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„Das Blut reicht bis zu den Knöcheln“—Nepals Tieropferfest ist ein riesiges, sinnloses Massaker

Das Gadhimai in Bariyarpur ist ebenso brutal wie populär. Tierrechtler zeigen mit schockierenden Drohnen- und Fotoaufnahmen das blutige Gesicht einer religiösen Tradition.
Blutige Büffel

Bild- und Videomaterial mit freundlicher Genehmigung von ​Animal Equality

​Tausende tote Körper, drängende Menschenmassen und über allem hängt der Geruch nach Blut. Was nach einem Albtraum klingt, ist eine der größten Attraktionen Nepals. Alle fünf Jahre treffen sich Hunderttausende Menschen zum Gadhimai, dem weltweit größten Tieropferfest. Über den Zeitraum von einem Monat werden im Dorf Bariyarpur Tausende Tiere zu Ehren einer hinduistischen Gottheit geschlachtet, darunter Ziegen, Tauben, Lämmer und Schweine. Den Großteil der Opfergaben machen allerdings Büffel aus, die auf einem extra angelegten Feld getötet werden.

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Weil es den 250 abgestellten Schlachtern oftmals nicht möglich ist, die Tiere mit einem Hieb hinzurichten, schlagen sie ihnen zuerst die Hinterbeine ab und machen sie damit bewegungsunfähig. „Es kann bis zu 25 Anläufe brauchen, bis ein Büffel stirbt", erklärt Hendrik Hassel von Animal Equality, der Organisation, die bereits seit Jahren versucht, die Festivität ein für allemal zu beenden.

Das Absurdeste an dem blutigen Ritus: Tieropfer sind im Hinduismus nicht nur grundlegend verboten, auch die Geschichte um die namensgebende Göttin Gadhimai hat so gar nichts mit dem kontroversen Fest zu tun, bei dem Berichten zufolge auch große Mengen Alkohol im Spiel sind.

Der Legende zufolge soll der Großgrundbesitzer Bhagwan Chaudhary vor 260 Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden sein und aus lauter Dankbarkeit für seine neugewonnene Freiheit der Göttin Gadhimai ein Opfer gebracht haben. „Dem Ursprung zufolge waren weder Tiere involviert, noch musste jemand für die Göttin sterben", erklärt Hassel. Stattdessen brachte Chaudhary der Göttin Blutstropfen von fünf Stellen seines Körpers. Statt symbolischen Blutspenden oder den für den Hinduismus recht typischen Kürbis-Opfergaben  versprechen sich die Gläubigen heute allerdings Glück und Wohlstand durch das Vergießen von tierischem Blut.

„Die Göttin Gadhimai war gut zu mir. Ich habe ein gutes Leben. Ich sehe das Schlachten als eine Möglichkeit, mich bei ihr zu bedanken", sagte beim vorhergehenden Fest 2009 einer der Schlachter zu Animal Equality. „Umso mehr Tiere ich töte, umso erfüllter bin ich. Ich helfe, eine alte Tradition fortzuführen", erklärte ein anderer Mann. Viele der teilnehmenden Gläubigen reisen aus dem benachbarten Indien an, in dem Tieropfer verboten sind. Tausende bringen dafür sogar ihre eigenen Tiere mit.

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Immerhin: Durch Grenzkontrollen auf Erlass der indischen Regierung war es den Tierrechtsaktivisten möglich, in diesem Jahr viele Tausende Tiere schon auf dem Weg nach Nepal abzufangen. Die Lage beim Opferfest beschreibt eine der indischen Koordinatorinnen trotzdem mit drastischen Worten: „Es ist ein wahrer Irrsinn. Das Blut reicht bis zu den Knöcheln. Tausende von Tieren werden im Namen der Religion niedergemetzelt. Animal Equality akzeptiert die Glaubensfreiheit, aber ist davon überzeugt, dass Tradition und Religion es nicht rechtfertigen, den Tieren Leid zuzufügen. Der internationale Druck wächst stetig und wir hoffen, dass das Massaker dieses Jahr zum letzten Mal durchgeführt wurde. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen."

Dass das Gadhimai trotz starkem Gegenwind von Tierschutzorganisation wie dem Animal Wellfare Network Nepal oder Animal Equality und dem fragwürdigen religiösen Fundament nach wie vor stattfindet, liegt laut den Aktivisten vor allem an den nepalesischen Behörden. Die Tatsache, dass rund 70 Prozent der Pilger aus dem benachbarten Indien anreisen, macht das Opferfest zu einer wirtschaftlich überaus attraktiven Veranstaltung für Nepal. 2009 soll die Regierung Gadhimai sogar wesentlich mitfinanziert haben.  Auch das Fleisch und die Haut der Tiere ist ein Wirtschaftsfaktor: Für den Verkauf werden im Vorfeld gewisse Vereinbarungen getroffen, von denen vor allem das Organisationskomitee und der anwesende Priester profitieren.

Durch explizite und ungeschönte Berichterstattung wird jetzt versucht, das Land an genau jenem touristischen Interesse zu packen: „Die nepalesische Regierung sorgt sich um das Image des Landes, nachdem beim letzten Gadhimai-Festival erstmals international darüber berichtet wurde und die blutigen Bilder um die Welt gingen", sagt Hendrik Hassel. Vermutlich aus Angst vor negativer Berichterstattung verbot die nepalesische Regierung in diesem Jahr Foto- und Videoaufnahmen.

Vielleicht liegt es an genau ebenjener Aufklärung, vielleicht auch daran, dass das Opferfest in der hinduistischen Gemeinde ebenfalls sehr umstritten scheint. Laut Animal Equality sollen sich die Tieropfer in diesem Jahr deutlich verringert haben. Am ersten Tag des Fests sollen 2500 Büffel geschlachtet worden sein—3500 weniger als noch vor fünf Jahren. Laut  ​dpa hat das Fest in diesem Jahr auch drei menschliche Opfer gefordert. Ein Kleinkind erfror, ein Mann wurde in der Menge erdrückt und eine Frau erlag einem Asthma-Anfall. 2009 kamen nach Informationen von Animal Equality zwei Kinder in der drängelnden Menge zu Tode.