenfalls Gewinn machen will. In diesem niedrigen Preisbereich kann er das in der Regel aber nur über Masse, sprich er muss das Maximum aus seinen Rebstöcken herausholen. Das bedeutet möglichst viele Trauben pro Rebstock, und hier beginnt das Dilemma. Denn je mehr Trauben am Rebstock, desto dünner und minderwertiger ist der Wein am Ende.

Manchmal stecken hinter den Billigweinen auch ältliche, fehlerhafte Tropfen, die zu lächerlichen Preisen aufgekauft, im Keller weinchemisch aufgehübscht werden und am Ende zum Spottpreis im Regal landen.

Wenn es um mehr als nur die berauschende Wirkung des Alkohols geht, sind vier bis fünf Euro der Mindestpreis für eine Flasche. Der Unterschied ist zu schmecken, versprochen.

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Medaillen, Punkte, Labels

Gute Bewertungen sind etwas, dem wir nur allzu gerne Glauben schenken. Vor allem in einer beratungsfreien Welt wie dem Supermarkt versprechen sie verlässliche Orientierung. Dennoch sollte man ihre Aussagekraft nicht überbewerten. Die Weine wurden zwar von Weingurus für gut befunden, aber das heißt nicht, dass sie dir besser oder schlechter schmecken als Weine ohne Auszeichnung. Greif lieber auf deine eigenen zurück, sprich auf Vivino.

Auch Labels helfen dir nicht dabei, den Geschmack eines Weines vorauszusagen, aber sie stehen für bestimmte Philosophien. Nehmen wir das EU-Biosiegel oder die Labels der Bioverbände Ecovin und Demeter. Sie garantieren, dass bei der Weinproduktion keine chemisch-synthetischen Spritzmittel und Dünger eingesetzt wurden. Auch im Keller wurden in der Regel weniger Zusatzstoffe verwendet als bei der konventionellen Weinproduktion. Veganer sollten unbedingt nach der Bezeichnung „vegan" auf dem Etikett Ausschau halten. Wein kann im Keller nämlich durchaus mit tierischen Produkten in Kontakt kommen.

Dann wäre da noch dieser sehr deutsche Adler. Er steht für den VDP, den Verband der deutschen Prädikatsweingüter. Weingüter, die Mitglied des Verbandes sind, arbeiten nach einer eigenen, strengeren Qualitäts-Charta und haben sich auf die Fahnen geschrieben, herkunftsgeprägte Weine zu produzieren. Ein sicherer Wert für Leute, die deutsche Winzer und Weingüter entdecken möchten.

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Hier ist Vorsicht geboten

Dich macht diese feine Staubschicht auf der Flasche stutzig? Gut so, denn diese Flasche steht möglicherweise schon seit Jahren im Regal. Gewissheit verschafft dir nur der Blick aufs Etikett und den Jahrgang. Besonders heikel sind Weiß- und Roséweine. Als Faustregel kann man sich merken, dass Weißweine nicht älter als zwei und Roséweine nicht älter als ein Jahr sein sollten. Ansonsten: Finger weg.

Vorsicht ist auch bei Sonderaktionen geboten. Manchmal werden auf diesem Wege nämlich Restflaschen verhökert, die ihren Zenit schon überschritten haben oder dabei sind, es zu tun. Um böse Überraschungen zu vermeiden, solltest du von Aktionsweinen nicht gleich einen ganzen Karton kaufen, sondern erst mal eine Flasche. So findest du am sichersten heraus, ob die Aktion wirklich ihr Geld wert ist.

Beim nächsten Mal werden dir die meterlangen Weinregale im Supermarkt jetzt hoffentlich nicht mehr ganz so beängstigend erscheinen. Und mit deiner persönlichen Sammlung an Weinen, die dir gut geschmeckt haben, traust du dich vielleicht doch irgendwann zum Fachhändler um die Ecke.

Die Idee für den Artikel kam von unseren französischen Kollegen, das Original ist von Antoine Massot, auch die Illustrationen hat Lucile Lissandre darauf angepasst. Unser Autor hat es an die deutschen Besonderheiten angepasst.