Britischen Fußballfans sind ihre Stadionnamen egal
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Fußball

Britischen Fußballfans sind ihre Stadionnamen egal

Man könnte meinen, dass britische Fußballfans sich dagegen wehren, wenn ihr Stadium nach einem Sponsor genannt wird. Doch im Grunde haben sie sich mit der Kommerzialisierung ihres Sports schon arrangiert.

Britischer Fußball ist ein Geschäft und jeder weiß das. Es gab eine Zeit, in der der wahre Charakter des Sports vor den Fans verborgen blieb, wie ein dreckiges Geheimnis, das Eltern ihren Kindern vorenthalten. Aber jetzt, wo alles sichtbar ist, tragen die Protagonisten es offen zur Schau und flanieren in teuren Anzügen umher, in deren Taschen Geldscheine stecken. Die Fans sehen zu, mit leerem Blick, und akzeptieren das wahre Gesicht ebenso wenig wie sie es verfluchen.

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Nehmen wir zum Beispiel die Namensrechte der Stadien. Du erwartest vielleicht, dass dies ein unglaublich kontroverses Thema in Großbritannien ist. Stadionnamen sind in der Geschichte eines Vereins verankert, reichen oft bis in eine Zeit zurück, in der die Helden der Vergangenheit auf einem zerrupften Acker für den gleichen Lohn wie ein Maurer gespielt haben. Das Stadion ist ein Ort, an dem dein Großvater für ein paar Cents Bier getrunken hat und rauchend auf der Tribüne stand. Du würdest vielleicht denken, dass es als ein Sakrileg gilt, wenn eine amerikanische Firma ins Spiel kommt und diesem Ort einen neuen Namen gibt.

Aber die Fans sind da pragmatischer. Nur wenige würden wohl den Namen eines Sponsors über dem Stadiontor aktiv willkommen heißen, aber es scheint, als würden die Meisten das als einen wichtigen Teil des modernen Fußballs akzeptieren.

Denn letztendlich ist es ein Geschäft.

Das Phänomen der nach einem Sponsor benannten Stadien begann in Großbritannien Mitte der Neunziger, als immer mehr Vereine ihre antiquierten viktorianischen Todesfallen durch neue kommerzielle Arenen mit ausschließlich Sitzplätzen ersetzt haben. So notwendig das auch war, es war auch finanziell belastend, also haben sie nach großen Unternehmen gesucht, die dabei halfen, sie zu bezahlen, indem sie ihnen die Namensrechte verkauft haben. Und deshalb spielten die Bolton Wanderers fortan im Reebok-Stadion, Huddersfield im Town's McAlpine und Stoke im Britannia. Viele weitere folgten.

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Der nächste Schritt war, ein bereits bestehendes Stadion umzubenennen. 2005 hat York City die Namensrechte ihrer seit 1932 existierenden Heimat, dem Bootham Crescent, an den Lebensmittel-Giganten Nestlé verkauft. Das Ergebnis war das recht amüsante KitKat Crescent.

„Ich denke, als aus dem Bootham Crescent das Kitkat Crescent wurde, war das vorherrschende Gefühl unter City-Fans eher Beschämung", erklärt Frank Ormston, Vorsitzender der York Minstermen, einer Unterstützergruppe.

„Die Meisten haben den Deal als eine schmerzhafte Notwendigkeit angesehen; der Verein benötigte dringend Geld und es schien möglich, dass die Sponsoren den Weg für ein neues Stadion ebnen, eine Hoffnung, die letztendlich nicht erfüllt wurde.

Mittlerweile ist ein neues Stadion in Aussicht und den meisten City-Fans wird klar, dass ein weiterer Namensrechte-Deal unausweichlich ist. Da wir uns das Stadion teilen werden, liegt die Wahl des Sponsors nicht bei City, also hoffen wir darauf, dass es diesmal eine weniger peinliche Option wird."

Da immer mehr Vereine neue Sportstätten erwerben, wird die Anzahl der nach Sponsoren benannten Stadien weiter steigen. 2011 ist Brighton & Hove Albion in ein 20.000-Plätze-Stadion gezogen (mittlerweile sind daraus 30.000 geworden). Ursprünglich war es als Falmer Stadium bekannt, aber ein Sponsoren-Deal hat dazu geführt, dass es in American Express Community Stadium umbenannt wurde, oder Amex in Kurzform. Trotz Bemühungen, The Falmer aufrechtzuerhalten, wurde The Amex zur Standard-Ausdrucksweise.

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Und den meisten Brighton-Fans ist es auch egal. American Express ist der größte private Arbeitgeber in Brighton & Hove und es gab schon lange die Auffassung, dass diese Firma das Stadion umbenennen darf, wenn es soweit kommt. Und sie haben ein schickes neuen Stadion bezahlt, das die Bezirkssportanlage des Vereins ersetzt hat, auf der er vorher zehn Jahre lang gespielt hat. Warum sollte man sich also nicht damit arrangieren?

Auch bei größeren Vereinen gibt es ein ähnliches Level an Akzeptanz. Fans von Manchester City haben sich nicht darüber beschwert, ihre Heimat als Etihad zu bezeichnen, als das der Stadionname wurde, und Arsenal-Fans motzen nicht darüber, ins Emirates zu gehen, wenn das bedeutet, dass sie Alexis Sanchez spielen sehen können. Zu den Vereinen, die noch ihren alten Stadionnamen tragen, gehört der FC Chelsea. Oft wird darüber gesprochen, dass der Club die Namensrechte an ihrem Stadion Stamford Bridge, seit über einem Jahrhundert Heimat des Teams, angeblich veräußern will.

„Wir verlieren aufgrund unserer begrenzten Kapazität im Vergleich zu Arsenal und Man United Millionen im Jahr", erklärt Patrick, seit 30 Jahren Dauerkarteninhaber. „Das Problem sind die astronomischen Kosten der Sanierung unseres Stadions.

Die Fans wären außer sich, wenn wir einfach den Namen eines Sponsors zu dem jetzigen Stadion hinzufügen würden. Aber die Meisten akzeptieren, dass es traurig aber notwendig ist, daraus eine ‚Qatar Stamford Bridge' zu machen, wenn das Stadion ausgebaut wird. Die Meisten würden es bevorzugen, wenn der Name abgewandelt würde und wir weiter an der Stamford Bridge spielen können, anstatt irgendwo anders in der Sibneft-Arena."

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Natürlich ist nicht jeder glücklich. Als Newcastle United zeitweise den Namen des St. James' Park zugunsten von Eigner Mike Ashleys Firma Sports Direct verändert hat, gab es einen Aufschrei. In diesem Fall war es aber auch einfach nur ein Weg, um Geld zu verdienen, ohne jegliches Versprechen, dass Einnahmen zurück in den Verein fließen. Und die Newcastle-Fans hassen Ashley. Sie hassen ihn mit solcher Inbrunst, dass man nur staunen kann, also ist es schwierig, ihre Reaktion zu bewerten. Wären sie auch so aufgebracht, wenn Alan Shearer den Verein kaufen und ihr Stadion in Newcastle Brown Ale Arena umbenennen würde?

Man bekommt das Gefühl, dass die meisten Leute ganz zufrieden mit dem Arrangement sind. Der Name der Sponsoren wird im Fernsehen von Ex-Profis laut vorgelesen, die Vereine haben weniger, über das sie sich sorgen machen müssen, und die Fans bekommen ein schickes neues Stadion, dem es vielleicht ein wenig an Atmosphäre mangelt, das aber dafür mehr Komfort und Sicherheit bietet.

Der Name kann allerdings nicht für immer bestehen bleiben. Verträge über die Namensrechte laufen aus, was dazu führt, dass das Stadion wieder umbenannt wird. Leicester City hat mehr als ein Jahrhundert im Filbert Street gespielt, bevor sie 2002 in ein neues Stadion gezogen sind, das nach dem örtlichen Chips-Hersteller Walkers benannt war. Zunächst wurde es Walkers Bowl genannt. Anscheinend hatten alle Verantwortlichen vergessen, dass Amerikanismen der Feind der meisten britischen Fußballfans sind, also wurde es später in Walkers Stadium umbenannt.

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Als Leicester City nach dem Abstieg vor zehn Jahren letzte Saison in die Premier League zurückgekehrt ist, gab es das Walkers Stadium nicht mehr. Der Verein spielte mittlerweile im King Power Stadium. Zur Saison 2011/2012 hatten sich die Namensrechte geändert, nachdem der Verein an die King Power Group verkauft wurde.

Wieder hat es die Fans nicht sonderlich gestört. Walkers war akzeptiert, weil die Firma lange Zeit Trikotsponsor war und eine lokale Firma ist. King Power gehört dem Club-Eigner Vichai Raksriaksorn, der unter den Leicester-Fans sehr beliebt ist. Der langjährige Fan Richard drückt es so aus: „Sie haben uns zu einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen gemacht, das Team spielt attraktiven Fußball in der Premier League. ‚The King Power' hört sich scheiße an, aber ich denke, dass es zumindest ein bisschen mit der Identität des Clubs zu tun hat—wenn auch nur der Unternehmerischen—und mehr kann man sich bei Stadionnamen heute nicht wünschen."

Fotografiert bloß auch die ganzen Firmenlogos im Hintergrund, Jungs. | Photo by PA Images

Aber so resigniert und zufrieden die Fans auch sein mögen, die Tatsache, dass ein Stadionname mittlerweile sogar noch weniger bedeutet als zuvor, kann nicht umgangen werden.

In 15 bis 20 Jahren werden die Stadien ihren dritten oder vierten Namen tragen und dann werden die Fans fast keine Wahl mehr haben, als Alternativen zu benutzen. Auch wenn die Brighton-Fans es gerade einfacher finden, ihr Stadion als The Amex zu bezeichnen, wird es Probleme geben, wenn es das Gillette Stadium wird und dann die Lucozade Arena. Werden sie weiter den Namen eines alten Sponsors nutzen, obwohl das Geld nicht mehr fließt? Die Fans werden es wahrscheinlich nur noch als ‚das Stadion' bezeichnen, denn das ist etwas, das es immer bleiben wird: ein Gebäude, in der Erde verankert, unbeweglich und immer noch irgendwie heilig.

Aber sie werden es auch so machen, weil es ihnen egal geworden ist. Sie haben akzeptiert, dass Fußball ein Geschäft ist. Und wenn es dir egal ist, musst du dich nicht mehr darum kümmern.

Und es ist nicht alles schlecht daran. Fußballfans sind bereit, kleinere Affronts in Kauf zu nehmen, um sicherzustellen, dass unsere Vereine auch in 30 Jahren noch bestehen, damit unsere Kinder den gleichen Verein anfeuern können, ob es nun Champions-League-Teilnehmer sind oder der örtliche Verein, der versucht, der Insolvenz zu entgehen. Ja, wir haben unsere Unschuld verloren, aber das musste irgendwann passieren. Wir sind Konsumenten, wir trinken in der Halbzeit schlechtes, überteuertes Bier, ohne uns überhaupt darüber zu beschweren. Und wenn wir zurück auf die Tribüne gehen und das riesige McDonalds-Logo dort sehen, wo früher die hundert Jahre alte Uhr hing, seufzen wir und hoffen, dass es in den nächsten 45 Minuten anständigen Fußball gibt. Denn das ist alles, was es lohnenswert macht.