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Restaurant Confessionals

Deshalb sieht dein Burger nicht so aus wie in der Werbung

Eine Food Stylistin weiht uns in die Geheimnisse eines perfekten Fotos ein. Unter anderem dabei: Hühnchen mit Schuhcreme.
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Französisch bei MUNCHIES FR.

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal weiht uns eine Food Stylistin in die Geheimnisse eines perfekten Food Fotos ein.

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Ich bin Food Stylistin. Wenn ich das den Leuten erzähle, haben die meisten keine Ahnung, was das bedeutet, obwohl sie eigentlich bei den ganzen Shows im TV rund ums Essen langsam wissen müssten, dass das ein richtiger Beruf ist.

Früher war Food Styling vor allem eine optische Täuschung, und das ist auch teilweise noch heute so. Wenn man ein Hühnchen fotografiert, ist es oft nicht gekocht, sondern mit Schuhcreme angemalt. Die Hamburger werden hin und her gedreht, damit sie größer wirken, die Sesamkörner auf den Brötchen werden mit der Pinzette einzeln platziert. Eiskugeln sind ein Fake, genauso wie die Crema auf dem Kaffee. Viele benutzen nicht einmal echte Lebensmittel, sondern synthetische Ersatzstoffe. Ich persönlich mache solche Tricks aber selten, für mich geht es immer noch ums Kochen und nicht um Chemie.

Ich verbringe Ewigkeiten im Supermarkt, die anderen Kunden gucken mich schon komisch an, weil ich eine Stunde lang zwei Tomaten inspiziere, um die mit der besten Form zu finden.

Manchmal muss man ein bisschen schwindeln, weil manche Produkte einfach nicht passen. Erst neulich sollte ich einen ganzen Fisch kochen, der jedoch in keinen der Töpfe gepasst hat, also musste ich ihn anmalen. Doch auch da habe ich Kalbsfond genommen, also war das weit entfernt von den alten Tricks. Manchmal nehme ich eine Sprühflasche, um Produkte glänzender, frischer aussehen zu lassen oder kondensiertes Wasser auf Gläsern nachzuahmen. Grünes Gemüse koche ich in sprudelndem Mineralwasser, damit es nicht seine Farbe verliert. Ein Prinzip habe ich dabei aber immer: Ich verkaufe den Leuten nichts, was ich nicht auch selbst essen würde.

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Beim Food Styling geht es nicht einfach darum, ein paar Dinge auf einem Teller anzurichten. Ein Foto kann Stunden dauern. Manchmal muss ich vorher noch Tausend Dinge besorgen: die richtige Tischdecke, das richtige Geschirr und Blumen, die am besten zur Komposition passen.

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Manche Studios sind auf Food Fotografie spezialisiert und haben einige Requisiten da, oft fange ich aber bei null an und besorge alles selbst. Und glaubt mir, es ist eine ziemliche logistische Herausforderung, sich bei IKEA mal eben vier Schüsseln auszuleihen. Einkaufen kann auch mal locker einen ganzen Tag dauern, ich verbringe Ewigkeiten im Supermarkt, die anderen Kunden gucken mich schon komisch an, weil ich eine Stunde lang zwei Tomaten inspiziere, um die mit der besten Form zu finden. Der Einkaufszettel ist in meinem Job also unglaublich wichtig, den schreibe ich nicht mal so schnell zwischen Tür und Angel.

Ich arbeite vor allem für Zeitschriften, Werbekampagnen oder TV-Spots und so was. Ich habe auch weniger kommerzielle Projekte, aber um leben zu können, muss ich auch für große Marken arbeiten. Von außen betrachtet klingt der Food-Bereich und insbesondere der Beruf des Food Stylisten ziemlich vielversprechend, aber in Wirklichkeit ist es ziemlich hart. Die meiste Zeit bekomme ich Anweisungen oder Beschwerden von wichtigen Leuten, die aber nie einen Fuß in die Küche gesetzt haben.

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Den Leuten ist einfach nicht klar, dass es drei Stunden dauern kann eine Scheibe Banane auf einem Teller zu platzieren.

Einmal haben wir einen Werbespot gedreht, die Production Managerin, die quasi sicherstellt, dass alles planmäßig abläuft, meinte zu mir, dass sie erst am Tag vorherüberhaupt verstanden hat, was ich mache.Einmal meinte ein Projektmanager zu mir, dass er ein Foto haben wollte, das „sexy und verführerisch" ist. Ganz ehrlich, was erwartet er? Einen Joghurt im Tanga?

Ein andern Mal hatte ich auch eine ziemlich unorganisierte Chefin, die wirklich nichts geplant hat, sie hat alles nach Bauchgefühl gemacht. Weil sie früher gehen wollte, hatte sie schon einmal alle Gerichte vorbereitet. Doch der Käse, der auf dem Foto aussehen sollte, als wäre er schön geschmolzen, sah nach zwei Stunden natürlich nicht mehr so aus. Da hatte dann eben jemand Freitag nachmittags um fünf keinen Bock mehr gehabt. Aber Essen wartet nicht—Ich weiß, dass das blöd ist, aber so ist es nun mal. Die Tage können abartig lang werden: Ich gehe morgens um sieben aus dem Haus, bin dann um neun am Set und dann arbeiten wir ohne Pause bis abends um acht durch, den ganzen Tag auf den Beinen.

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Wenn ich heute manchmal Fotos auf Blogs sehe, raste ich innerlich aus. Die Leute arrangieren die Sachen wie in den 80ern, der Winkel ist ein Horror und manche Produkte passen einfach nicht zum Rezept. Wenn sie dann noch Produkte nehmen, die keine Saison haben, sondern 7.000 Kilometer in einem Flugzeug in einem Kühlcontainer um den Globus geflogen sind, geht mir das Messer in der Tasche auf. Es ist einfach nicht richtig, Mitte November ein Rezept mit Tomaten auf dem Blog zu posten.

Food Stylist ist kein Beruf für jeden. Den Leuten ist einfach nicht klar, dass es drei Stunden dauern kann eine Scheibe Banane auf einem Teller zu platzieren. Und man muss auch eine gewisse Einstellung zum Essen haben: Du kannst diesen Job einfach nicht machen, wenn dir Essen, die Produkte und der Geschmack eines Gerichts egal sind—und wenn du nicht ein bisschen über deine Art zu konsumieren nachdenkst.

Aufgezeichnet von Elisabeth Debourse.